Bern ist überall

TV in Spain

von Beat Sterchi 13. August 2014

Eigentlich ist der Sommer zum Lesen da. Fernsehen und Literatur, das geht irgendwie nicht zusammen. Das ist wie Pech und Schwefel.

Liest man mit voller Hingabe ein richtiges Buch, einen Klassiker wie Madame Bovary oder einen Kurzeck, ist da keine Zeit, aber auch kein Raum, schon gar keine Notwendigkeit für diese immer so beschleunigten, lauten und bunten Welten, welche von penetrant in die Stube lachenden oder lächelnden Menschen hoch- und ausgehalten werden.

Und wenn man es trotzdem tut, weil an der WM ja immerhin auch die Schweiz mitspielt und man so nebenbei ein bisschen schauen will, was die Menschen hier ausser Fussball sonst noch anschauen, fällt einem vor Staunen ganz schnell mal der Kinnladen runter. Da ist über den Daumen gepeilt das ganze heimatliche Sendeangebot vergleichsweise ein Wort zum Sonntag.

Heile Welt in der Werbung

Beeindruckend auf dem Bildschirm natürlich auch hier in diesem staugeplagten Land, wie viele, immer wieder nur leicht angestaubte Off-Roader auf Naturstrassen in prächtige Berge hinauf preschen, schöne einsame Strände finden oder durch leere Weiten kurven, elegant und von Musik begleitet wie in einem schlechten Film.

Geradezu schmerzend auch die uneingeschränkte Präsenz von Swimmingpools und Nautischen Parks. Immer ist in der Hitze des Sommers Badewasser im Bild. Und natürlich als der Inbegriff von Erfolg und Status: Der Golfplatz! Nicht schlecht für ein Land, das seit Menschengedenken an notorischem Wassermangel leidet.

Verlust der Scham in den News

Werbung wie für Idioten gemacht. Rund zehn Minuten dauerte sie unmittelbar vor jedem Spiel und natürlich geht man bald solange raus aus dem Lokal.

Aber einmal, noch vor der Werbung, sogenannte Nachrichten. Telediario heisst das auf dem Privatsender, der sich die Fussball WM schnappte. Da ist ein Monsieur im Anzug. Ernst. Was er nachrichtet? Er nachrichtet ab Blatt, das natürlich aus einer Redaktion kommt. Es sind die reinsten Peinlichkeiten und sie gehen ungefähr so!

Echt! Please excuse my French: Wenn Ihr Mann so viel säuft, dass er kotzt, wenn Ihre Frau in die Hosen scheisst, gehen Sie dann an die nächste Tür und erzählen alles weiter oder versuchen Sie zu überlegen, was zu tun wäre, dass es nicht mehr passiert und holen sich vielleicht diesbezüglichen Rat?

Das Fernsehen hier geht zu nächsten Tür, also zu mir als Zuschauer und sagt, er hat gekotzt und sie hat in die Hose geschissen, aber nicht genug! Es liefert auch noch die Bilder dazu! Ob das auch etwas mit der anhaltenden Krise zu tun hat?

Wahrheit und Mythos

von Guy Krneta 6. August 2014

Am 1. August 2009 hielt Peter von Matt auf dem Rütli eine bemerkenswerte Rede, die er später auch in sein Buch «Das Kalb vor der Gotthardpost» aufnahm.

Die Rede war klug, gewitzt und fintenreich, ohne dass sich die anwesenden Festgäste allzu sehr auf die Füsse getreten fühlen mussten. Einige Ungehörigkeiten wie «Zu den Wundern der Schweiz gehört, dass ihr politischer Instinkt immer zielsicherer war als ihr politischer Verstand» werden auch einfach überhört oder fröhlich überlacht worden sein.

Von Matt ging unmittelbar vom Ort des Geschehens aus, der Rütli-Wiese, und öffnete seinen Blick Richtung Europa, indem er die Aufmerksamkeit auf die im Fels donnernde Gotthard-Autobahn richtete. Für diesen rhethorischen Kniff brauchte er keine Mythen zu zertrümmern, hier fielen ihm «Mythos und Wahrheit» zusammen. Und er konnte eine Lanze brechen für die «erregenden Geschichten, die man erzählt bekommt und weitererzählt».

Mythen stehen auf wackeligen Erinnerungsfüssen

Dass Mythen eigene Geschichten haben, die oft «erregender» sind als die Mythen selber, hat sich dank Pierre Noras «Erinnerungsorten» ins allgemeine Bewusstsein geprägt. Wem fiele heute noch ein, Wilhelm Tell oder Morgarten «zertrümmern» zu wollen? Dafür stehen die Mythen selbst auf viel zu wackeligen Erinnerungsfüssen.

Doch was einmal geschichtsschreibungskritischer Impetus war, verkehrt sich zunehmend ins Gegenteil.

«Jubiläumsjahr der Superlative»

Wie wenig sich Christoph Blocher stets um Wahrheit und Mythos scherte, zeigt seine diesjährige 1. August-Tour, bei der er einmal mehr Geschichte als Gehacktes mit Hörnli servierte. Der Zürcher Blogger Christian Ledermann berichtete genüsslich darüber.

Doch auch die NZZ will es lieber weniger genau wissen als sie es weiss. Am 6. August rief die Inlandredaktion – offensichtlich inspiriert von der Marignano-Aktion von «Kunst+Politik», diese aber gezielt verschweigend – zum «Jubiläumsjahr der Superlative» auf. «Schliesslich bedarf eine staatliche Gemeinschaft einfach der Jubiläen», schrieb NZZ-Inlandredaktor Marco Amrein in seinem Kommentar, «Das Erinnern an historische Wegmarken ist eines ihrer Mittel, sich ihrer Identität zu vergewissern. (…) Schweizerinnen und Schweizer haben einzig ihre gemeinsame Geschichte.»

Im Artikel wurde bezüglich Morgarten immerhin eingeräumt: «Längst ist nicht sicher, ob die Schlacht überhaupt stattgefunden hat». Und zum Mythos der Neutralität, der in Marignano angeblich seinen Ursprung habe, vermerkte die NZZ: «Die geschichtswissenschaftliche Forschung stützt diese Deutung heute kaum mehr», um im Nebensatz anzufügen: «dennoch bleibt Marignano im kollektiven Gedächtnis tief verankert». So verweist das «kollektive Gedächtnis» die «geschichtswissenschaftliche Forschung» kurzerhand in die Schranken.

Ist das unsere gemeinsame Geschichte?

Rezeptionsgeschichte feiern?

«Das Auseinanderklaffen von Gedenken und realen Geschehnissen beklagt nur», schrieb Marco Amrein weiter, «wer übersieht, dass jedes historische Ereignis eine doppelte Geschichte hat: seine eigentliche Chronik und die Rezeptionsgeschichte, also das, was spätere Generationen aus ihm machen.»

So dient die von Peter von Matt für obsolet erklärte Dichotomie von «Mythos und Wahrheit» auf einmal als Legitimation für die Feierungswürdigkeit wackeliger Mythen. Wir feiern also nicht die Geschichte, sondern die Rezeptionsgeschichte, wir feiern, weil wir schon immer – pardon, seit gut hundert Jahren – gefeiert haben.

Zimmerwald statt Marignano

Als hätte die Rezeptionsgeschichte nicht auch ihre eigene Geschichte, die nicht unbedingt unsere gemeinsame ist. Wie diese im Fall von Marignano verläuft, hat Georg Kreis im Text «Si Marignan n’existait pas? Wenn Marignano vielleicht gar nicht stattgefunden hat?» ausgeführt. Und wenn der Historiker und frühere Nationalrat Jo Lang in seinem Beitrag fordert, «Zimmerwald statt Marignano» zu feiern, macht er nichts anderes als darauf hinzuweisen, dass Feste nicht einfach fallen. Warum fehlt Zimmerwald auf der Liste der NZZ-Superjubiläen?

Machen wir uns auf was gefasst in diesem Fest- und Wahljahr 2015. Die Mischung aus Europaphobie, Fremdenfeindlichkeit und Geschichtsklitterung wird ziemlich unappetitlich.

