Bern ist überall

Le bonheur suisse

von Antoine Jaccoud 4. Februar 2015

Vaudois déprimé, actuellement au chômage, sujet à l’eczéma, aux problémes séborrhéiques et aux idées noires (c’est lié), se faisant un souci d’encre pour sa petite santé autant que pour celle de la planète, cherche Lucernoise grande, élancée, et pourvue d’une jolie poitrine pour projets communs.

Je te rêve aussi, ma belle, pleine de gaieté et d’optimisme (je sais que c’est naturel chez vous mais j’insiste quand même sur ce point), affranchie des problèmes d’argent qui empoisonnent mon quotidien, et propriétaire d’un chalet dans la région du Titlis, au pire du Rigi. Une Audi A4 dans le garage serait un plus. Une chaîne hi-fi de qualité et un beamer au salon également. Te savoir diplômée d’une haute école (de marketing, de relations publiques, de communication…) et fréquentant un fitness m’enchanterait.

Tout comme le fait de voir tout Paolo Coelho dans ta vaste bibliothèque et des pommes organiques dans le beau saladier de terre cuite (souvenir des Baux-de-Provence) posé sur la table de la cuisine. Et si tu veux bien de moi, ma princesse, je t’offrirai mon spleen, mes angoisses et mes cheveux gras, tandis que tu m’apporteras ta personnalité équilibrée, ton ataraxie et ton inépuisable optimisme.

Et puis si tu le souhaites, car tu es curieuse, bien sûr, soucieuse de découvrir de nouvelles cultures, je te montrerai un jour – que tu saches d’où je viens, que tu comprennes les causes de mon mal – ma capitale, l’épouvantable ville de Lausanne, lugubre cité livrée aux dealers et aux crève-la-faim venus de l’étranger tandis que toi, ma reine, m’emmeneras écouter Chostakovitch au KKL en empruntant le joli pont de bois.

Nous serons complémentaires, mon chouchou, les deux faces d’une même pièce, moi ta lune, toi mon soleil. L’hypothèse de Platon sera validée et la Suisse du bonheur réunie avec sa lugubre frangine. Et si par malheur tu ne veux pas de moi, je me contenterai d’un bouvier bernois voire d’un appenzellois. Ce sera déjà ça.

Un suisse toto heureux, qui agite sa queue pour le dire à la face du monde, et à celle de la Zurich Assurances.

https://www.zurich.ch/fr/a-notre-propos/medias/communiques-de-presse/2015/20150201-medienmeitteilung

27. Januar 2015

von Gerhard Meister 28. Januar 2015

Am 27. Januar habe ich meinen Blog fürs Journal B abzugeben,  so steht es in meiner Agenda, am 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee.

Sobald ich diesen Zufall bemerkt hatte, wusste ich, dass ich hier etwas über Auschwitz schreiben muss, nicht deshalb, weil ich etwas Auschwitz zu schreiben wüsste, sondern weil man über Auschwitz nicht hinweg gehen kann, auch wenn man nur zufällig darauf stösst.

Auch darüber, was es für einen Schweizer bedeutet, auf Auschwitz zu stossen, weiss ich nichts, wenigstens nichts Neues, nichts, was nicht schon alle wüssten. Es war nicht die Schweizer Regierung, sondern die deutsche, die für die eroberten Gebiete im Osten ungeheuerliche Mordpläne ins Auge fasste.

Der Plan, 30 Millionen Russen durch Nahrungsentzug zu ermorden, liess sich nicht verwirklichen, das verhinderte der Kriegsverlauf, wenn auch nur zum Teil, von den Bewohnern Leningrads wurde eine Million umgebracht, in dem man sie verhungern liess, dreieinhalb Millionen sowjetische Kriegsgefangene wurden nach derselben Methode ermordet.  

Der andere Mordplan, die Ermordung der europäischen Juden, liess sich verwirklichen, auch wenn der Krieg anders verlief, als in Berlin vorgesehen. Über drei Millionen von ihnen wurden in den Städten und Dörfern, wo sie gewohnt hatten, erschossen und noch einmal so viele in den Vernichtungslagern von Chelmno, Majdanek, Belzec, Sobibor, Treblinka und schliesslich Auschwitz, das diesem Morden seinen Namen gab, vergast.

Die deutsche Regierung bestand damals aus Mördern, nicht die schweizerische. Aber die schweizerische hat das spätestens ab 1942 gewusst und den Juden trotzdem den Flüchtlingsstatus verweigert und sie an der Grenze zurück geschickt in den Tod.

Das ist die vergleichsweise kleine Schuld der damaligen Schweizer Regierung, die sich aber dadurch auch besser verleugnen und verwischen liess als die monströse der deutschen.

Sogar ein Mitglied der jetzigen Schweizerregierung hat noch einen solchen Verleugnungsversuch unternommen: „Die Schweiz war in jener dunklen Epoche des europäischen Kontinents dank dem Einsatz einer ganzen Generation mutiger Frauen und Männer ein Land der Freiheit und des Rechts geblieben. Unser Volk hat damals trotz immensem Druck des Auslandes die Kraft gefunden, den eigenen, unabhängigen Weg fortzusetzen. So wurde die Schweiz für viele Bedrohte und Verfolgte zur rettenden Insel. Dieser Generation gilt mein Dank.“ So Ueli Maurer in der vor exakt zwei Jahren veröffentlichten Botschaft zum internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts.

Ich habe den Leserin oder den Leser, der mir bisher gefolgt ist, vorgewarnt, über Auschwitz weiss ich nichts Neues zu schreiben, und vielleicht weiss auch sonst niemand etwas Neues darüber zu schreiben. Gut möglich, dass alles, was sich über Auschwitz sagen lässt,  in den letzten 70 Jahren schon irgendwann einmal gesagt wurde. Aber deswegen über Auschwitz hinweg gehen, auch wenn man nur zufällig darauf stösst, das geht nicht.

Auftakt mit Voltaire

von Beat Sterchi 21. Januar 2015

Der Startschuss ist gefallen. Aus dem Sprachblog von Bern ist überall wird eine Art Schweizerspiegel. So die Vorgabe. Wir starten also in eine neue Runde.

Leider ohne Geld. Wobei mir diese Tatsache kein Bauchweh bereitet.

Schwierig finde ich dagegen die Aufgabe an sich. Besonders nach den letzten Tagen, in welchen ich wahrscheinlich wie viele von uns eine derart grosse  Überdosis an Meinungsbeiträgen konsumiert habe, dass es mir hier beim Schreiben schwer fällt, zu vergessen, wie unnütz, unwichtig und überflüssig mein erster Beitrag in dieser neuen Runde notgedrungen ausfallen muss.

Haben Sie übrigens gewusst, was Fussball und Stierkampf gemeinsam haben? Bei beiden kann man mitreden, das Maul sogar weit aufreissen, auch wenn man eigentlich nichts davon versteht, nie in einer Mannschaft gespielt hat und schon gar nicht einem Stier gegenübergestanden ist. Wer einem Trainer eine bessere Aufstellung vorrechnet oder einem Torero mangelnden Mut vorhält, kann auch nicht belangt werden.

Genau so kommt mir die Berichterstattung zu den erschütternden Ereignissen in Paris, aber auch zu der Politik der Nationalbank vor. Jeder und jede darf! Jeder und jede weiss etwas! Jeder und jede erklärt und rät und warnt und weissagt und droht!

Und ich? Wirklich hieb- und stichfest kann ich nur davon berichten, dass ich heute auf die Münsterplattform gegangen bin, dass ich mich dort an den beschneiten Bäumen erfreuen und mit einem Blick über die Mauer hinunter vergewissern konnte, dass die Aare weiter abwärts fliesst. Mehr ist rein nachrichtenmässig leider nicht gesichert.

Und Voltaire?

Ja Voltaire!

Liebe Leserin, lieber Leser

von Guy Krneta 21. Januar 2015

Nach anderthalb Jahren Bern-ist-überall-Blog und Klangjournal haben die Autoren und MusikerInnen in Absprache mit der Redaktion entschieden, beide Blogs weiterzuführen.

Es wird leichte inhaltliche Änderungen geben.

