Von Kollege Micieli und einer bröckelnden Konvention

von Beat Sterchi 23. April 2014

Heute ist der Tag des Buches und in einem der schönsten Bücher im Buch der Bücher steht zwar, dass alles ganz eitel sei, dass der Mensch keinen Gewinn hat, für seine Mühen unter der Sonne, aber der Stein muss wieder hoch.

Sogar wenn unklar ist, welche Rolle man spielt. Ist man Sisyphos oder nur der Stein?

So hat es auch nichts genützt, dass man sich hier an dieser Stelle gegen die Pest der Satzfragen auflehnte. Auch heute werden wieder unzählige Medienleute versuchen, ihre vorgefassten Meinungen irgendwelchen Persönlichkeiten in Satzfragen unterzujubeln: Finden Sie auch, dass…?

Trotzdem!

Gegen gewisse Unsitten ist einfach kein Kraut gewachsen. Es ist wie es ist. Umso erfreulicher, wenn man ab und zu doch meint feststellen zu können, dass es auch Konventionen gibt, die zunehmend hinterfragt werden und die langsam ins Wanken kommen. Sogar in der guten alten Schweizerliteratur.

Habe nämlich „Der Agent der kleinen Dinge“ gelesen und bemerkt, wie Francesco Micieli macht, was auch der späte Dürrenmatt propagierte: Anstatt einfach ein konventionelles Schriftdeutsch zu schreiben, schlägt er aus der bei uns gegebenen Spannung zwischen gesprochener Alltagssprache und der literarischen Hochsprache poetisches Kapital.

Natürlich gibt es Leser und Leserinnen, die sich in gängigen Konventionen aufgehoben fühlen, die sich beispielsweise nicht daran stören, dass auf der Strasse, vor dem Theater die Leute sehr wohl auch miteinander sprechen, sogar komplexe Sachverhalte verhandeln, aber in einer ganz anderen Sprache, als dies auf der Bühne oder eben in unseren Romanen passiert.

Aber warum?

Anderen Lesenden will es nicht immer in den Kopf, warum eine Stadt, eine Strasse, ein Haus in realistischen Details unverwechselbar gemacht wird, dass aber die Sprache der sprechenden Figuren sehr wohl Austauschbarkeit zugestanden wird, dass sie also nicht so sprechen, wie es Menschen in dieser Strasse und diesem Haus in Wirklichkeit tun würden. Irgendwie geht dies durch.

Doch in der eben erschienenen Krimiparodie „Der Agent der kleinen Dinge“ geht es nie vergessen. Der Autor übernimmt zwar einen Teil der Konvention, sein Personal spricht sehr wohl auch jenes literarisierte Standarddeutsch, aber immer wieder ist auch die andere Sprache in der Form jener Wörter ein Thema, die sie wirklich benützen würden.

Und natürlich machen sie den Text reicher. Logisch eigentlich.

Fahnder und Fahnder

Der Zufall wollte es, dass ich nach der Lektüre dieser sympathisch skurrilen Geschichte von einem selbsternannten Agenten, der eigentlich ein Fahnder ist, in der Stadt einem Bekannten begegnete, der tatsächlich Fahnder ist und dies sogar ohne dabei seinen Humor zu verlieren. Als er von seinem Job erzählte und sagte, er könnte ein Buch schreiben, sagte ich: Du musste unbedingt „Der Agent der kleinen Dinge“ lesen.

Und weil ich ziemlich heftig davon schwärmte, sagte der richtige Fahnder, den werde er sich unbedingt kaufen.