En vacances

von Antoine Jaccoud 30. Juli 2014

Le jour où tu auras fini d’avoir peur que l’immersion ne soit pas totale,

peur d’avoir manqué quelque chose,

peur d’être resté dans le troupeau plutôt que d’avoir emprunté les petits chemins,

peur de t’être réveillé trop tard et de t’être couché trop tôt,

peur d’avoir loupé une ruelle, ignoré une fontaine, raté une émouvante façade, tourné le dos à un temple, négligé un bar où buvaient les exilés,

peur de ne pas avoir goûté à tout, même les trucs les plus forts ou les plus rebutants,

peur de ne pas avoir bu les vins et les gnôles et tous les tord-boyaux,

peur de ne pas avoir pris le bus, et le tram, et le métro pour te sentir au milieu du monde,

peur de ne pas t’être trouvé au supermarché à l’église ou au pub comme et en même temps que les autochtones,

peur d’avoir trahi par ta veste ton accent tes chaussures ton argent d’où tu venais,

peur de ne pas avoir été présent dans la rue pour observer un mariage, une procession, une esclandre,

peur d’avoir commis un impair en ne disant pas – ou excessivement – bonjour,

peur de ne pas avoir passé assez de temps sur les bancs, dans les parcs ou simplement le nez en l’air pour contempler les cariatides et les fleurs sur les balcons et cette femme qui fume et ressemble à Sophia Loren dans son pullover noir,

peur enfin de ne pas avoir saisi chaque goutte, chaque instant, chaque particule de ton exil estival et temporaire,

eh bien ce jour là sera le dernier de tes vacances.

Wer fliegt, der lässt sich wie eine Geschosskugel durch die Luft katapultieren, schreibt Beat Sterchi in seinem letzten Beitrag, und das hat, wie er richtig bemerkt, mit Reisen nichts mehr zu tun.

Im Flugzeug sitzt man die paar Stunden ab, die es heute noch braucht, bis sich eine riesige geografische Distanz auf den Wert Null reduziert hat.

Früher hatte die Überwindung dieser Distanz eine wochen- oder monatelange Reise bedeutet, ein Abenteuer prall gefüllt mit schönen und auch weniger schönen Erlebnissen. Man hatte sich Landschaften ausgesetzt und dem Wetter, man war zahllosen Menschen begegnet, war froh um Gastfreundschaft und Herzlichkeit und musste sich manchmal auch in Acht nehmen.

Bei Flugreisen fällt das alles weg, sie sind ein einziger grosser Abstraktionsvorgang. Man kennt den Flughafen, in dem man ins Flugzeug einsteigt, man weiss, in welchem Flughafen man wieder aussteigt und dazwischen ist nichts als diese immer gleiche verhockte Zeit.

Wie viele der Reisenden, die letzte Woche in Amsterdam ins Flugzeug stiegen, wussten, dass ihr Weg nach Kuala-Lumpur jenen Teil der Ukraine kreuzt, in dem ein Bürgerkrieg tobt? Dass ihr Flugzeug von diesem Bürgerkrieg nur durch elf Kilometer Luft getrennt sein würde? Und warum hätten sie das wissen müssen? Warum hätten sie sich kundig machen sollen über die Art und Anzahl der Steppen und Slums, Urwälder und Diktaturen, die zwischen Holland und Malaysia liegen?

Die Wirklichkeit dessen, was überflogen wird, hat sich auf elf Kilometern Flughöhe zu nichts aufgelöst, das war bisher eine Tatsache. Passagierjets überflogen routinemässig Krisen- und Kriegsgebiete, es gab keinen Grund, die paar hundert Franken auszugeben, die der Weg um Länder wie Irak oder Afghanistan herum an Flugbenzin gekostet hätte. Für die Flugreisenden hatte, was sich unter ihnen abspielt, und war es auch noch so schrecklich, weniger Bedeutung als die Zeitungslektüre, es drang nicht einmal in ihr Bewusstsein.

Flugzeugabstürze machen uns, die wir alle in Flugzeuge steigen, betroffen.

Hier aber kommt der Schock der Lehre hinzu, dass der Abstraktionsvorgang, den eine Flugreise bedeutet, an den wir uns gewöhnt haben, über den wir manchmal klagen, dem wir aber auch vertrauen, misslingen kann. Es kann passieren, dass die Auflösung von ganzen Kontinenten in verdämmerte Zeit gewaltsam unterbrochen wird und die geometrischen Formen der überflogenen Gebiete sich zu einer blutigen Wirklichkeit konkretisieren, die ohne Vorwarnung in die Flugzeugkapsel einschlägt.

Sommerzeit Reisezeit

von Beat Sterchi 16. Juli 2014

Habe wiederum das Glück und das Privileg, einen Teil des Sommers in den Spanischen Bergen verbringen zu dürfen. Eine hier immer ganz besondere Erfahrung ist, dass ich den Himmel wahrnehme.

In diesem kleinen Dorf in der Sierra von Castellón ist mir das Himmelsgewölbe gerade auch nachts mit seiner ganzen Pracht nah und gegenwärtig. Keine Angst, es wird trotzdem wie immer in diesem Blog um Sprache gehen, nämlich um ein Wort. Um das Wort „reisen“.

Der Himmel ist für viele bekanntlich das Unfassbarste, was man kennt: So grenzenlos unbeschreiblich, dass schon der kleinste Versuch, es zu tun, zur Peinlichkeit missrät. Eigentlich einfach der wuchtige Wahnsinn an Erhabenheit und Glitter und Glanz. Ein Trip! Die Sternschnuppen! Der grosse Wagen, all die Konstellationen, die man so kennt! Und dann diese Milchstrasse! Ja, die Milchstrasse! Was will man sagen zu dieser Milchstrasse!

Rot blinkende Sternschnuppen

Zu bemerken ist allerdings, waren es vor gar noch nicht so vielen Jahren nur einzelne Flugzeuge, die am Nachthimmel hier auftauchten, blinkt es heute, sobald man ein bisschen genauer hinschaut, ununterbrochen in alle Richtungen. Noch gibt es auch Sternschnuppen, aber diese blinken nicht rot. Was da aber alles blinkt, gleich da und hier und dort und jetzt dahinter, dort und wieder hier und auch wieder da und jetzt von dort drüben und dann hier unten, aber auch von hier und von ganz hinten und da! Und dort! Und gleichzeitig wieder von oben! Jetzt auch wieder da! Und dort! Ein Riesenverkehr! Ein Riesen-Hin-und-Her! Tagsüber hört man ab und zu in der Ferne ein leises Dröhnen, man sieht Kondensstreifen, einmal, ich erinnere mich, donnerten sogar Kampfjets übungshalber durch diese abgelegene Gegend. Aber nachts, wenn man wegen der blinkenden Positionslichter alle sieht, wimmelt es am Himmel von Flugzeugen, dass man schlicht ins Staunen kommt.

Keine Angst vor dem Fliegen

Natürlich hat diese Intensivierung des Flugverkehrs Ursachen und Konsequenzen, da besteht kein Zweifel. Wirklich absurd finde ich aber, dass viele dieser Passagiere, die hier über mir durch die Nacht rasen, meinen, sie würden reisen. Könnte man sie fragen – es müssen zu jedem Zeitpunkt Zehntausende sein -, was sie da oben auf knappstem Raum mit ihren Spielzeugen auf den Knien in enge Sitzreihen gezwängt, tun, würden viele antworten, sie machten einen Reise. Eine Reise? Ist das dort oben, was einer macht, wenn er eine Reise tut? Nein, die Zugfahrt an den Flughafen, das mag noch eine Reise gewesen sein. Der Rest ist fliegen, das heisst sich wie ein Geschoss katapultieren lassen durch die Nacht!

Die Stadt Bern ist in der luxuriösen Situation, das Kulturbudget aufstocken zu können. Und erntet dafür die Wut der Kulturschaffenden. Was läuft hier schief?

Vor ein paar Tagen schickte die Abteilung Kultur ihre Vierjahres-Planung in die Vernehmlassung. Die Botschaft wäre erfreulich: Die meisten Kulturinstitutionen der Stadt sollen besser subventioniert werden. In der Darstellung der Abteilung liest sich das jedoch so: Durch die Umsetzung des neuen Kulturfördergesetzes werde die Stadt Bern im Kulturbereich um 6 Mio Franken entlastet. Davon sollten knapp 1,4 Mio in die Kultur zurückfliessen.

Dass es sich bei den 6 Mio um eine reine Schätzung handelt, wird mit keinem Wort erwähnt. Also fragen wir uns: Was passiert mit den restlichen 4,6 Mio? Warum werden sie der Kultur vorenthalten? Dient dieses ganze Papier etwa nur dazu zu vertuschen, dass die Stadt Geld einspart, Geld, das eigentlich der Kultur zusteht?

Wer kommuniziert da mit wem?

An Kommunikation scheint den Kulturverantwortlichen auch im Weiteren nicht gelegen zu sein. Der Text beginnt mit ein paar launigen Sätzen von Alex Tschäppät über Sinn und Zweck öffentlicher Kulturförderung. Das wäre annehmbar, wenn die Sache anschliessend vertieft würde. Da das aber nicht geschieht, wirken die Sätze wie eine blosse Pflichtübung: Irgend jemand muss ja noch sagen, warum hier überhaupt Geld ausgegeben werden soll.