Der Bern-ist-überall-Blog war ursprünglich ein Sprachblog. Hier sollte über sprachliche Phänomene, über Sprachenvielfalt und sprachliche Einfalt nachgedacht werden. Eigentlich hielt sich nur Beat Sterchi an das Verabredete.

Nun weiten wir den Blog zu einer Art „Schweizerspiegel“ aus, mit Korrespondenten in Lausanne (Antoine Jaccoud), Zürich (Gerhard Meister), Bern (Beat Sterchi) und mir in Basel. Die neuen Beiträge sind jeweils mittwochs zu lesen.

Die Beiträge fürs Klangjournal entstehen zunächst einmal im Zweiwochenrhythmus. Jeden zweiten Montag wird ein neues Stück im Wechsel von Balts Nill und Adi Blum zu hören sein. Balts Nill stellt weiterhin Karaoke-Vorlagen für aufgefundene und neu kombinierte Texte her. Adi Blum plant, Hymnen auf die Menschenrechte zu schreiben; zwölf Hymnen zu zwölf Menschenrechten.

Maru Rieben und Christian Brantschen werden ihre Tätigkeit für Journal B vorerst beenden. Für ihre schönen Beiträge, die auch weiterhin auf Journal B zur Verfügung stehen, sei ihnen herzlich gedankt.

Iris

von Guy Krneta 24. Dezember 2014

Es gäb niemer, het d Iris gseit, wo sech uf Fescht so fescht fröi wi si. Es Fescht beschäftig se tagelang, wuchelang im vorus. Das syg unvrhäutnismässig. Si müess sech’s vorschteue.

Wi si häregöng. Was si mitnäm. Was si aaleg. Weles Chleid. Weli Schue. Öb Make-up oder nid. Öb Schmuck oder nid. U wenn, weles Make-up, wele Schmuck. Si müess sech’s vorschteue.

Öb si elei göng oder z zwöit. U we z zwöit, de mit wäm. Öb dä oder die si chömm cho abhole. Öb si abmach irgendwo. Öb si wöu pünktlech sy oder zersch no eis göng ga zieh. Öb si ds Tram näm oder lieber ds Taxi. U we ds Taxi, dass si nid vrgäss, eis z bschteue. Si müess sech’s vorschteue.

Wi si häregöng. Wi si begrüesst wärd. Wän si kenn. Wän si lehr kenne. Wi ds Buffet syg u dr Wy. Öb me tanz. Zu weler Musig. U we me tanz, bis wenn. Öb aui tanzi oder nume paar. Wenn dass ds Fescht fertig syg. U öb me de no chly dörf blybe höckle. Wär se hei bring. Öb si elei hei göng. Mit em Taxi. Öb dä oder die no churz mit ufe chömm.

Si schteu sech’s vor – u säg de ab. Churzfrischtig. Syg leider churzfrischtig öpis drzwüsche cho. U blyb deheim. Wüu vorgschteut syg vorgschteut. U Feschtfyren e Kunscht für sich.

Si schteu sech’s lieber vor.

 

Eine Version der Geschichte erschien im Buch „Zmittst im Gjätt uss – Mitten im Nirgendwo“, Berlin 2003

Noël????

von Antoine Jaccoud 17. Dezember 2014

A l’origine était le Verbe.

Les enfants récitaient leurs poésies; les parents chantaient les cantiques; Tino Rossi demandait au „petit papa Noël“ de ne pas oublier son petit soulier, et l’aïeule veillait du haut de ses 80 ans à ce que rien du modeste tas de cadeaux étalé sous le sapin (un 33 tours d’Uriah Heep, une boîte de Lego, un pyjama Calida, un eau de Cologne et son savon assorti) ne soit distribué avant que le boeuf et l’âne gris aient été largement convoqués, et que chacun ait promis de L’accueillir correctement (i.e. sans crucifixion à la fin) „si Jésus revenait chez nous„.

Et puis la vieille dame a cassé sa pipe et tout peu à peu est parti en sucettes.

Les enfants ont cessé de réciter des poésies (non pas seulement qu’ils avaient grandi, mais ils n’en apprenaient plus, ou ils se gênaient de parler en public, debout devant le sapin, et il se trouvait quelqu’un pour dire qu’il ne fallait pas les forcer); les parents ont cessé de chanter; Tino Rossi s’est tu, balayé par le passage au CD, et il n’y eut plus personne pour empêcher que l’on se serve librement dans un tas de cadeaux qui avait commencé d’enfler. La gardienne du rituel était partie, emportant la clé, et les règles, et la foi, avec elle.

Vint un temps de recherche, d’expérimentation.

On supprima les cadeaux pour les adultes et l’on passa à une tombola ludique mais un peu cheap (cadeaux à plus de 10 balles interdits!) avant de revenir à leur abolition. On remplaça la dinde par les services d’un traiteur avant de passer au couscous (le buffet froid séduit, mais finit toujours par décevoir) puis de revenir à la dinde. On tenta la minute de silence en souvenir des disparus, on invita un étranger à la table (un flic vaudois à la retraite qui se comporta très mal), on tenta le petit sapin, la branche de sapin, l’absence de sapin. C’était l’apprentissage de la liberté, de l’individuation, de la sécularisation.

Sous le sapin, ou sous la télé, le tas fondit peu à peu. On était passé aux bons d’achat (Payot, Manor, avant la généralisation d’i-Tunes) afin de satisfaire des enfants qui ont tout. Et puis les soldes commençant le 26 avaient fini par décourager les plus généreux.

Que reste-il de ces Noël?

Une bouffe entre individus libres, décidés à bien faire mais un peu perdus, qui cherchent encore le mode d’emploi d’un rituel à (ré)inventer. Et ne sont pas certains de le trouver un jour.

Kaliumiodid 65

von Gerhard Meister 10. Dezember 2014

Wenn Sie diesen Blog-Text lesen, werde ich meine Jodtabletten schon erhalten haben.

Jetzt, wo ich am Schreiben bin, kann ich mir vorstellen, was ich mit diesen Dingern anfangen werde, die ich, nachdem der Bundesrat den Risikoradius von zwanzig auf fünfzig Kilometer ausgeweitet hat, als Bewohner der Stadt Zürich zum ersten Mal zugeteilt bekomme.

Das heisst, ich könnte es mir vorstellen, habe aber keine Lust dazu.

Wenn Sie diesen Blog-Text lesen, werde ich meine Jodtabletten schon erhalten haben.

Gerhard Meister

Vielleicht liegt es daran, dass ich mir vor ein paar Jahren für ein Theaterstück und Hörspiel mit Hilfe von viel Recherchen und etwas Fantasie vorzustellen versuchte, was ein schwerer Unfall in einem Kernkraftwerk mit Bruch des Sicherheitsbehälters (so die Formulierung für den Supergau im offiziellen Informationsblatt zur Tablettenverteilaktion) für die Schweiz bedeuten würde.

Seither weiss ich, diese Jodtabletten sind ein Witz, aber leider keiner von der lustigen Sorte.

Es ist ja tatsächlich so, dass eine radioaktive Wolke über die Stadt Zürich ziehen könnte und für diesen Fall wäre es das Richtige,  Jodtabletten zu schlucken, um einem Schilddrüsenkrebs vorzubeugen.

Seither weiss ich, diese Jodtabletten sind ein Witz, aber leider keiner von der lustigen Sorte.

Gerhard Meister

Solange die Kraftwerke laufen, hat man also auch als AKW-Gegner allen Grund, diese Tabletten aufzubewahren.

Und genau das ist der Witz, der leider nicht lustig ist. Um es nun trotzdem in satirischem Ton, beziehungsweise Understatement zu formulieren: Neben dem Risiko, an Schilddrüsenkrebs zu erkranken (dieser Krebs hat im Übrigen sehr gute Heilungschancen) verursacht ein atomarer Supergau noch ein paar weitere Probleme, so zum Beispiel den Untergang Schweiz.

Solange die Kraftwerke laufen, hat man also auch als AKW-Gegner allen Grund, diese Tabletten aufzubewahren.

