Kulturpolitik als Pflichtübung

von Guy Krneta 9. Juli 2014

Die Stadt Bern ist in der luxuriösen Situation, das Kulturbudget aufstocken zu können. Und erntet dafür die Wut der Kulturschaffenden. Was läuft hier schief?

Vor ein paar Tagen schickte die Abteilung Kultur ihre Vierjahres-Planung in die Vernehmlassung. Die Botschaft wäre erfreulich: Die meisten Kulturinstitutionen der Stadt sollen besser subventioniert werden. In der Darstellung der Abteilung liest sich das jedoch so: Durch die Umsetzung des neuen Kulturfördergesetzes werde die Stadt Bern im Kulturbereich um 6 Mio Franken entlastet. Davon sollten knapp 1,4 Mio in die Kultur zurückfliessen.

Dass es sich bei den 6 Mio um eine reine Schätzung handelt, wird mit keinem Wort erwähnt. Also fragen wir uns: Was passiert mit den restlichen 4,6 Mio? Warum werden sie der Kultur vorenthalten? Dient dieses ganze Papier etwa nur dazu zu vertuschen, dass die Stadt Geld einspart, Geld, das eigentlich der Kultur zusteht?

Wer kommuniziert da mit wem?

An Kommunikation scheint den Kulturverantwortlichen auch im Weiteren nicht gelegen zu sein. Der Text beginnt mit ein paar launigen Sätzen von Alex Tschäppät über Sinn und Zweck öffentlicher Kulturförderung. Das wäre annehmbar, wenn die Sache anschliessend vertieft würde. Da das aber nicht geschieht, wirken die Sätze wie eine blosse Pflichtübung: Irgend jemand muss ja noch sagen, warum hier überhaupt Geld ausgegeben werden soll.

Wie lieblos und schludrig ist das alles. Das Publikum von „traditionellen Kulturveranstaltungen“ nehme ab, lesen wir. Ein „immer kleiner werdender Anteil der Bevölkerung“ profitiere vom „mit Steuergeldern subventionierten Kulturangebot“. Wie kommt die Abteilung Kultur dazu, so etwas pauschal zu behaupten? Was sind überhaupt „traditionelle Kulturveranstaltungen“? Mit keinerlei Untersuchung oder Statistik wird der Befund gestützt. Eine Analyse der Ursachen findet nicht statt, konkrete Gegenmassnahmen werden nicht genannt. Dafür lanciert die Abteilung Kultur aus dem hohlen Bauch heraus kulturpolitische Ideen, die einer genaueren Betrachtung kaum standhalten.

Fusionieren auf Biegen und Brechen

Die gravierendste Idee: „Es soll ein starkes Haus für zeitgenössische Bühnenkunst geschaffen werden, das auch als ernstzunehmender Partner gegenüber ähnlichen Schweizer Institutionen und KTB auftreten kann.“ Dafür sollen Fr. 200’000.- mehr als bisher zur Verfügung stehen, von denen es heisst: „Auch wenn diese Subvention an eine Institution gebunden ist, so kommt sie doch zu einem grossen Teil der Freien Szene zugute, die an beiden Häusern auftritt.“ Wie soll das geschehen? Hier wird ein Moloch für Freies Theater, Theater für Junges Publikum, Literatur, Neue Musik, Jazz, Pop / Rock, Performance, Tanz etc. vorgeschlagen. Und gleichzeitig wird verlangt, „dass die Fachkompetenzen in all diesen Sparten abgedeckt sind und die Szene eingebunden ist.“ Das sind über den Daumen gepeilt 5 – 6 Spartenleitungen, mit mindestens 2 repräsentierenden Chefs darüber.

Doch warum soll es überhaupt dahin kommen? Eine inhaltliche Argumentation für diesen Murks sucht man vergeblich. Diese sollen die nun offenbar nicht mehr zieloffenen Gespräche zwischen Schlachthaus und Dampfzentrale nachliefern.

Literatur ist kein Thema

Zur Literatur gibt es bloss zwei Sätze: „Für die Literatur müssen nicht neue Strukturen aufgebaut werden, um die Förderung zu stärken. Es können bestehende Häuser für zeitgenössisches Kulturschaffen zu einem Ort von Literaturveranstaltungen und Koordination der Förderung werden.“ Auch hier fehlt jede Analyse der Situation. Es gibt nicht einmal eine Bestandesaufnahme des Bestehenden. Mögen es die Fusionen richten.

Ehrenamtliche Tätigkeit ausschreiben

Der kurioseste Vorschlag aber geht im Fusionslärm fast unter: „Zudem wird geprüft, einen Teil der Mitglieder der Kulturförderungskommissionen nach klarem Anforderungsprofil auf öffentliche Ausschreibung zu wählen.“ Das finde ich sehr lustig. Die zeitaufwendige, anspruchsvolle, kaum entschädigte Tätigkeit der kulturellen Kommissionen soll öffentlich ausgeschrieben werden. Hoffentlich wird dann auch eine private Assessementfirma beigezogen, welche die Verfahren professionell begleitet.