Wie lieblos und schludrig ist das alles. Das Publikum von „traditionellen Kulturveranstaltungen“ nehme ab, lesen wir. Ein „immer kleiner werdender Anteil der Bevölkerung“ profitiere vom „mit Steuergeldern subventionierten Kulturangebot“. Wie kommt die Abteilung Kultur dazu, so etwas pauschal zu behaupten? Was sind überhaupt „traditionelle Kulturveranstaltungen“? Mit keinerlei Untersuchung oder Statistik wird der Befund gestützt. Eine Analyse der Ursachen findet nicht statt, konkrete Gegenmassnahmen werden nicht genannt. Dafür lanciert die Abteilung Kultur aus dem hohlen Bauch heraus kulturpolitische Ideen, die einer genaueren Betrachtung kaum standhalten.

Fusionieren auf Biegen und Brechen

Die gravierendste Idee: „Es soll ein starkes Haus für zeitgenössische Bühnenkunst geschaffen werden, das auch als ernstzunehmender Partner gegenüber ähnlichen Schweizer Institutionen und KTB auftreten kann.“ Dafür sollen Fr. 200’000.- mehr als bisher zur Verfügung stehen, von denen es heisst: „Auch wenn diese Subvention an eine Institution gebunden ist, so kommt sie doch zu einem grossen Teil der Freien Szene zugute, die an beiden Häusern auftritt.“ Wie soll das geschehen? Hier wird ein Moloch für Freies Theater, Theater für Junges Publikum, Literatur, Neue Musik, Jazz, Pop / Rock, Performance, Tanz etc. vorgeschlagen. Und gleichzeitig wird verlangt, „dass die Fachkompetenzen in all diesen Sparten abgedeckt sind und die Szene eingebunden ist.“ Das sind über den Daumen gepeilt 5 – 6 Spartenleitungen, mit mindestens 2 repräsentierenden Chefs darüber.

Doch warum soll es überhaupt dahin kommen? Eine inhaltliche Argumentation für diesen Murks sucht man vergeblich. Diese sollen die nun offenbar nicht mehr zieloffenen Gespräche zwischen Schlachthaus und Dampfzentrale nachliefern.

Literatur ist kein Thema

Zur Literatur gibt es bloss zwei Sätze: „Für die Literatur müssen nicht neue Strukturen aufgebaut werden, um die Förderung zu stärken. Es können bestehende Häuser für zeitgenössisches Kulturschaffen zu einem Ort von Literaturveranstaltungen und Koordination der Förderung werden.“ Auch hier fehlt jede Analyse der Situation. Es gibt nicht einmal eine Bestandesaufnahme des Bestehenden. Mögen es die Fusionen richten.

Ehrenamtliche Tätigkeit ausschreiben

Der kurioseste Vorschlag aber geht im Fusionslärm fast unter: „Zudem wird geprüft, einen Teil der Mitglieder der Kulturförderungskommissionen nach klarem Anforderungsprofil auf öffentliche Ausschreibung zu wählen.“ Das finde ich sehr lustig. Die zeitaufwendige, anspruchsvolle, kaum entschädigte Tätigkeit der kulturellen Kommissionen soll öffentlich ausgeschrieben werden. Hoffentlich wird dann auch eine private Assessementfirma beigezogen, welche die Verfahren professionell begleitet.

Wolfunfall

von Antoine Jaccoud 2. Juli 2014

Je suis le loup de Zurich. J’ai quitté ma meute italienne pour émigrer en Suisse. On m’avait dit que la vie était belle là bas, que pour un loup, c’était l’Eldorado. On ne m’avait pas menti.

J’ai d’abord trouvé des chevreuils un peu niais qui se sont littéralement jetés sous mes crocs, et puis j’ai vu les bancs, et les places de pic nic, et les pistes Vita et j’ai compris que je n’avais plus besoin de chasser. Tout était là, à portée de griffes, y avait même du bio parfois, dans certains secteurs.

Je me suis goinfré alors. Des centaines d’années, des millénaires, que le loup que je suis attendait ça: s’empiffrer, s’en mettre un maximum derrière la cravate, se faire péter la panse, et surtout cesser d’avoir à trotter du matin au soir pour trouver son frichti…. La fête a duré des mois. Poubelles, containers, alentours des Macdo et des cafeterias d’entreprise, arrière-cours des kebab et des thaï, j’ai tout fréquenté.  Je faisais même les compost histoire d’avoir un légume de temps à autre.

Il était malheureusement écrit que ce lifestyle n’étais pas approprié aux besoins d’un carnassier. J’ai grossi. J’ai chopé du diabète. Mon cholesterol n’est pas terrible non plus. Et puis je ne cours plus aussi vite qu’avant.

Je rêve même parfois que je suis un chien, un bouvier bernois ou un golden retriever (c’est nul, je sais) qui fréquente le vétérinaire,  dort avec les enfants et attend sagement devant la Migros. J’étais un grand méchant loup, je ne suis plus qu’un canidé grassouillet qui ne fait plus peur à personne, à part aux Valaisans parfois.

L’autre jour, il y a même une femme du WWF qui a voulu me toucher les parties et me donner un bisou sur la truffe.  Maintenant  j’ai honte.  Je n’ose plus hurler le soir. Mes frères du Tyrol et du Nord de l’Italie pourraient entendre le cri d’un loup qui n’a plus faim.  Ils me traiteraient de „pourri,“ de „nouveau riche„, me mettraient au ban de la meute. Je crois que je vais mettre fin à mes jours. Je crois que je vais me foutre sous le train.  Pour une fois, ce ne sera pas un accident de personne, ce sera un wolfunfall.

Isis

von Gerhard Meister 25. Juni 2014

Manchmal hat man einfach genug vom sogenannten Weltgeschehen, auch wenn der Irak und Syrien weit weg sind und man nur bei der Morgenlektüre davon betroffen ist.

Isis ist bekannt durch ihre Liebe zu ihrem Bruder Osiris. Kulturgeschichtlich interessant ist aber ebenso die Darstellung von Isis mit dem Horusknaben auf dem Schoss. Diese wurde nämlich stilbildend für die Mariendarstellung mit Jesuskind. Aus der Spätantike sind Statuen überliefert, von denen sich nicht mehr sagen lässt, ob sie Maria mit dem Jesuskind oder Isis mit ihrem Sohn Horus darstellen.

Man ist deprimiert, weil es in der Welt gewisse Entwicklungen gibt, die halt einfach deprimierend sind.

Isis galt zu Beginn ihrer Laufbahn nur als eine von vielen Bands, die Neurosis kopierten. Im weiteren Verlauf ihrer Entwicklung bewegte sich Isis jedoch über das ihr angeheftete Sludge-Genre hinaus. 2010 löste sich die Band auf und begründete dies in einem Blog-Beitrag in folgenden Worten:

«ISIS hat sein Ende erreicht. Um es einfach auszudrücken: Mit ISIS haben wir alles gemacht, was wir uns jemals vorgenommen haben – haben alles gesagt, was wir jemals sagen wollten. Wir haben zu viele Bands erlebt, die es nicht geschafft haben, einen würdigen Abgang hinzulegen – etwas, dem ISIS nicht als ein Opfer anheim fallen sollte.»

Und obwohl man eigentlich gar nicht will, liest man plötzlich doch alles darüber, was man in die Finger kriegt.

Isis befindet sich auf der Mondvorderseite an der Grenze von Mare Serenitatis und Mare Tranquillitatis. In seiner Umgebung befinden sich die Krater Robert, Mary, Osiris, sowie Catena Brigitte, Rima Marcello und Jerik.

Und liest also über Massenhinrichtungen und Ladenbesitzer, die ausgepeitscht werden, weil sie sich nicht an die neuen Ladenöffnungszeiten gehalten haben.

Ohne ISIS ist heute der Unibetrieb an der philosophisch-historischen Fakultät undenkbar. ISIS wurde im Jahr 2004 von Lukas Rosenthaler programmiert.

Sogar über Kreuzigungen liest man. Und dass die Männer erst an die Kreuze gehängt wurden, nachdem man sie erschossen hatte, ist auch kein Trost.

Isis hat einen Durchmesser von hundert Kilometern und rotiert in sechs Stunden um die eigene Achse. Benannt hat sie ihr Entdecker Norman Robert Pogson nach seiner gleichnamigen Tochter.

Nein, manchmal hat man einfach genug von der Welt und was in ihr so alles abgeht.

Die Gratiswurst

von Beat Sterchi 18. Juni 2014

Keine Sorge, auch wenn hier Wurst darüber steht: Es geht um Sprache. Denn was mit Sprache zu tun hat, ist Bern ist überall nicht Wurst. Und eine Sprache ist dann eine Sprache, wenn sie gefordert, verbessert, verändert, erweitert wird.