Gerhard Meister

Hand aufs Herz: wer lebt freiwillig an einem Ort mit verseuchtem Wasser und Boden und damit einem deutlich erhöhten Krebsrisiko (neben Schilddrüsenkrebs gibt es noch einige weitere gegen die keine Tabletten verteilt werden, weil es gegen diese Krebsarten keine gibt). Ich weiss nicht, was den Exodus von Menschen und Geld und damit die wirtschaftliche, politische und kulturelle Zerstörung der Schweiz aufhalten könnte.

Der Bundesrat verteilt gegen den Untergang der Schweiz Jodtabletten und ich frage mich, ob er an diese Tabletten glaubt.

Aber ich möchte mir eigentlich keinen Bundesrat vorstellen, der so naiv ist oder so gut im Verdrängen, dass er glaubt, mit diesen Tabletten wäre auch nur im Ansatz etwas ausgerichtet gegen die Auswirkungen eines Atomunfalls.

Andererseits habe ich auch keine Lust, mir einen Bundesrat vorzustellen, der mit der Verteilung dieser Tabletten das Volk betrügt, um gewisse Geschäftsinteressen zu schützen. Nun fällt mir leider ausser Naivität und Zynismus kein weiteres Motiv ein, das hinter dieser Tablettenverteilerei stehen könnte.

Der Bundesrat verteilt gegen den Untergang der Schweiz Jodtabletten und ich frage mich, ob er an diese Tabletten glaubt.

Gerhard Meister

Etwas Gutes haben diese Tabletten vielleicht trotzdem. Ich denke nämlich oder hoffe es wenigstens, dass der Glaube an sie nicht allzu weit verbreitet ist im Land.

Eigentlich wissen doch alle, dass der Betrieb von Atomkraftwerken nur dann zu verantworten ist, wenn jeder grössere Unfall mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann.

Genau diese Sicherheit wurde von den Befürwortern dieser Art von Stromerzeugung konsequenterweise immer behauptet, ein schwerer Unfall mit Bruch des Sicherheitsbehälters, das wurde für die Schweiz ausgeschlossen – Fukushima hat diese Behauptung untergraben und gestürzt.

Jetzt werden die Jodtabletten fast über das ganze bewohnbare Land verteilt, einer Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer wird mit diesen Tabletten das Eingeständnis in die Hände gedrückt, dass es die behauptete Sicherheit nicht gibt.

Der grosse Unfall ist auch hier möglich, das ist die Botschaft dieser Tabletten. Ihre Verteilung lässt sich lesen als Beitrag zur politischen Meinungsbildung im Sinne der Vernunft.


Eine Version dieses Textes erschien auch in: Neue Wege 12/14

Frühberndeutsch

von Beat Sterchi 3. Dezember 2014

An dieser Stelle war zuletzt die Rede von Frühfranzösisch. Hier folgt ein Plädoyer für Frühberndeutsch.

Mir persönlich ist klar, dass ich die hier verwendete Schriftsprache als meine erste Fremdsprache betrachte, obschon ich sie besser lesen und schreiben kann als Berndeutsch.

Mache ich nämlich in Deutschland den Mund auf, weiss ich sehr schnell, wo Gott hockt. Es schleckt es einfach keine Geiss weg: Es gibt ihre Sprache und es gibt meine Sprache.

Natürlich ist es befremdlich im Zusammenhang mit unserem guten schönen Hochdeutsch von Fremdsprache zu sprechen. Aber tragisch ist es nicht. Alle Sprachen sind auch Fremdsprachen.

Trotzdem habe ich schon erlebt, dass mich Kollegen und Kolleginnen, nachdem ich ihnen dieses Konzept erläutert habe, anschauten, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank.

Wer aber rechts und links ein bisschen zuhört, kennt die überall vorhandenen Widersprüche.

Da gibt es die Bildungspolitiker und die Bildungspolitikerinnen, die zwar die Idee, unsere Schriftsprache als Fremdsprache zu bezeichnen, als völlig abwegig betrachten, gleichzeitig aber zu Protokoll geben, viele Lehrpersonen würden sich mit der Standardsprache schwer tun, weil diese für sie fremd sei.

Wer einmal an einem Elternabend war, weiss, dass dem so ist.

Und es gibt Schuldirektoren, die öffentlich beklagen, dass sich Lehrpersonen mit Standarddeutsch schwertun, weil es nicht ihre Muttersprache sei.

Die gleichen Herren verschliessen sich aber der gedanklichen Konsequenz, dass es folglich erstens eine Muttersprache geben muss und dass man zweitens eine Sprache, die jemandem offensichtlich fremd ist, besser auch als solche bezeichnet.

Ist meine Alltagssprache aber meine Muttersprache, ist die nachgeordnete Hochsprache eben eine Fremdsprache und soll als solche behandelt werden.

Das bedeutet auch, dass meine Zweisprachigkeit anerkannt und damit meine Sprachkompetenz aufgewertet werden muss.

Auch unsere Kinder sind schon vor dem Frühfranzösisch oder dem Frühenglisch zweisprachig und es gibt keinen Grund, warum ihnen das nicht angerechnet werden soll und warum sie nur in einer ihrer beiden Sprachen unterrichtet werden.

Hätten wir nämlich etwas früher auch Frühberndeutsch auf dem Stundenplan gehabt, wäre ich vielleicht fähig gewesen, dieses Plädoyer hier auf Berndeutsch zu schreiben.

Das Abstimmungsergebnis vom 9. Februar hat in der Schweiz Spuren hinterlassen. Auf einmal schienen sich alle einig, dass Fremdenfeindlichkeit in der Schweiz mehrheitsfähig geworden sei.

Damit befinde sich die Schweiz, hiess es, in bester europäischer Gesellschaft. Und eigentlich könne ja nicht von Fremdenfeindlichkeit die Rede sein, wenn so viele Menschen von ihr befallen seien.

Mit diesem Selbstbewusstssein platzierten Blogger und Trolle ihre aggressiven Kommentare, redeten uns taktisch abwägende Chefredaktoren ins Gewissen.

Es schien ausgemacht, dass Ängste „berechtigt“ seien und von Fremden überfüllte Züge eine ernst zu nehmende Realität. Man war sich einig, dass der Bundesrat nun rasch handeln müsse. Die Volkswut „koche“ sonst „über“. Und die Anliegen der Ecopopper seien, wenn auch „extrem“, immerhin unbestritten.

Ich habe mich immer wieder gefragt, ob die Menschen, die solches behaupten, in der gleichen Welt leben wie ich. Ob sie eben so froh sind wie ich, wenn sie im Spital kompetent behandelt werden. Ob sie wie ich Schulklassen in Biel und Winterthur besuchen, in denen Jugendliche mit unterschiedlichen Muttersprachen recht friedlich in Mundart miteinander verkehren. Ob sie wie ich Bekannte haben, die, obwohl hier aufgewachsen, bisher keinen Grund sahen, ein aufwendiges Einbürgerungsverfahren zu durchlaufen, wo sie doch einen EU-Pass besitzen.

Und ob sie wie ich im so genannten Ausland gelebt und es immer als selbstverständlich empfunden haben, im so genannten Ausland leben und arbeiten zu können.

Ich kann mich nicht erinnern, dass es in den letzten fünfzig Jahren je eine „unkontrollierte Einwanderung“ gegeben hätte. Mir scheint eher, dass die Kontrolle immer umfassender wird und es kaum je so wenig individuellen Spielraum gab wie heute. Unkontrolliert ist höchstens die Zahl jener hundert- oder zweihunderttausend Sans-Papiers, die unbemerkt und ohne jegliche Rechte unsere Wohnungen putzen, unsere Kinder betreuen und unsere Eltern pflegen. Aber diese Zahl will doch lieber niemand, scheint mir, genauer kennen und benennen.

Kontingentierungsinitiativen waren in der Schweiz bis zum 9. Februar nie mehrheitsfähig. Insofern reiht sich die Ablehnung der Ecopop-Initiative in eine lange Tradition ein. Wobei die Ablehnung von 74,1% die früheren Resultate weit übertrifft. Und natürlich stellt sich die Frage, wie das Ergebnis ausgefallen wäre, wenn Blocher seine Millionen in den Abstimmungskampf geworfen hätte.

