So viele Reaktionen wie bei der letzten Staffel „Morgengeschichten“ Ende Mai hatte ich noch selten.
Auch wenn um 8.40 Uhr mehrere Hunderttausend Menschen angeblich SRF 1 eingeschaltet haben, sind es nur wenige, die sich danach ans Radio wenden oder mich anmailen.
Möglich auch, dass die Redaktion mir etliche Schreiben erspart und nur jene an mich weiterleitet, die mir schmeicheln oder die eine persönliche Antwort von mir erfordern.
Beim Verfassen von „Morgengeschichten“ denke ich manchmal, dass die eine oder andere Geschichte Reaktionen auslösen könnte. Meistens geschieht dann gerade nichts.
Und auch diesmal haben Geschichten Widerspruch erzeugt, von denen ich es am wenigsten erwartet habe.
Im Zoo
So hatte ich zum Beispiel in einer autobiografisch inspirierten Geschichte erzählt, wie ich mit meinem jüngsten Sohn im Zoo war. Und sich dieser – mein Sohn – für alles Mögliche interessierte, nur nicht für die Tiere.
Am Ende der Geschichte standen wir dann im Affenhaus und schauten einem Tierwärter zu, der den Käfig putzte.
Zwei Tage später erhielt ich ein Schreiben, in dem ich dezidiert darauf hingewiesen wurde, dass der Begriff „Tierwärter“ schon lange nicht mehr verwendet würde und sogar verpönt sei. Es hiesse heute „Tierpfleger“ und „Tierpflegerin“.
Wer nichts mit diesem Beruf zu tun hat, mag die Reaktion übertrieben und die Umbenennung lächerlich finden. Nachdem die „political correctness“ schon so viele geläufige Begriffe im menschlichen Bereich ersetzt habe, müssten nun auch Tiere sprachlich „gepflegt“ statt nur „gewartet“ werden.
Vermutlich hängt die Begriffsveränderung aber mit einem grundsätzlich anderen Berufsverständnis zusammen. Und mit dem alten Begriff werden Vorurteile tradiert, die mit der Wirklichkeit nicht mehr viel zu tun haben.
Denke ich mir jedenfalls.
Service Public
Zu Widerspruch gab auch die nächste Geschichte Anlass.
Da erzählte ich von einer Bekannten, die auf die Post ging, um ihr Kleinkind zu wägen. Die Hinweise und Tipps der Mütterberatung lösten in ihr als Alleinerziehende jeweils ein schlechtes Gewissen aus.
Während es mir darum ging, ein kurioses Loblied auf den „Service Public“ und die öffentliche Post im Besonderen anzustimmen, missbrauchte ich die Mütterberatung als dramaturgisches Sprungbrett.
Das trug mir eine ausführliche Mail der Mütter- und Väterberatung des Kantons Bern ein.
Während mein Vorsatz, dem „Service Public“ einen Dienst zu erweisen, ausdrücklich gelobt wurde, rügte mich die Kommunikations-Mitarbeiterin für das „angestaubte Bild der Mütter- und Väterberatung“, das ich gezeichnet hatte.
Tatsächlich habe ich mich vor dem Schreiben meiner Geschichte kaum mit der aktuellen Realität der Mütter- und Väterberatungen befasst.
Und hätte ich das getan, hätte ich meine Geschichte nicht mehr erzählen können.
Offene Wägestationen
„In allen grösseren Stützpunkten im Kanton gibt es inzwischen das Angebot der ‚offenen Wägestation’“, schrieb mir die Mitarbeiterin der Mütter- und Väterberatung des Kantons Bern, wo Väter und Mütter vorbeikommen könnten, „ganz ohne sich unliebsamen Fragen oder gar Vorwürfen aussetzen zu müssen“.
Womit die Post um eine mögliche Aufgabe ärmer ist.
Und weiter: „Unsere Beraterinnen sind geschult und geübt allen Eltern Beratung und Unterstützung anzubieten, um ihnen Orientierung, Stärkung und Sicherheit im Mutter- und Vatersein zu geben. Und keinesfalls, um Eltern zu verunsichern oder ihnen gar ein schlechtes Gewissen einzureden.“
Bleibt mir, mich bei den Mütter- und Väterberatungen sowie allen Tierpflegerinnen und Tierpflegern öffentlich zu entschuldigen für das Kolportieren unzeitgemässer Bilder.
Was ich übrigens (und ohne jede Ironie) für kein geringes Vergehen halte.