Deshalb kann es einem auch nicht Wurst sein, was mit der Presse passiert. Schon gar nicht, was die Gratispresse betrifft.

Gut, es gibt Leute, die haben sich an dieses Phänomen gewöhnt. Es gibt aber auch Leute, die staunen noch immer: Wie ist das möglich? Da trägt man eine Guccitasche durch den Bahnhof oder kommt super chic in einem teuren Anzug daher und was steckt da unter dem Arm? Ein Verlegenheitskonstrukt! Eine Minimalvariante! Ein Werbeträger, den man auch noch freiwillig aus einer Kiste pickt. Wohlverstanden ohne den geringsten Anflug von Scham!

Was zu lernen ist?

Es ist so einfach. Sie fressen offensichtlich alles! Es darf bloss nichts kosten. Also warum nicht vorwärts machen mit der Gratiswurst? Die Zeit ist reif. Ob durch eine Gesetzesinitiative oder durch den wachen Unternehmergeist eines Grossverteilers aufgegleisst, ist egal: Die Gratiswurst ist überfällig. Es heisst, vom Erfolg der Gratiszeitungen lernen. Wenn ein riesiges, halbwaches Publikum den Herren mit den Gratiszeitungen aus der Hand frisst, dann werden sie sich auch die Gratiswurst nicht entgehen lassen, sie werden sich auch vor ihr verbeugen.

Und diese Möglichkeiten!

Wenn, wie es das Schrumpfprodukt Gratiszeitung vormacht, alles unter die Leute gebracht werden kann, dann hat die Gratiswurst ein Riesenpotential. Mit der Gratiswurst können schweizweit qualitativ leicht reduzierte Nebenprodukte der Nahrungsmittelindustrie oder all die weniger gefragten Teile der Fleischproduktion wunderbar sinnvoll verwertet werden. Kostengünstiger als jede Entsorgung! Und zwar volksnah.

In der Gratiswurst findet alles Platz, die Gratiswurst ist die ökologische Lösung für jeden Überschuss. Und mit ein bisschen Schaum, mit viel Farbe und ein bisschen Wasser zum Verdünnen, wie wir das von der Gratispresse kennen, wird die Gratiswurst auch knackig und sehr saftig aussehen!

Bald füllen sich sämtliche Bahnhöfe mit dem Duft der Gratiswurst. Schon kann man sie sehen, die Pendler beim Besteigen der Züge: Aus der einen Tasche guckt die Gratiszeitung heraus und aus dem Mund der letzte Zipfel der Gratiswurst. Bio? Nein! Bio ist nie gratis.

So viele Reaktionen wie bei der letzten Staffel „Morgengeschichten“ Ende Mai hatte ich noch selten.

Auch wenn um 8.40 Uhr mehrere Hunderttausend Menschen angeblich SRF 1 eingeschaltet haben, sind es nur wenige, die sich danach ans Radio wenden oder mich anmailen.

Möglich auch, dass die Redaktion mir etliche Schreiben erspart und nur jene an mich weiterleitet, die mir schmeicheln oder die eine persönliche Antwort von mir erfordern.

Beim Verfassen von „Morgengeschichten“ denke ich manchmal, dass die eine oder andere Geschichte Reaktionen auslösen könnte. Meistens geschieht dann gerade nichts.

Und auch diesmal haben Geschichten Widerspruch erzeugt, von denen ich es am wenigsten erwartet habe.

Im Zoo

So hatte ich zum Beispiel in einer autobiografisch inspirierten Geschichte erzählt, wie ich mit meinem jüngsten Sohn im Zoo war. Und sich dieser – mein Sohn – für alles Mögliche interessierte, nur nicht für die Tiere.

Am Ende der Geschichte standen wir dann im Affenhaus und schauten einem Tierwärter zu, der den Käfig putzte.

Zwei Tage später erhielt ich ein Schreiben, in dem ich dezidiert darauf hingewiesen wurde, dass der Begriff „Tierwärter“ schon lange nicht mehr verwendet würde und sogar verpönt sei. Es hiesse heute „Tierpfleger“ und „Tierpflegerin“.

Wer nichts mit diesem Beruf zu tun hat, mag die Reaktion übertrieben und die Umbenennung lächerlich finden. Nachdem die „political correctness“ schon so viele geläufige Begriffe im menschlichen Bereich ersetzt habe, müssten nun auch Tiere sprachlich „gepflegt“ statt nur „gewartet“ werden.

Vermutlich hängt die Begriffsveränderung aber mit einem grundsätzlich anderen Berufsverständnis zusammen. Und mit dem alten Begriff werden Vorurteile tradiert, die mit der Wirklichkeit nicht mehr viel zu tun haben.

Denke ich mir jedenfalls.

Service Public

Zu Widerspruch gab auch die nächste Geschichte Anlass.

Da erzählte ich von einer Bekannten, die auf die Post ging, um ihr Kleinkind zu wägen. Die Hinweise und Tipps der Mütterberatung lösten in ihr als Alleinerziehende jeweils ein schlechtes Gewissen aus.

Während es mir darum ging, ein kurioses Loblied auf den „Service Public“ und die öffentliche Post im Besonderen anzustimmen, missbrauchte ich die Mütterberatung als dramaturgisches Sprungbrett.

Das trug mir eine ausführliche Mail der Mütter- und Väterberatung des Kantons Bern ein.

Während mein Vorsatz, dem „Service Public“ einen Dienst zu erweisen, ausdrücklich gelobt wurde, rügte mich die Kommunikations-Mitarbeiterin für das „angestaubte Bild der Mütter- und Väterberatung“, das ich gezeichnet hatte.

Tatsächlich habe ich mich vor dem Schreiben meiner Geschichte kaum mit der aktuellen Realität der Mütter- und Väterberatungen befasst.

Und hätte ich das getan, hätte ich meine Geschichte nicht mehr erzählen können.

Offene Wägestationen

„In allen grösseren Stützpunkten im Kanton gibt es inzwischen das Angebot der ‚offenen Wägestation’“, schrieb mir die Mitarbeiterin der Mütter- und Väterberatung des Kantons Bern, wo Väter und Mütter vorbeikommen könnten, „ganz ohne sich unliebsamen Fragen oder gar Vorwürfen aussetzen zu müssen“.

Womit die Post um eine mögliche Aufgabe ärmer ist.

Und weiter: „Unsere Beraterinnen sind geschult und geübt allen Eltern Beratung und Unterstützung anzubieten, um ihnen Orientierung, Stärkung und Sicherheit im Mutter- und Vatersein zu geben. Und keinesfalls, um Eltern zu verunsichern oder ihnen gar ein schlechtes Gewissen einzureden.“

Bleibt mir, mich bei den Mütter- und Väterberatungen sowie allen Tierpflegerinnen und Tierpflegern öffentlich zu entschuldigen für das Kolportieren unzeitgemässer Bilder.

Was ich übrigens (und ohne jede Ironie) für kein geringes Vergehen halte.

Dear Ueli

von Antoine Jaccoud 4. Juni 2014

Dear Ueli, I write to you from a big and cosy hotel room where I am having a light schlafgut tea with my old friends – I am just like you: I gave up any alcoholic beverage after 6 pm in order to sleep better and have a more effective digestion.

It is not that I had roesti or so after the concert, but you know how late dinners or even suppers can be heavy after 60.

I just wanted to tell you, dear Ueli, that I saw you from the stage during our gig (despite your big FA-18 cap and your swiss military poncho) and that your visible enthousiasm listening to me and my band moved me a lot. I could even hear distinctively your voice when you screamed satisfaction after I sang I can get no… Do you know you have a wonderful voice?

Considering your responsabilities at the head of swiss army, considering too the trouble you went through with this damn f… airplane your people stupidely refused to acquire (what was its name again? Griffin? Grissini?), I would have understood that you did not show up at the Letzigrund Stadium, and prefered listening Sympathy for the devil in your appartment.

It is not what you did and I want to express my gratitude for this.

Next time you come to a concert of mine, I would be pleased to invite you on the stage, dear Ueli. We could sing together and you could maybe explain – or even sing! – your roof metaphor (the plane is the roof / the country is the house – do I say it properly?) in front of a bigger audience. I am sure these bastards would correctly get the picture this time.

And after the show we could have a schlafgut tea or something and talk quietly about planes, rock’n’roll, peace, love, age, or any subject that would please you.

In any case, send me a sms, dear Ueli, or even an e-mail if your computers are fixed now.

Truly yours,

Mick Jagger

Ob so was auch in Bern vorkommt oder in Basel, ich weiss es nicht, ich bin in Zürich ins Tram gestiegen, in die Nummer Zwei Richtung Bellevue.