Die Deutlichkeit des Resultats muss aber auf jeden Fall auch als Reaktion auf das Ergebnis vom 9. Februar gelesen werden. Viele Leute, die die Abschottungsinitiative noch unterschätzt haben, scheinen aufgewacht zu sein. Es kann schliesslich nicht sein, dass ein knappes Mehr von 50,3% so viele frühere Abstimmungsergebnisse und Verträge zunichte macht.

Der SVP wäre, das ist offensichtlich, eine hauchdünne Ablehnung lieber gewesen. Ob das nun der Turnaround ist? Mit seinen Meta-Initiativen (Kippen der Bilateralen, Abschaffen der Menschenrechte) bewegt sich der alters-trotzige Blocher jedenfalls auf immer dünnerem Eis.

Und der Widerstand dagegen ist geweckt.

Vegan

von Antoine Jaccoud 20. November 2014

poulets obèses et livrés à eux-mêmes marchant tristement le long des routes.

vaches, veaux, oies et chevreuils frappés d’infarctus

ou luttant tout simplement contre le cancer.

porcs égarés et confus en proie à la maladie d’Alzheimer.

dindes et lapins frappés de cataracte.

chevaux équipés de Pampers contre leur gré.

truites ou brochets séniles et agités de tics au fond des lacs et des rivières….

 

voilà

ça y est

c’est arrivé.

 

les vegan ont maintenant pris le pouvoir.

Zeitkritisch

von Gerhard Meister 12. November 2014

Der Kapitalismus, seit einem Vierteljahrhundert konkurrenzloses Modell des Wirtschaftens, beherrscht zwar den ganzen Globus, hat seinen Eroberungszug aber noch längst nicht abgeschlossen.

Er besetzt unsere einst arbeitsfreien Wochenenden. Er macht aus unseren Daten eine Handelsware. Er vertreibt den Schlaf aus unserem Leben, um Platz zu schaffen für noch mehr Arbeit und Konsum.

Die Amerikaner, so las ich vor einigen Tagen in der Zeitung, schlafen heute anderthalb Stunden weniger als noch vor ein paar Jahrzehnten.

Könnte man jetzt sagen, dass ich hier gerade zu einer zeitkritischen Kolumne ansetze?

Ja, so könnte man das nennen, hatte ich bis vor kurzem gedacht. Nun hat mich ich ein harmloses Gespräch mit einer Nachbarin gelehrt, dass sich der Kapitalismus das Wort „zeitkritisch“ geschnappt, seinen Sinn komplett ausgehöhlt und in sein marktkonformes Gegenteil verwandelt hat.

Ja, sagte die Nachbarin nämlich auf meine Frage, ob sie zur Arbeit fahre (wir trafen uns im Bus), sie arbeite in einer IT-Firma, nur Teilzeit, der Kinder wegen, aber es gehe gut, die Abteilung, in der sie arbeite, sei nicht zeitkritisch.

Verblüfftes Gegenfragen meinerseits, bis ich begriff. Sie gebrauchte das Wort in einem mir bisher nicht bekannten Sinn. In einem Sinn, den der Kapitalismus dem Wort aufoktroyiert hat: Zeitkritisch, das heisst heute nicht mehr gegen die Zeit oder zumindest der Zeit gegenüber kritisch eingestellt, sondern eben das Gegenteil. Möglichst angepasst an diese Zeit und also möglichst schnell und ohne Verzug produziert und geliefert, damit die Ware nicht verdirbt, damit der Konkurrent nicht schneller ist.

Gierig nach Futter für meinen Ekel am Hier und Jetzt, wie Heiner Müller das in einem Gedicht einst genannt hat, fand ich auf dem Netz folgende Verwendungen des Wortes „zeitkritisch“: zeitkritische Geschäftsprozesse – zeitkritische Ersatzteillogistik – Software in einem zeitkritischen Umfeld realisieren – oder in einem ganzen Satz: Terminmanagement beinhaltet sodann die Optimierung von Planungs- und Bauabläufen, die Feststellung von zeitkritischen Aktivitäten und von Pufferzeiten.

Und wo ich grad am Zitieren bin, zum Abschluss noch ein Ausschnitt aus dem Wikipedia-Artikel zum Begriff „Neusprech“, wie ihn George Orwell in seinem Roman 1984 verwendet:

„Neusprech“ bezeichnet die vom herrschenden Regime vorgeschriebene, künstlich veränderte Sprache. Das Ziel dieser Sprachpolitik ist es, die Anzahl und das Bedeutungsspektrum der Wörter zu verringern, um die Kommunikation des Volkes in enge, kontrollierte Bahnen zu lenken. Damit sollen sogenannte Gedankenverbrechen unmöglich werden. Durch die neue Sprache bzw. Sprachregelung soll die Bevölkerung so manipuliert werden, dass sie nicht einmal an Aufstand denken kann, weil ihr die Wörter dazu fehlen.

Frühfranzösisch

von Beat Sterchi 5. November 2014

Wir hatten sehr früh Französisch. In der fünften Klasse an der damaligen Knabensekundarschule Viktoria im Sommer manchmal schon um sieben! Um sieben Uhr morgens Franz! Und spätestens um zehn nach sieben das erste Donnerwetter.

Weil ich beim Abfragen natürlich die Wörtli nicht auf Kommando reproduzieren konnte, die ich aber über Nacht als Hausaufgabe hätte lernen sollen. Le buvard! Das Löschblatt! Aber non de dieu! Das weiss man doch! Ich war fürchterlich!

Wenn ich heute mit der Feder die Tür zu diesem Klassenzimmer einen Spalt breit aufstosse, sehe ich brav aufgereiht ziemlich eingeschüchterte kurzhaarige Schüler. Und hinter einem grossen, fast prunkvoll geschreinerten Pult den eigentlich liebenswürdigen glatzköpfigen Herrn Engeler, der mir mit seinem langen Stock und der unbeantwortbaren Frage nach dem französischen Wörtli für Löschblatt mächtig einheizte.

Der Stock diente meistens zum Verweisen auf die an der Wandtafel (schön schwarz und echt Schiefer!) vielfarbig zelebrierte Grammatik. Jetzt zeigte Herr Engeler damit auf mich und jetzt spürte ich die Spitze des Stockes sogar auf meiner Brust. Aber ich wusste noch immer nicht, dass das Löschblatt le buvard heisst.

Ja, ich war wirklich fürchterlich. Fünf Jahre Franz und wenn wir mit der Familie die Verwandten in Nyon besuchten, war ich kaum fähig ein Wort zu gaxen.

In der Erinnerung kommen die Herren Lehrer, die folgten, als Herr Engeler in Pension ging, auch nicht sehr gut weg. Mehrheitlich waren sie liebenswürdig, das stimmt. Dass sie nicht unbedingt übermotiviert waren, kam schon dadurch zum Ausdruck, dass sie es nach der Pause noch gut eine Zigarettenlänge im Gang aushielten.

Unter den Schülern mochten sie besonders diejenigen, die von Zuhause schon Französisch konnten. Davon gab es immer zwei oder drei in der Klasse. Die wussten auch, was das Löschblatt auf Französisch heisst und gaben am wenigsten zu tun.

Im Nachhinein fällt mir auf, dass besonders im Franz die Unterwürfigsten immer die besten Schüler waren, jedenfalls die mit den besten Noten.

Heute will mir scheinen, es komme nicht so sehr darauf an, wann der Französischunterricht genau einsetzt, aber am besten mit gut motivierten Lehrkräften und sicher nicht um sieben Uhr morgens.

Die Zukunft

von Guy Krneta 29. Oktober 2014

Gestern war ein seltsamer Tag. Ein überraschender Tag. Ein bemerkenswerter Tag. Vielleicht sogar ein historischer.

Seit einiger Zeit habe ich mir angewöhnt, morgens am Computer bei einem Mediendienst bestimmte Suchwörter einzugeben. Dann sehe ich, welche Artikel zu einem Thema oder einer Person an einem Tag erschienen sind. Wenn mich die Beiträge interessieren, lade ich sie herunter oder besorge mir die nötigen Zeitungen.

Seit der Übernahme der «Basler Zeitung» durch Christoph Blocher vor viereinhalb Jahren, gebe ich den Begriff «Blocher» täglich in die Suchmaschine ein. So erfahre ich von den neusten Finten und Täuschungsmanövern des heimlichen und mittlerweile nicht mehr so heimlichen Besitzers. Und bin gewappnet, wenn ich oder wir – «Rettet Basel!» – zu den neusten Entwicklungen befragt werden.

Üblicherweise erscheinen zehn bis zwanzig Artikel täglich in Schweizer Medien, in denen der Name «Blocher» auftaucht. Wenn die SVP eine neue Initiative lanciert, findet sich der Name dreissig oder vierzig Mal im Archiv. Doch ich kann mich auch an Tage erinnern, wo es nur zwei Nennungen gab, inklusive Leserbriefe. Und jedesmal wenn der Name seltener auftauchte, gab es am nächsten oder übernächsten Tag ein längeres Interview mit Blocher in der «Basler Zeitung» oder in der «Weltwoche». So dass ich gelegentlich vermute, Blocher kaufe Medien nicht nur aus politischem Sendungsbewusstsein, sondern auch einfach aus unersättlicher Eitelkeit.

Gestern geschah nun das Unerwartete. Ich gab den Namen «Blocher» in die Suchmaschine ein und sie meldete null Übereinstimmungen. So etwas hat es so weit ich mich erinnere noch nie gegeben. Ich zweifelte an meinem Internet-Empfang, gab den Namen noch einmal ein, gab einen anderen Begriff ein, der immerhin fünf Mal auftauchte und ging zum Wort «Blocher» zurück.

Ich weiss nicht, was gestern los war in der Schweiz. Warum es keinen Grund gab, Blocher in irgend einem Schweizer Medium zu nennen. Zu sagen hätte er sicher was gehabt. Aber es hat niemand an ihn gedacht. Und vielleicht geht dieser Tag in die Schweizergeschichte ein, als jener Tag, der unbemerkt die Zukunft vorwegnahm.

Je suis chez bien chez le médecin cantonal bonjour docteur je suis Monsieur A.J. papa de deux enfants Kevin 3 ans et Ryan 16 mois tous les deux fréquentant la garderie Bon Abri le lundi et le mardi toute la journée et le vendredi seulement le matin parce que c’est la mère de mon épouse qui les garde l’après-midi jusqu’à 17 heures bon écoutez docteur je vous explique en deux mots voilà je voudrais simplement vous demander si vous trouvez normal que la direction de la garderie Bon Abri laisse encore venir travailler tous les jours avec les enfants une éducatrice à la peau noire alors qu’on ne parle plus que de cette épidémie d’Ebola qui arrive gentiment chez nous après avoir fait des dégâts dans les pays africains et autres ce n’est pas que je sois raciste ou xénophobe ou quoi absolument pas mais il me semble qu’on fait courir un risque inutile à nos enfants sachant que cette personne d’origine africaine pourrait même sans le vouloir transmettre la maladie en retournant chez elle dans son pays par exemple pour les vacances ou pour un enterrement vous savez que pour eux c’est important les enterrements ils ont même besoin de toucher les morts de les nettoyer tout ça ils le font même malgré les mises en garde des blancs ou alors que cette dame simplement invite chez elle pour un moment ou même de manière définitive pour qu’il s’installe dans notre pays un parent ou une sœur ou un frère ou un oncle ou Dieu sait qui je me permets donc de vous demander si vous ne pourriez-vous pas tout simplement intervenir docteur pour que la direction de la garderie Bon Abri demande à cette personne de couleur de rester chez elle le temps que ça passe que ça se calme vous voyez ou alors qu’elle la licencie pour de bon étant donné quand même qu’elle s’occupe de nos enfants et qu’il n’y a pas de raisons qu’ils attrapent une maladie qui n’a jamais existé et ne devrait jamais exister chez nous…

Meinung mit Fragezeichen

von Gerhard Meister 15. Oktober 2014

Im Lauf der letzten Woche sind 20 000 Menschen an Malaria gestorben. Ein schöner erster Satz für eine Kolumne zu Ebola.

Nein, schön ist der Satz natürlich nicht, er ist fürchterlich, aber genau deshalb auch gut als Eröffnung dieser Kolumne.

Aber ist es nicht geschmacklos, eine Kolumne über tausendfachen Tod zu schreiben und sich dabei Gedanken über Ästhetik zu machen?

Wie aber schreiben ohne solche Gedanken? Und die Geschmacklosigkeit liegt ja noch vorher darin, tausende Tote mit zehntausenden zu relativieren. Oder nicht?

Zum Glück habe ich nicht im Sinn, eine Kolumne zu Ebola zu schreiben. Warum sollte ich auch?

Oder ist es nicht absonderlich, über Dinge zu schreiben, die für mich nur in der Zeitung stattfinden und aller Voraussicht nach niemals aus dieser Zeitung herauskommen werden in mein Leben hinein? Wozu über solche Dinge eine Meinung haben und für wen?

Nun ist mein Optimismus vielleicht trügerisch, wonach gewisse Dinge mich nie anders anspringen werden denn als Buchstaben aus der Zeitung heraus.

Aber auch wenn sie in der Zeitung bleiben, könnte man sagen, gehören sie trotzdem zum Leben von demjenigen, der von ihnen liest.

Immerhin hat, was in den Zeitungen über den Kampf um das Städtchen Kobane geschrieben steht, in seiner Zeit stattgefunden an einem so und so viele Kilometer entfernten Ort.

Nein, ich werde mir keinen ersten Satz überlegen für eine Kolumne über Kobane. Was nicht heisst, dass ich keine Meinung dazu habe. Oder heisst es eben das?

„Ich habe keine eigene Meinung. Bei jeder meiner Meinungen weiss ich, woher ich sie habe.“ Mit diesen Sätzen hat Martin Walser eine Kolumne angefangen, die er Mitte der 80er Jahre für die Weltwoche geschrieben hat.

Aber natürlich hat er kokettiert, der Walser. Oder nicht?

Und manchmal ist es doch ganz einfach. Wie die Weltwoche in ihrer aktuellen Ausgabe den Professor Sarasin attackiert, das ist eine Sauerei, das ist doch ganz klar, da ist meine Meinung gemacht, kaum habe ich von der Sache erfahren.

Und im gleichen Tempo und hinweg gesprungen über jede noch so geringe Reflexion machen die SVPler in der gleichen Sache ihre Meinung und rufen ebenfalls: Sauerei – einfach in die andere Richtung.

Aber so kann man das natürlich nicht relativieren, beziehungsweise kann man schon, aber es bleibt dann nur noch das Schweigen, so ganz ohne Standpunkt und ohne Handhabe, das eigene Lager von dem der Gegner und also die Guten von den Bösen zu unterscheiden, kommt keine Meinung zustande.

Und die braucht es doch, wenigstens wenn man eine Kolumne schreibt. Auch wenn sie Blog heisst.

Ich gebe zu, ich bin nicht sicher, ob ich nicht nur fälschlicherweise der Meinung bin, Kolumne und Blog seien zwei Namen für die gleiche Sache.

Aber zu Kolumnen alias Blogs gehören doch auch falsche Meinungen? Nur ohne Meinung geht es nicht. Oder doch?

Gehört zu einer Kolumne notwendigerweise eine Meinung? Wäre es nicht ein Beweis für die Kunstfertigkeit im Verfassen von Kolumnen, eine zu schreiben, ohne eine Meinung zu haben?

Und noch wichtiger: Ohne dass der Leser eine Meinung vermisst?

Und kann ich jetzt hier einfach aufhören? Mit einem Fragezeichen?

Biennale 2014

von Christian Pauli 15. Oktober 2014

Doch doch, an dieser Stelle reden wir auch über Kulturpolitik. Selbst wenns weh tut, weil es um Interessen und Verbandelungen geht. So wie bei mir.

Vor gut drei Wochen ging die Biennale Bern zu Ende. Die «Berner Zeitung» hat umfassend Bilanz gezogen; der «Bund» hats einmal mehr verpennt, kulturpolitisch auf der Höhe zu sein. Aber das Thema wäre gegeben: Die Zukunft der Biennale steht in den Sternen. Wobei die Sterne in diesem Falle an der Gerechtigkeitsgasse 79 hängen. Dort, in den Büros der Abteilung Kulturelles, soll entschieden werden, ob die Biennale alleine weitermachen, aufhören soll, oder mit dem Musikfestival fusioniert wird. Wobei niemand so genau begreift, wie dieser Entscheidungsprozess abläuft.