Der Grund, weshalb es im hinteren Teil noch so viel Platz hat, während die Leute vorne dicht gedrängt stehen, dringt rasch in meine Nase. Es ist ein penetranter Geruch nach Scheisse, wer sich von ihm nicht vertreiben lässt, den schützt ein heftiger Schnupfen oder er hat seinen Geruchssinn verloren.

Interessanterweise sind die wenigen Passagiere, die den Gestank aushalten, alle Männer. Auch derjenige, der den Gestank in seiner Hose aushält, ist ein Mann. Will er uns etwas sagen mit seinen vollgeschissenen Hosen?

Will er sagen, von mir aus, wenn ich nichts mehr wert sein soll, wenn ihr mich behandelt wie ein Stück Scheisse, so bekommt ihr sie eben von mir?

Steckt demnach ein letzter Rest Selbstbehauptungswille in dieser Scheisse in seinen Hosen, ist sie seine letzte Verteidigungslinie vor dem Untergang, schiesst (scheisst?) der Mann zurück mit dem letzten, was er noch hat?

Aber aggressiv oder trotzig sieht der Mann nicht aus, im Gegenteil, er wirkt verunsichert.

Vielleicht ist es der durchdringende Gestank, der ihn verunsichert, dieser Gestank, dem er nicht ausweichen kann, den er nicht los wird, wenn er sich in den vorderen Teil des Trams flüchtet.

Vor dem Mann steht ein Rollgestell, drauf gepackt ein Gitarrenverstärker. Auf dem Verstärker ein Plastiksack. Aus dem zieht er nervös ein Buch, aus der Distanz kann es ebenso gut die Bibel sein wie das Kapital, jedenfalls ein dickes Buch, er versorgt es wieder.

Steht dann da in seinem rosa Hemd mit den aufgestickten Blumenmustern und den weiten Hippiehosen, mit seinem Gestank, den er verbreitet.

Ist es übrigens legal, was der Mann tut?

Darf man mit vollgekackten Hosen in ein Tram steigen?

Und falls nein, gibt es ein Äquivalent an Schweiss- oder Parfümdurchtränktheit, das ebenfalls sanktioniert wird?

Darf man im Tram laut sprechen?

Und darf man das auch ohne sichtbaren Gesprächspartner?

Oder geht das nur mit umgehängten Kopfhörerkabeln?

Ein paar Tage vorher hatte ich in der gleichen Stadt ebenfalls im Tram folgende Szene beobachtet: Ein Mann, dem Äusseren nach locker drauf und tolerant, erstattete beim Tramführer die Meldung, im hinteren Tramwagen befände sich ein Mann, der laut mit sich selber spreche. Es sei harmlos, aber irgendwie, so sein Wort, spooky.

Am Paradeplatz steigt er aus, mit seinem Fleck hinten auf der Hose mischt er sich unter die Passanten, geht über das Pflaster, unter dem die Goldschätze aus aller Welt aufgehäuft sind, stösst den Gitarrenverstärker auf dem Rollgestell vor sich her, mit unsicheren Schritten, aber, wie es scheint, doch mit einem Ziel vor Augen.

Irgendwo in dieser Stadt hat er etwas zu erledigen, irgendwo wird er vielleicht sogar erwartet.

«Bern ist überall» steht über diesem Blog und darum soll es hier wie immer um Sprache gehen, denn «Bern ist überall» steht nun mal für einen unbeschwerten Umgang mit unseren Sprachen.

Also: Deutsch ist Deutsch und Berndeutsch ist Berndeutsch, beides sind Sprachen, aber die meisten von uns haben nur eine davon in die Wiege gelegt bekommen. Auf Berndeutsch wurden wir geschnüggelet und auf Berndeutsch durften wir nicht nur ungehindert losbrabbeln, auf Berndeutsch ernteten wir sogar für die allerverkehrtesten sprachlichen Fehlleistungen Lob und Freude.

Wie lustig, was wir da wieder rausgesabbert haben! Aber das prägt! Auch wer danach mit dem Silberlöffel im Mund aufwuchs, hat dieses Berndeutsch entsprechend leichter auf der Zunge als das andere, das sogenannt hohe Deutsch. Eigentlich logisch, aber wer denkt daran?

Unser nicht so hohes Hochdeutsch

Wer Ohren hat, der höre, heisst es irgendwo, und doch hört keiner hin, wie schlecht viele von uns Hochdeutsch reden, privat öffentlich und auch öffentlich rechtlich. Da reden die lieben Kollegen und Kolleginnen selbstbewusst drauflos, verwechseln mögen und vermögen, Sie und Ihr und oben und unten, sagen Sachen wie: Sie würden gerne mit dem Trainer ins Bett gehen, wenn sie eigentlich nur den Trainingsanzug meinen, oder sie seien froh, als ob das angenehm wäre, dass wieder überall rausgestuhlt werde. Sie machen ab um die Sexy oder sie reden vom abgeloffenen Zerfalldatum, behaupten sogar, das Rasierwasser schmecke fein.

Sagt man aber den gleichen Leuten zu ihrer eigenen Entschuldigung, Deutsch sei halt eine Fremdsprache, spickt es sie schneller auf die Palme, als wenn sie auf eine Mine getschalpet wären. Fremdsprache? Das dann doch nicht! Um es in den Worten eines Leserbriefschreibers zu sagen: «Deutsch klingt oft sogar am Fremdesten in jener Mund, die es am lauthalsesten ihre Sprache nennen».

Vorteil Romandie

Aber es ist so. Und wenn es jetzt wegen der diplomatischen Erfolge des charmanten Monsieurs aus Neuenburg heisst, die welschen Bundesräte und Bundesrätinnen bewiesen auf dem internationalen Parkett halt einfach viel mehr Weltgewandtheit als die andern, dann hat das eben auch damit zu tun.

Ja, Madame Calmy-Rey und Monsieur Burkhalter machten und machen das wunderbar, haben zweifellos grosse Verdienste. Aber immerhin müssen sie es nicht in einer Fremdsprache tun, die ihnen fälschlicherweise weniger fremd vorkommt, als sie es möglicherweise ist, weil sie halt eben doch nicht mit der Muttermilch aufgesogen wurde.

Deshalb: Wäre ich ein Deutschschweizer Bundesrat oder eine Deutschschweizer Bundesrätin, ich würde die Welt mit meinem immer ungenügenden Deutsch verschonen und international nur mit Dolmetscherinnen auftreten. Mit den allerbesten und charmantesten, die es gibt, versteht sich!

Geheimtipp

von Guy Krneta 15. Mai 2014

Ein Anlass, den ich jedes Jahr in meiner Agenda stehen habe und tatsächlich jedes Jahr besuche, ist die öffentliche Lesung aus den Abschlussarbeiten der Studierenden des Literaturinstituts.

Einerseits weil ich dabei mehrere jüngere Autorinnen und Autoren kennen lerne, von denen mich jedes Mal etliche begeistern. Anderseits weil es eine liebevolle Veranstaltung ist, im Freien, oft bei lauem Wetter, und in angenehm überfüllten kleinen Räumen.

Literarische Zukunft

Die Veranstaltung ist bestens besucht, trotzdem wundere ich mich immer, wie wenig mediale Resonanz sie findet. Wo könnte mehr über die literarische Zukunft der Schweiz erfahren werden als hier?

Dieses Jahr lesen fünf deutschsprachige und fünf französischsprachige AbgängerInnen. Das ist insofern bemerkenswert, als es in den ersten Jahren nicht leicht war, die Idee einer literarischen Ausbildung im französischsprachigen Raum zu verankern. Mittlerweile reicht das Interesse bis nach Frankreich. Und Biel erhält Aufmerksamkeit mit dem ersten mehrsprachigen Literaturinstitut in ganz Europa.

Vormerken: 20. Juni

Die Lesungen aus den Bachelor-Arbeiten finden dieses Jahr am Freitag, 20. Juni in Biel statt. Um 18.00 Uhr gibt’s Apéro und Begrüssung. Gelesen wird in zwei Blöcken um 19.30 und 21.00 Uhr.

Die Autorinnen Stefanie Blaser, Katja Brunner, Rebecca Gisler, Julia Sutter und Wiebke Zollmann lesen auf Deutsch, die Autorinnen und Autoren Romain Buffat, Elisa Dusapin, José Gsell, Pablo Jakob und Davide Marchetta auf Französisch. Einige der Auftretenden haben sich bereits einen Namen gemacht in der Szene und darüber hinaus. So gewann beispielsweise Katja Brunner mit dem Mühlheimer Dramatikerpreis 2013 den wichtigsten Dramenpreis im deutschsprachigen Raum.

Die Veranstaltung im Schweizerischen Literaturinstitut Seevorstadt 99 in Biel ist kostenlos. Spenden vor Ort zu Gunsten des Stipendienfonds sind möglich.