Die «wobeis», die grassieren in der Berner Kulturpolitik: Darfs «ergebnisoffen» sein? Oder ist die Sache schon längst gelaufen? Derzeit nimmt die Abteilung Kulturelles von einem Bericht zur Biennale/Musikfestival Kenntnis, den Progr-Geschäftsleiterin Franziska Burkhardt verfasst hat.

Sodann steht der gemeinderätliche Kommentar zur Vernehmlassung der Kulturförderung 2016-19 an. Wie wird sich der Gemeinderat aus den vielen Zwickmühlen befreien, in die er sich kulturpolitisch verfahren hat? Ich als Mitglied des Kuratoriums der Biennale zum Beispiel weiss so gut wie nichts darüber, wie es mit der Biennale weitergeht.

Eben haben wir ein gutes Festival hinter uns gebracht, und dies mit einigem Aufwand und Herzblut. Dies sage ich nicht als Argument für die Zukunft der Biennale, ich sags nur, weil es so ist und kein Mensch, schon gar nicht aus der Abteilung Kulturelles, bei uns im Kuratorium nachgefragt hat, wie sie denn nun war, diese Biennale Bern 2014. Darum hier, in aller Kürze: Das Programm war, mit einigen unvermeidlichen Abstrichen, gut. Christian Marclay und Anne Teresa De Keersmaeker sorgten für künstlerische Höhepunkte und volles Haus. Kleine Produktionen wie die Installation «Surround» im Steinbruch Bolligen überraschten.

Diese Resonanz – 4000 Eintritte in zehn Tagen – für zeitgenössische Kunst auf einem ansprechenden Niveau bekommt man in Bern nicht einfach so hin. Mein Fazit: An der Struktur der Biennale lässt sich fast alles in Frage stellen – inhaltlich gesehen ist es blödsinnig, wenn diese Plattform für zeitgenössische Kunst einfach so klammheimlich eingestellt wird.


Diese Textreihe erscheint in Zusammenarbeit mit der Berner Kulturagenda BKA in einem Turnus von rund sechs Wochen. Die Kolumnen der weiteren BKA-AutorInnen finden Sie hier.

Unter uns gesagt

von Beat Sterchi 8. Oktober 2014

Interessieren Sie sich für Literaturkritik? Lesen Sie überhaupt noch Buchbesprechungen?

Wenn ja, ist Ihnen auch schon aufgefallen, wie selten die wenigen, die noch gedruckt werden, etwas von jenem Feuer zu vermitteln vermögen, das bei wacher Lektüre ein gutes Buch in einem zu entzünden vermag?

Haben Sie auch schon bemerkt, wie oft in unmittelbarer Nähe einer besonders matten und unentschiedenen Besprechung ein Verlagsinserat auftaucht, das ziemlich schamlos zeigt, warum das Buch überhaupt besprochen wurde?

Ja, von der traditionsreichen Literaturkritik, die sich einst einsetzte für das möglichst Wahre und Schöne, die gegen Kitsch, Schrott und Schund mit spitzer Feder und sprühendem Eifer ins Feld zog, ist vielerorts nichts weiter übriggeblieben als ein lahmes, den Verlagen gegen ein paar Werbefranken zudienendes Veredeln und Strecken der Klappentexte. Natürlich gibt es Ausnahmen. Wie immer: Keine Regel ohne Ausnahme.

Und wer sich den Literaturbetrieb einmal ein bisschen genauer angeschaut hat, der weiss auch, wie klein und übersichtlich der ist, wie sich alle kennen, wie sich Seilschaften bilden, wie hier ein Gefalle verdankt und dort ein Hinweis vergolten wird. Wie üblich es ist, dass sich Freunde und Freundinnen publizistisch hochjubeln! Eine ziemlich abgekartete Sache.

Aber gerade deshalb und trotzdem wage ich es hier unter uns, ihnen das Buch eines Freundes zu empfehlen, denn mein Gewissen ist rein. Er hat nämlich ein Buch veröffentlicht, von dem ich genau weiss, warum ich es empfehle, ich muss diesen Blog nicht mit Floskeln füllen und kann auf Wunsch auch einen ganzen Katalog von Argumenten liefern! Ich muss auch nicht behaupten, es sei das Buch des Jahres oder des Jahrzehnts oder meinetwegen des Jahrhunderts! Das wäre mir, unter uns gesagt, sowieso egal. Ich will sagen, es ist ein Buch mit Geschichten in meiner Sprache aus meiner Welt, es ist bodenständig, klug und nachvollziehbar. Und natürlich geht es auch um Sprache. Sprachlich ist es so schlicht und so echt, dass so vieles daneben als reine Mache verblasst. Es kommt ohne wahnsinnige Einfälle, ohne Mord und Totschlag aus und die Tatsache, dass der Autor sich die Freiheit nimmt, es in jener Sprache zu schreiben, die er dazu für angemessen hält, befreit ihn, unter uns gesagt, auch von dem Verdacht, dem weitverbreiteten, schlecht verborgenen Ehrgeiz, durch Entgegenkommen jeder Art auf Teufel komm raus möglichst viele Lesende zu erreichen.

Ja, welches Buch ist das wohl?

Genau, Sie haben es natürlich erraten!

P.S. Dass dessen Autor jetzt auch noch diesen Blog redigieren muss, kann ich leider auch nicht ändern.

Als die Masseneinwanderungsinitiative angenommen wurde, sind Mitglieder der Stadttheaterensembles von Bern und Basel vor den Vorhang getreten. Sie haben nach Vorstellungen öffentlich gegen den knappen Volksentscheid demonstriert.

Irrittierend daran war nur, dass sie das nach der Abstimmung taten und nicht davor.

Nicht nur Künstlerinnen und Künstler haben die Masseneinwanderungsinitiative unterschätzt. Auch die Linke hat sich auf das Geld und den Einfluss der Wirtschaft verlassen und nicht einmal ein eigenes Gegenkomitee auf die Beine gestellt.

Zweimal macht niemand den gleichen Fehler. Ein breit aufgestelltes linkes Komitee hat sich nun gegen die noch verheerendere Ecopop-Initiative gebildet. Und die Kunstschaffenden – genauer der Verein Kunst+Politik – ruft zu einem Nationalen Tag der Kunst gegen Ecopop am 25. Oktober auf.

Die Idee ist einfach: Künstlerinnen und Künstler, die an dem Tag sowieso auftreten, sollen ihr Publikum durch einen persönlichen Aufruf darüber informieren, welch gravierende Folgen die Ecopop-Initiative für die Kunst und das Kunstschaffen in diesem Land hätte.

Dabei würde die Annahme wohl in erster Linie die Institutionen treffen. Das Theater und das Opernhaus, das nur noch Schweizerinnen und Schweizer verpflichten darf, ist schwer vorstellbar. Und auch Museen, Orchester, Festivals und Kunsthochschulen würden vermutlich vor kaum lösbare Probleme gestellt.

Umso mehr überrascht die Reaktion einiger Institutionen auf die Anfrage von Kunst+Politik, ob sie sich am Nationalen Tag der Kunst gegen Ecopop beteiligen würden: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir uns in unserer Rolle als Veranstalter nicht politisch exponieren möchten“… „Im Prinzip entspricht die Stossrichtung durchaus unseren Interessen, sind wir doch auf möglichst grosse Personenfreizügigkeit innerhalb Europas und darüber hinaus angewiesen. Dennoch sind wir zum Schluss gekommen, dass wir uns als öffentlich finanzierte Institution nicht derart politisch exponieren können“… „Als staatlich subventionierte Institution orientieren wir uns generell am Gebot der politischen Neutralität“… „Als Festival können wir uns NICHT für die EcoPop-Nein-Kampagne engagieren, obwohl die OK-Mitglieder persönlich natürlich gegen die Initiative sind“.