Je me demande parfois ce que sont devenus les trois enfants de la famille Schranz qui exploitait, dans les années 70, la petite pension et la boucherie de Boden, le petit village qui jouxte Adelboden sur la route de l’Engstigenalp.

Le garçon, qui avait une douzaine d’années mais semblait aussi robuste qu’un adulte, apportait chaque soir les épluchures aux cochons, qui étaient gardés dans une écurie proche du commerce familial. Elles étaient entassées dans des boilles à lait d’aluminium qu’il transportait à l’aide d’une petite carriole. Je me souviens que la chose était sale, couverte de merde même, et que l’énergie exceptionnelle de ce garçon me faisait un peu peur.

Je n’ai que des souvenirs vagues et flous de celle qui devait être sa petite soeur, une fillette de 8 ou 9 ans qui aurait pu, me semble-t-il, incarner Fifi Brindacier (Pippi Langstrumpf) si cette saga avait eu l’Oberland bernois pour théâtre.

Je garde en revanche un souvenir tenace et ému de l’aînée des enfants Schranz: une adolescente de mon âge – 13, 14 ans? – dont je voudrais pouvoir retrouver – murmurer – le prénom maintenant. Son visage était doux, ses yeux bleus souriaient sous sa frange. Elle paraissait différente: moins rustique, moins forte physiquement aussi que les autres membres de la fratrie. Jamais d’ailleurs je ne la vis s’affairer du côté des cochons ou de leurs produits dérivés. Elle aidait bien sûr un peu au bistrot mais pour le reste, semblait occupée à travailler pour l’école.

Nous nous sommes retrouvés quelquefois à la piscine, couchés à quelques mètres l’un de l’autre. Elle portait un joli maillot une pièce. Je ne saurais le décrire aujourd’hui, bien sûr, mais je me souviens sans doute aucun que je le trouvais joli. Je ne crois pas toutefois que nous ayons fait plus qu’échangé une dizaine de mots. Elle parlait trois mots de français, et moi quatre d’allemand. C’était trop peu pour commencer une romance.

Je me dis aujourd’hui que si nos compétences avaient été meilleures – si l’école vaudoise et bernoise avait mieux fait leur boulot – eh bien nous nous serions l’aînée Schranz et moi probablement aventurés plus loin. Et qui sait? Peut-être serais-je aujourd’hui hôtelier à Adelboden, régnant fièrement sur mon spa, ou alors propriétaire d’un magasin de sport, et d’une belle Audi noire à traction permanente. Le ventre rebondi sous une laine polaire, je regarderais l’aînée des enfants Schranz, ému du chemin avec elle parcouru. Avec l’Engstigenalp chaque jour pour horizon.

Basel, Montag, 28. April, ein trüber Tag voll Regen, ich sitze kurz vor zwei Uhr im fast leeren Speisewagen des Eurocity Richtung Zürich, Abfahrt (planmässig) 14 Uhr 07.

Ganz vorne im Wagen sehe ich die Serviererin an einem kleinen Tischchen sitzen und (Ostschweizerdialekt, ziemlich laut) eine endlose Reihe von Zahlen in ihr Handy diktieren.

Eine beliebige kleine Szene, eine Faser schweizerischer Wirklichkeit und diese jetzt aus dem vergänglichen Körper des Tages herauslösen, sie, so wie sie ist, einspannen in diese Zeilen, einlegen ins Formalin dieser Sätze…

Die Serviererin hat die Zahlenreihe abgearbeitet, sie legt das Handy zur Seite.

Serviererin: Fa schifo, fa schifo.

Der Mann mit der Minibar erscheint. Er ist ein grossgewachsener Mann, der, so bin ich sofort bereit zu glauben, die Sonne Afrikas vermisst. Er steht im Gang vor seiner Minibar.

Mann mit Minibar: Wo find ich Café hier? Catastrophe. Muss zwei Rapport machen jetzt.

Serviererin: Du bist neu?

Mann mit Minibar: Ja.

Lautsprecherdurchsage, der Zug hat Verspätung, weil die Lokomotive noch fehlt.

Eine kleine Szene, wie sie zeitgleich überall im Land stattfindet. Die Akteure: Menschen, die sich in ihren schlechtbezahlten Jobs abrackern und versuchen, sich davon nicht unterkriegen zu lassen.

Serviererin: bemüht, für ihn ganz einfache deutsche Sätze zu machen. Niemand hat dir gezeigt hier, heute erster Tag, hier?

Mann mit Minibar: Ja.

Serviererin: Entschuldigung, habe auch 1000 Sachen im Kopf. Hättest was sagen können, dann hätte ich anders reagiert. Hättest was sagen können.

…ein Präparat herstellen dieser Szene, indem ich sie aufschreibe, damit die kleine Szene haltbar machen. Etwas bleibt von ihr zurück und ist vielleicht noch da, wenn alle Beteiligten längst verschwunden sind (die potenzielle Unsterblichkeit des Internets, jeder Text ein mögliches Fundstück für zukünftige Archäologen: Man kann sich einen vorstellen von ihnen, wie er auf diesen Schnipsel stösst und was anfängt damit?)

Serviererin: zu einem Gast. Sie müssen warten mit Bestellen. Ohne Lok habe ich keinen Strom.

Mann mit Minibar: zählt seine Vorräte. Kägifrett. Keine. Null. Toblerone. Keine. Null.

Ein Ruck geht durch den Zug, die Lok ist angehängt.

Aber die Vorstellung vom Internet als einem Ort, wo Botschaften aus unserer Zeit für künftige Zeiten und Entdecker aufbewahrt bleiben, beruht vielleicht nur auf technischem Unverständnis und ist nichts als etwas Romantik, die mir über den Regentag hinweghelfen soll.

Der Zug fährt an, die nassen, grauen Häuserfronten,  die grauen Wolken darüber kommen in Bewegung. Der Mann mit der Minibar (Hemd, Gilet und Krawatte sitzen perfekt) verkauft noch im Speisewagen sein erstes Sandwich (sehr freundlich), die Serviererin bedient einen Gast (ebenfalls sehr freundlich), atmet dann hörbar aus, lässt sich auf einen Sessel fallen, wendet den Blick Richtung Fenster, vor dem der graue Tag vorbeizieht, bleibt reglos in dieser Haltung.

Vielleicht, wer weiss, hätte ich diesen Text, um ihn haltbar zu machen, besser nicht in meinen Computer getippt und dann ins Netz gestellt, sondern von Hand auf ein Blatt Papier geschrieben, dieses dann in eine Flasche gesteckt und sauber verkorkt in die Limmat geworfen.

Heute ist der Tag des Buches und in einem der schönsten Bücher im Buch der Bücher steht zwar, dass alles ganz eitel sei, dass der Mensch keinen Gewinn hat, für seine Mühen unter der Sonne, aber der Stein muss wieder hoch.

Sogar wenn unklar ist, welche Rolle man spielt. Ist man Sisyphos oder nur der Stein?

So hat es auch nichts genützt, dass man sich hier an dieser Stelle gegen die Pest der Satzfragen auflehnte. Auch heute werden wieder unzählige Medienleute versuchen, ihre vorgefassten Meinungen irgendwelchen Persönlichkeiten in Satzfragen unterzujubeln: Finden Sie auch, dass…?

Trotzdem!

Gegen gewisse Unsitten ist einfach kein Kraut gewachsen. Es ist wie es ist. Umso erfreulicher, wenn man ab und zu doch meint feststellen zu können, dass es auch Konventionen gibt, die zunehmend hinterfragt werden und die langsam ins Wanken kommen. Sogar in der guten alten Schweizerliteratur.

Habe nämlich „Der Agent der kleinen Dinge“ gelesen und bemerkt, wie Francesco Micieli macht, was auch der späte Dürrenmatt propagierte: Anstatt einfach ein konventionelles Schriftdeutsch zu schreiben, schlägt er aus der bei uns gegebenen Spannung zwischen gesprochener Alltagssprache und der literarischen Hochsprache poetisches Kapital.

Natürlich gibt es Leser und Leserinnen, die sich in gängigen Konventionen aufgehoben fühlen, die sich beispielsweise nicht daran stören, dass auf der Strasse, vor dem Theater die Leute sehr wohl auch miteinander sprechen, sogar komplexe Sachverhalte verhandeln, aber in einer ganz anderen Sprache, als dies auf der Bühne oder eben in unseren Romanen passiert.

Aber warum?

Anderen Lesenden will es nicht immer in den Kopf, warum eine Stadt, eine Strasse, ein Haus in realistischen Details unverwechselbar gemacht wird, dass aber die Sprache der sprechenden Figuren sehr wohl Austauschbarkeit zugestanden wird, dass sie also nicht so sprechen, wie es Menschen in dieser Strasse und diesem Haus in Wirklichkeit tun würden. Irgendwie geht dies durch.

Doch in der eben erschienenen Krimiparodie „Der Agent der kleinen Dinge“ geht es nie vergessen. Der Autor übernimmt zwar einen Teil der Konvention, sein Personal spricht sehr wohl auch jenes literarisierte Standarddeutsch, aber immer wieder ist auch die andere Sprache in der Form jener Wörter ein Thema, die sie wirklich benützen würden.

Und natürlich machen sie den Text reicher. Logisch eigentlich.

Fahnder und Fahnder

Der Zufall wollte es, dass ich nach der Lektüre dieser sympathisch skurrilen Geschichte von einem selbsternannten Agenten, der eigentlich ein Fahnder ist, in der Stadt einem Bekannten begegnete, der tatsächlich Fahnder ist und dies sogar ohne dabei seinen Humor zu verlieren. Als er von seinem Job erzählte und sagte, er könnte ein Buch schreiben, sagte ich: Du musste unbedingt „Der Agent der kleinen Dinge“ lesen.

Und weil ich ziemlich heftig davon schwärmte, sagte der richtige Fahnder, den werde er sich unbedingt kaufen.

Lingua franca

von Antoine Jaccoud 16. April 2014

Caro Radu, Voglio to thank you per il wonderful viaggio you organise for me in the Delta of Danube.

You were un appassionato guide who knew furte mult how to show me the most secret canali and the most unknown lakes of your territorio.

Multu merc for this again, caro Radu. I will also keep uno profonde memorio – despite the few Ursus birre we had on the terrace – of the conversation we had in the picola pension dove we spent la notte.

I did not agree totalmente with everything you have parlato of course. Posso even dire that I was shocked sometime. For me it is per esempio molto difficile to understand porque you think that the situation was far meglio during Caucescu regime.

Posso capire that having molto „traktore, traktore„, as you mentioned it, lavorando on the delta at that time was meglio che abandoned farms and ghost villagi.

But the fact is that these mega agricultural projetti also destroyed dramatically the ambiente of the delta, and were planned by uno terribile stato that put thousands of your citizen in carcere.

I will also confess that declarare che la Merkel is the successor of Hitler who wants to impose her legge to your country seems to me un poco exaggerato!

Questi appasionati conversations we had insieme helped me anyway to capire una cosa very important.

Siamo certo tutti europpeani, but we have different conceptions of this Europe, its history and its futuro. We have – and we will have – to deal with that, caro Radu, sperando that a few Ursus birre will help us to reduce la tensione..!

E poi che una last cosa which I noticed. Una bella. L’esperanto is dead – no one believe oggi in questa utopica lingua – but we are still capable to create una commune lingua – una lingua franca – to enjoy to be insieme.

Multu merc, Radu, spassiba, grazie, merci beaucoup, and see you un altro volta along our beautiful european fiume.

Losanna, 16 april 2014

Säuber beschtimme

von Guy Krneta 9. April 2014

Itz wo mir über d Ywanderig wider säuber im gsamtwirtschaftlechen Inträsse chöi beschtimme, wei mir o über angeri Beryche wider säuber im gsamtwirtschaftlechen Inträsse chönne beschtimme.

Mir wei über d Schuele wider säuber im gsamtwirtschaftlechen Inträsse chönne beschtimme.

Mir wei über üsi Unis wider säuber im gsamtwirtschaftlechen Inträsse chönne beschtimme.

Über ds ganze Biudigssyschtem wei mir wider säuber im gsamtwirtschaftlechen Inträsse chönne beschtimme.

Über d Familie wei mir säuber im gsamtwirtschaftlechen Inträsse chönne beschtimme.

Über d Ruumplanig wei mir säuber im gsamtwirtschaftlechen Inträsse beschtimme.

Über d Schtädteplanig wei mir wider säuber im gsamtwirtschaftlechen Inträsse chönne beschtimme.

Übere Vrchehr wei mir säuber im gsamtwirtschaftlechen Inträsse beschtimme.

Über d Energie wei mir säuber im gsamtwirtschaftlechen Inträsse beschtimme.

Über d Ressource wei mir säuber im gsamtwirtschaftlechen Inträsse chönne beschtimme.

Über üsen Abfau wei mir säuber wider im gsamtwirtschaftlechen Inträsse chönne beschtimme.

Über d Polizei wei mir säuber im gsamtwirtschaftlechen Inträsse chönne beschtimme.

Über d Armee wei mir säuber im gsamtwirtschaftlechen Inträsse chönne beschtimme.

Über üsi Medie wei mir wider säuber im gsamtwirtschaftlechen Inträsse chönne beschtimme.

Itz wo mir über d Ywanderig wider säuber im gsamtwirtschaftlechen Inträsse chöi beschtimme, wei mir über üsi Politik wider säuber im gsamtwirtschaftlechen Inträsse beschtimme.

Das Schweizer Volk war an die Urne gerufen und hat kundgetan, was sein Wille ist: die Schweiz bleibt ein von Europa unabhängiger Staat, ein Staat, der sich nicht vom Ausland vorschreiben lässt, wie er seine Uhren stellt.

Ein Staat, an dessen Grenze es fertig ist mit der unschweizerischen Sommerzeit.

Kein widernatürliches Uhren-Vorstellen

Der Bundesrat, der unseren Sommer ans Ausland verkaufen wollte, wurde am 28. Mai 1978 von einer Mehrheit des Schweizer Volkes zurückgepfiffen. Die Schweiz machte nicht mit bei diesem unsinnigen, widernatürlichen Vorstellen der Uhren und unsere Kühe waren dankbar dafür und gaben im Sommer 1978 und auch im Sommer 1979 sowie im Sommer 1980 so viel Milch wie vorher und auch das Schweizer Volk war dankbar, denn es litt in dieser Zeit, anders als das Ausland, nicht an einem erhöhten Herzinfarkt-Risiko, hatte keinen Schlafmangel zu erleiden und auch keinen Leistungsabbau bei der Arbeit.

Ungeheuerliches

Dann geschah das Ungeheuerliche: wegen gewisser Probleme beim grenzüberschreitenden Zugsverkehr, die sich, so die Behauptung von Bundesrat und Parlament, aus dem zeitlichen Inseldasein der Schweiz ergeben hätten, wegen einer technischen Bagatelle also, wagte es das schweizerische Parlament, sich über den Willen des Volkes hinwegzusetzen und die Sommerzeit, die niemand wollte, im Jahr 1981 trotzdem einzuführen.

Zum Glück lebt in unserem Land die direkte Demokratie und zum Glück haben wir unseren Doktor Christoph Blocher, der sofort mit einer Unterschriftensammlung begann, um das Land von diesem Missstand zu befreien.

Offene Fragen

Nun aber geschah Seltsames, Dunkles, ja Unheimliches. Die Unterschriftensammlung begann zwar, aber geriet ins Stocken. Die Initiative zur Abschaffung der Sommerzeit kam nicht zustande.

Wie konnte so etwas passieren? Wie konnte das Schweizer Volk den Weckruf seines Christoph Blocher überhören? War es der durch die Sommerzeit verursachte allgemeine und insbesondere mentale Leistungsabbau, war es der Schlafmangel, der das Schweizer Volk diese Initiative buchstäblich verpennen liess? Warum hat sich das Schweizer Volk einfach so gefallen lassen, dass seine Regierung schon im März 1980 ein neues Zeitgesetz und damit die Anpassung an Europa verabschiedete, das heisst nicht einmal zwei Jahre nach dem Tag, an dem das Schweizer Volk unmissverständlich verkündet hatte, dass es sich an dieses Europa nicht anpassen will?

Wie war es möglich, das Bundesrat und Parlament den SBB-Fahrplan höher gewichteten als die Demokratie?

Und warum, wenn wir schon bei offenen Fragen sind, warum schauen die Kühe auf der Weide so blöd und glücklich drein wie immer, obwohl wir am letzten Sonntag schon zum 34. Mal die Uhren gegen unseren Willen eine Stunde vorzustellen hatten?

Weil ich an dieser Stelle in einem Beitrag geschrieben habe, die Leute im Zentrum des Literaturbetriebes seien häufig gar keine eigentlichen Leser mehr, machte man mich darauf aufmerksam, dass ich dies sehr wohl einfach so behaupten könne.

Interessant wäre aber zu erfahren, was ich damit genau meinen würde: Was ist ein Leser? Wer ist eine Leserin?