Das ist ein seltsames demokratisches Selbstverständnis, das meint, öffentliche Gelder würden zu politischem Eunuchentum verpflichten. Selbst wenn Grundlegendes in Frage gestellt wird. Und politische Auseinandersetzungen seien dem privaten Geld zu überlassen.

Hoffen wir, dass wenigstens die Künstlerinnen und Künstler selbst begreifen, was auf dem Spiel steht. Und vor den Vorhang treten – diesmal rechtzeitig.

La liste

von Antoine Jaccoud 24. September 2014

André Badan 2.4.1975, Paul-Henri Badan 16.12.1973, Verena Barraud 5.5.1965, Albert Bonvin 14.7.1977, Antoine Couteau 9.9.1959, Maurice Fleury 27.6.1973, Renzo Furlan 17.2.1979, Alain Gavillet 8.11.1974

Jean-Pierre Grandjean, 5.9.1970, André Heiniger 19.1.1981, Bernard Jaccard 15.6.1965, Daisy Jaccard 4.6.1972, Georges Jaccotet 25.7.1956, Benjamin Itten 7.5.1959, Max Kerlen 1.4.1979

Roland Maire 2.11.1955, Jean-Bernard Moreillon 5.4.1981, Norbert Pasche 6.11.1956, Suzette Pache 18.6.1959, Simon Rhys 9.9.1976, Aldo Righetti 17.4.1979, Jérome Schenk 6.9.1970

Roland Schenk 25.2.1978, Jean-Pierre Turrian 24.5.1974, Boris Tavel 18.9.1980, Hugues Werlen 7.7.1968 et altri…

Après le Crédit Suisse (un millier de noms) et nombre d’autres établissements bancaires de notre pays, c’est la Banque Cantonale Vaudoise qui livrera une liste de 200 de ses collaborateurs aux autorités américaines.

Vous aimez les listes?

Worum es mir eigentlich geht, das sind die Zeilen, die ich in der BILD-Zeitung über den Tod von Joachim Fuchsberger fand. Leichte Sprache dagegen ist wenig sensationell.

In Deutschland sind Übersetzungen in Leichte Sprache weit verbreitet, in der Schweiz erst am Anfang: Bald wird Pro Infirmis Zürich das erste Schweizer Büro für Leichte Sprache eröffnen. Dann wird es auch hier amtliche Mitteilungen in Leichter Sprache geben, wie es sie in Deutschland in vielen Gemeinden oder auch im Bundestag gibt, und vielleicht auch Nachrichten wie auf nachrichten-leicht.de.

Kurze Sätze mit höchstens acht Wörtern, viele Abschnitte, keine Nebensätze.

 

Die Übersetzung von üblichem Deutsch in Leichte Sprache folgt klaren Regeln (kurze Sätze mit höchstens acht Wörtern, viele Abschnitte, keine Nebensätze, zusammengesetzte Wörter mit Bindestrich getrennt etc.), ebenso klar ist, für wen es Leichte Sprache gibt: Für alle, die aus irgendwelchen Gründen nicht fähig sind, übliches Deutsch zu lesen und die dank Leichter Sprache ein Stück Selbstständigkeit zurückbekommen.

Insofern ist Leichte Sprache ganz einfach eine Krücke mit  klar benennbaren Vorteilen und auch Nachteilen: Wer nicht fähig ist, komplexe Sachverhalte zu verstehen, der wird sie auch in Leichter Sprache nicht verstehen und natürlich besteht die Gefahr, dass  diese Sachverhalte bei der Übertragung in Leichte Sprache verfälscht werden.

Ausserdem ist Leichte Sprache – das zeigt ein Blick auf irgendeinen dieser Texte jedem, dem Gott auch nur ein Quentchen Gespür für Sprache gegeben hat – eine sprachlich tote Zone: Kein Witz, keine Ironie, kein Rhythmus, keine Musik, von der lebendigen Sprache so weit entfernt wie eine Plastikprothese vom durchbluteten Fleisch.

Und damit bin ich endlich bei der BILD-Zeitung, die mir gestern in die Hände geriet und dem Text zum Tod von Joachim Fuchsberger.

Auch BILD befolgt die Regeln für Leichte Sprache, überbietet sie sogar, ja, steigert sie ins Extrem, aber mit welchem Resultat!

 

Die BILD-Zeitung hat mir nämlich gezeigt: Der zuletzt erwähnte Punkt ist ein blankes Vorurteil, nichts weiter. Leichte Sprache ist nicht gleich Leichte Sprache! Auch Bild befolgt die Regeln für Leichte Sprache, überbietet sie sogar, ja, steigert sie ins Extrem, aber mit welchem Resultat!

Doch wozu weiter argumentieren, wo ein Vergleich alles sagt.

Zuerst der Bericht über Blackys Tod auf nachrichten-leicht.de (Leichte Sprache gleich tote Sprache):

Der Schauspieler und Fernseh-Moderator Joachim Fuchsberger ist gestorben. Sein Spitz-Name war Blacky. Er hat früher Rate-Shows im Fernsehen geleitet. Und er hat in Krimis mitgespielt. Joachim Fuchsberger ist 87 Jahre alt geworden.

Als junger Mann hat Joachim Fuchsberger vor allem als Schauspieler gearbeitet. Er hat in Krimis mitgespielt. Die Krimis hat der Schriftsteller Edgar Wallace geschrieben. Sie heißen zum Beispiel „Der Hexer“ oder „Die toten Augen von London“.

Später ist Joachim Fuchsberger Fernseh-Moderator geworden. Er hat die Spiel-Show „Auf los geht’s los“ moderiert. Eine andere Sendung von ihm hieß „Heut‘ abend“. Es war eine Talk-Show. Das heißt, Fuchsberger hat sich in der Sendung mit berühmten Menschen unterhalten.

Vor einem Jahr hatte Fuchsberger einen Schlag-Anfall. Seitdem ist er nicht mehr richtig gesund geworden. Am 11. September ist er zu Hause gestorben. Blacky Fuchsberger lebte in der Nähe von München. Er war seit 60 Jahren verheiratet mit der Schauspielerin Gundula Korte.

Was bedeutet Schlag-Anfall?

An einem Schlag-Anfall kann man sterben.

 

Wenn jemand einen Schlag-Anfall bekommt, muss er schnell ins Krankenhaus. Schlag-Anfall bedeutet: Das Gehirn bekommt plötzlich nicht mehr genug Blut. Es wird nicht mehr gut versorgt. An einem Schlag-Anfall kann man sterben.

Und hier wie die BILD-Zeitung in der Montagsausgabe über Fuchsberger berichtete:

Er blickt in den Bach, in dem sein einziger Sohn Thommy starb. Nachts. Allein! Ertrunken! Diabetes-Schock!

„Der Tod hat oft angeklopft bei mir. Der Tod ist ein Schwein.“

Aber: Er und seine Gundel (84) zerbrechen nicht – sondern werden ein Herz.

Er war ein Überlebenskünstler.

Er schluckte täglich 24 Tabletten.

Er nahm nie die Bibel in die Hand.

Er hat die Krankenakte einer Mumie.

3 Herzoperationen!

2 Herzschrittmacher!

Nierenkollaps! Tumor in der Nase! Grauer Star am rechten Auge! Rechtes Ohr taub! Odyssee durch die Kliniken.

Aber Blacky Fuchsberger war ein Kämpfer.

Er war kein Genie. Er war Realist. Er war Verdränger.

Sein Leben war ein Wunder. Tod, Glück, Mut, Schicksal, Erfolg, Pleiten – Tragödien.

Er war ein schwäbischer Bub. Er war 12, als Hitler den Zweiten Weltkrieg anzündete: 60 Mio. Tote.

Mit 16: Flakhelfer, Fallschirmjäger. Im Nahkampf hat er keinen getötet, aber er lag zwischen 1000 Toten.

Mit 18: Kriegsende. Kriegsgefangener. Dann frei?

Blacky: „Im Krieg habe ich Gott verloren.“

Wir kennen den Helden im Blitzlicht. Den Super-Polizisten aus Edgar Wallace. Den TV-König.

Aber Blackys Leben warf Schatten voller Schmerz.

– Totgeburt einer Tochter (im 7. Monat).