Noch während ich mir eine Antwort überlegte, stiess ich in dem Roman „Malina“ von Ingeborg Bachmann zufällig auf diese Passage:

Das Laster Lesen

„Das Lesen ist ein Laster, das alle andern Laster ersetzen kann oder zuweilen an ihrer Stelle intensiver allen zum Leben verhilft, es ist eine Ausschweifung, eine verzehrende Sucht. Nein, ich nehme keine Drogen, ich nehme Bücher zu mir, Präferenzen habe ich freilich auch, viele Bücher bekommen mir nicht, einige nehme ich nur am Vormittag ein, andere nur in der Nacht, es gibt Bücher, die ich nicht loslasse, ich ziehe herum in der Wohnung mit ihnen, trage sie vom Wohnzimmer in die Küche, ich lese sie stehend im Korridor….“ und es geht noch weiter mit herrlichen Formulierungen, die Rede ist vom „Slalom der Augäpfel“ und davon, dass Lesen nichts mit „sich „durcharbeiten“ zu tun hat.

Das falsche Buch

Gut, man könnte einwenden, Ingeborg Bachmann sei eben Ingeborg Bachmann, aber auch unter Normalsterblichen gibt es Menschen wie zum Beispiel Monsieur Streit mit seiner Madame Bovary auf der Bank am Aargauerstalden, welche die Literatur ins Zentrum ihres Lebens rücken, und deren Sucht nach Büchern nicht mit der Sucht nach Sensationen und Superlativen zu verwechseln ist, auch nicht mit dem Bedürfnis, im Trend zu liegen und mitreden zu können. Wahre Leser und Leserinnen suchen einfach ihren Zugang zum grenzenlosen Schatz der Literatur und sie verstehen sehr gut, was Martin Walser meint, wenn er fragt:  

Soll ich meine Wut darüber, dass ich das falsche Buch lese, mit einem Verriss am Autor auslassen?

Lesen als Job

Gerade diese Gefahr besteht aber, wenn man sich professionell von 9h bis 5h mit Büchern abmühen muss, sich durch Bücher hindurchbeisst, weil man dafür ja bezahlt wird, obschon man eigentlich auf Serien steht und es sich lieber vor dem Fernseher gemütlich machen würde. Auch dieser Schluss ist nicht etwa aus der Luft gegriffen!

Wobei man noch anmerken könnte, dass es sich beim Hypen eines Textes ähnlich verhält. Auch der Hype entsteht aus einem Mangel an echtem Bezug zum Text und ist im Vergleich zum Verriss einfach eine Art Schubumkehr der Aufregung.

sprachzungeland

von Guy Krneta 19. März 2014

Jedes Wort erinnert an ein anderes!


1.

e schprach isch meh aus e schprach

ei schprach sy viu schprache

i jedere schprach schtecken angeri schprache

wo ihrersyts angeri schprachen i ihne schtecke

schprache vrschtecke sech inenang

schprache schtecke sech gägesytig aa

schprache reden aui zäme di glychi schprach

aui schprache zäme sy d schprach

 

2.

e zungen isch meh aus e zunge

ei zunge sy viu zunge

i jedere zunge schtecken angeri zunge

wo ihrersyts angeri zungen i ihne schtecke

zunge vrschtecke sech inenang

zunge schtecke sech gägesytig aa

zunge reden aui zäme mit dr glyche zunge

aui zunge zäme sy zunge

 

3.

es land isch meh aus es land

eis land sy viu länder

i jedem land schtecken angeri länder

wo ihrersyts angeri länder i ihne schtecke

länder vrschtecke sech inenang

länder schtecke sech gägesytig aa

länder beschtöh aui zämen us land

aus land zäme sy d länder

Avant la Crimée il y a eu Kiev, c’était pas beau à voir – ça je me rappelle, des sauvages, on aurait dit…

 

Avant la Crimée

il y a eu Kiev

c’était pas

beau à voir

– ça je me rappelle,

des sauvages, on aurait

dit. Et puis

avant Kiev,

il y a eu cette votation

on s’est fait gueuler dessus

comme du poisson pourri

– quels malotrus

ces Européens –

mais maintenant

c’est fini,

je pense,

beaucoup de bruit

pour pas grand-chose,

en plus Monsieur

Blocher a promis

d’aider les jeunes

qui lui en feraient

la demande.

S’il le dit c’est qu’il

va leur donner

un coup

de pouce.

Et puis avant Kiev

il y a eu Sotchi,

là on a été un peu déçus

pas tellement par les filles

– la petite Tessinoise, là,

elle est sympa –

plutôt par les hommes.

Defago on s’attendait

à mieux

Janka, notre

Iceman, aussi.

On se dit

est-ce qu’ils

étaient vraiment fin prêts?

Est-ce que toutes ces critiques

sur les hôtels

sur Poutine,

sur la Maison Suisse,

et tout ça,

est-ce que ça ne les a pas

un peu déconcentrés,

ou même

démoralisés?

On peut quand même

se poser

la question.

Et puis avant Sotchi

il y a eu

Schumacher

– comment il va d’ailleurs, Schumi, on a pas de

nouvelles, rien, c’est quand même

incroyable.

Mais avant Schumacher

qu’est-ce qu’il y a eu déjà?

Les Gripen?

Le Credit Suisse?

La centrale de Mühleberg?

Le réchauffement?

On ne sait plus,

pour finir,

ça change

tous les jours.

Ou alors est-ce que

c’était Federer?

Ou un autre?

Est-ce que

quelqu’un se rappelle

pour finir?

Die Frau im Tram

von Gerhard Meister 5. März 2014

Fehlgegangene Abstimmungen, drohende Kriege und dann noch die Unsitte der Satzfrage im zeitgenössischen Journalismus – ist es also so wichtig, in welcher Sprache die Frau zwei Reihen hinter mir in ihr Handy sprach?

Ist es der Mitteilung wert, dass ich, unterwegs im Tram in irgend einer Schweizer Stadt (Basel, um genau zu sein, aber das spielt nun wirklich keine Rolle) mich quer in meinen Sitz legte und damit mein eines Ohr in Position brachte, um nichts zu verfehlen von der Rede, die ich nicht nur nicht verstand, sondern auch keiner der mir bekannten Sprachen zuordnen konnte?

Ich entschied mich zu Methode und schloss aus, was sicher nicht in Betracht kam, also Englisch, alle romanischen Sprachen, die Skandinavischen und nach einigem Zögern auch die Slavischen.

Dann Türkisch, dann Arabisch. Aus Gründen allerdings, die so platt sind, dass ich mich, falls gewünscht, sofort ein bisschen dafür schäme (für Türkisch hörte ich zu wenig von der Silbe ül, für Arabisch zu wenig raue Chs). Auch Ungarisch, das wusste ich, hätte irgendwie anders geklungen, getakteter vielleicht, ein prägnanteres T und R und Finnisch war es auch nicht, obwohl ich nicht erklären könnte, weshalb.

Die Frau hatte im Übrigen von ihrem Aussehen her nichts Fremdländisches an sich, sie war jemand von hier, keine Frage, wenn nicht Schweizerin, so doch Europäerin, die vielleicht grad mit der Chinesin plauderte, bei der sie ein Austauschjahr verbracht und dabei perfekt Chinesisch gelernt hatte

So meine allerdings sofort wieder verworfene Vermutung, nachdem etwa ein halber Satz lang von diesem konsonantenarmen Singsang an mein Ohr drang, das jemand wie ich, der keine Ahnung von Chinesisch hat, für typisch Chinesisch zu halten gerne geneigt ist.

Natürlich hatte ich mich längst dazu entschieden, die Frau danach zu fragen, in welcher Sprache sie sich da soeben unterhalten habe. Wie gesagt, sie sah sehr von hier aus, eine gemeinsame Sprache würde sich finden, davon war ich überzeugt. Ausserdem schloss ich von ihrem Äusseren auf einen höheren Bildungsstand oder zumindest darauf, dass sie bildungsmässig nicht zu den Unterprivilegierten gehörte, wenn sonst nichts, so würde unserem Gespräch sicher Englisch zur Verfügung stehen. (Welche Maschinerie von Klischees nun für dieses Urteil wieder verantwortlich war, das möchte ich allerdings auch nicht weiter ausführen.)

Ausserdem war da noch das Problem, dass ich an der übernächsten Haltestelle aussteigen musste, ich sie aber erst ansprechen konnte, wenn sie ihr Handygespräch beendet hatte.

Für ein solches Ende gab es keine Anzeichen (andererseits, wie sollte ich diese Anzeichen aus einer mir völlig unbekannten Sprache heraushören?). Die Unhöflichkeit, mit meiner Frage in ihr Handygespräch hineinzufahren,  kam natürlich nicht in Betracht. Entweder sie hört auf zu reden oder ich werde nie erfahren, welche Sprache ich da eben gehört habe. Und wäre letzteres nicht vielleicht sogar schöner?

Unter solchen und ein paar weiteren, ähnlichen Gedanken vergingen diese drei oder sogar fünf Minuten, die entschieden zu den vergnügten dieses Tages gehörten.