– 2 finanzielle Pleiten, die ihn fast ruinierten.

– Hautkrebs in Australien.

– Der TV-Biss eines Schimpansen,  an dem er fast starb. Hochansteckende Gelbsucht. 4 Monate Isolierstation!

Aber er kämpfte und lebte.

In jedem grossen Boulevard-Journalisten steckt ein kleiner Dichter.

 

Ein Vorurteil über Leichte Sprache ist ausgeräumt und eine alte Weisheit erneut bestätigt: In jedem grossen Boulevard-Journalisten steckt ein kleiner Dichter.

Sprachen in Spanien

von Beat Sterchi 11. September 2014

Seit zwei Tagen bin ich nach einem langen Sommer in den Spanischen Bergen wieder hier und doch nicht so ganz, denn bekanntlich kommt die Seele zu Fuss und weil das etwas länger dauert, fühle ich mich noch zwischen den Welten.

Wohl deshalb fragte ich mich nach der Lektüre von Guy Krnetas Blogbeitrag Entscheidungen gegen den dicken Mann einmal mehr, wie es kommt, dass sich viele Spanier und Spanierinnen in Sprachverhältnissen, die sich durchaus mit den unseren vergleichen lassen, so anders verhalten.

Sprachen können sehr resistent sein.

Bekanntlich hat Franco nur Spanisch, genauer gesagt nur Kastilisch toleriert und sämtliche anderen Sprachen unterdrückt. Allerdings ohne Erfolg. Wie genau es sich mit dem Galizischen und dem Baskischen verhält, kann ich nicht aus persönlicher Erfahrung beurteilen, aber vom Katalanischen und dem diesem ähnlichen Valenzianischen darf ich behaupten, dass diese Idiome in den letzten Jahren erblühten und vor Selbstbewusstsein strotzen.

Nun sind dies beide eigentliche anerkannte Sprachen, mit einer eigenen Literatur und dem entsprechenden Stellenwert in den Lehrplänen der Schulen. Sie waren aber für viele Menschen über Generationen das, was für uns die sogenannten Mundarten sind. Warum sogenannte?

Weil die Qualifizierung der Alltagssprachen eine politische und auch sonst eine ziemlich willkürliche Sache ist. Siehe Luxemburg. Subjektiv gesehen, spricht jeder einfach seine Muttersprache und die hat er sich nicht ausgewählt.

Wie kommt es nun, dass alle Valenzianer und alle Valenzianerinnen und bei allem vorherrschenden Nationalismus eigentlich auch alle Katalanen und alle Katalaninnen, ganz anders als wir, zwischen ihren Sprachen hin und her wechseln, ohne das kleinste Problem?

Zweisprachige Gespräche über Tische hinweg und durch Partnerschaften hindurch sind absolut üblich und selbstverständlich. Da kommt niemand ins Stottern, niemand verändert seine Persönlichkeit, niemand fühlt sich genötigt, anders als bei uns bleiben alle entspannt und locker, Komplexe gibt es nicht.

Mit Liebe die eigene Sprache zu sprechen ist für alle Menschen selbstverständlich.

Die Erklärung ist eigentlich ganz einfach. Beides sind wirklich ihre Sprachen und wenn sie sich, ohne dies werten zu wollen, in einem kleineren und einem grösseren Kulturkreis bewegen, decken sich diese beiden Kreise mit ihren politischen Strukturen. Sie sind zweimal Herr ihrer Sprachen.

Anders bei uns: Unsere Hochsprache hat bei allem Gerede über die Helvetische Standardsprache ihr Zentrum ausserhalb unserer Kultur. Unsere Schriftsprache und unsere Kultur decken sich nicht, unsere Hochsprache ist ein Importprodukt und was da richtig und falsch ist, wird nicht von uns Sprechenden bestimmt.

Nicht jeder, der lieber seine eigene Sprache spricht, tut dies, um sich abzuschotten oder um andere auszugrenzen. Er und sie tun es, weil die eigene Sprache zu sprechen weltweit ziemlich normal ist.

Mundart ist unsere Gefühlssprache, die deutsche Hochsprache unsere Schrift- und Denksprache. Dieses Klischee hält sich hartnäckig, auch und gerade in gebildeten Kreisen.

Daraus abgeleitet wird dann, die Mundart habe durchaus ihre Berechtigung in bestimmten Lebensbereichen, während sie umgekehrt für bestimmte Funktionen nicht geeignet sei. Beispielsweise könne man keine philosophischen Gespräche in Mundart führen. Und auch für wissenschaftliche Arbeiten eigne sich die Mundart nicht.

Eignet sich die deutsche Sprache für wissen-schaftliche Arbeiten auch nicht mehr?

 

Albert Einstein hat seine fünf zentralen Arbeiten von 1905 in Deutsch verfasst. Und zwar in einem Deutsch, das ihn als wunderbaren Stilisten und Kenner der deutschen Literatur zeigt. Hätte er die Arbeiten heute verfasst, wären sie in Englisch geschrieben. Eignet sich die deutsche Sprache für wissenschaftliche Arbeiten auch nicht mehr?

Als Künstler bin ich überzeugt, dass sich Darstellung von Erkenntnis nicht trennen lässt, also dass beispielsweise Gedanken davon beeinflusst sind, in welcher Sprache sie gedacht wurden. Die meisten Naturwissenschafter weisen diese Vorstellung zurück. Und ich wünsche mir endlich einmal eine gross angelegte Studie, die aufzeigt, inwiefern sich naturwissenschaftliche Erkenntnis dadurch verändert hat, dass sie nur noch in Englisch hergestellt wird.

Diese Studie gibt es meines Wissens noch nicht. Aber es gibt eine andere Studie, die kürzlich in einigen Medien für Aufsehen gesorgt hat. Und zwar hat der Psychologe Albert Costa von der Universität Pompeu Fabra in Barcelona 725 Personen aus unterschiedlichen Ländern vor ein schwerwiegendes theoretisches Problem gestellt: Wären sie bereit das Leben eines dicken Mannes zu opfern, wenn sie damit das Leben von mehreren anderen Menschen retten könnten?

Für Aufsehen gesorgt hat die Studie, weil Menschen, denen die Frage in einer Fremdsprache gestellt wurde, eher bereit waren, den large man zu opfern, als wenn ihnen die Frage in Muttersprache gestellt wurde und es sich beispielsweise um einen hombre grande handelte.

Bei jedem Flugzeugabsturz wird mir gemeldet, wie viele Landsleute an Bord waren.

 

Eigentlich überraschen mich die Ergebnisse nicht. Bei jedem Flugzeugabsturz wird mir gemeldet, wie viele Landsleute an Bord waren. Und je mehr es waren, umso grösser ist meine Betroffenheit.

Bemerkenswert ist allerdings das Fazit der Autoren der Studie, die aus der Sache schliessen, fundamentale Entscheidungen sollten wir unabhängig von unserer sprachlichen Herkunft fällen. Ist, weitergedacht, die Herstellung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in Englisch also gar kein Verlust, sondern vielmehr ein Gewinn an Objektivierung? Und sollten englischsprachige Forschende besser in Spanisch und Chinesisch forschen, um einen ähnlichen Grad der Objektivierung zu erreichen?

Ich gebe zu, dass mich das Fazit der Autoren nicht überzeugt, weil ich in keiner Sprache der Welt bereit wäre, den dicken Mann im Rahmen dieser Denkübung zu opfern. Vielmehr frage ich mich, was für eine Weltanschauung hinter dem angeblichen Problem steht. Sollte das Dilemma tatsächlich bestehen, dass ein Mensch durch seinen Tod andere retten könnte, wäre der Wille des dicken Mannes nicht unentscheidend. Die Zeit so sehr einzuschränken, dass der Proband quasi legitimiert wird, seinen Willen den anderen gottähnlich überzustülpen, zeugt von einer geistigen Verantwortungslosigkeit, mit der viele angeblich rationale Entscheide gefällt werden.

Nein, ich bin nicht dafür die Mundart zur Schriftsprache zu machen und zu standardisieren. Wozu auch? Ich habe genügend Schriftsprachen zur Verfügung.

Entscheidet mehr in Muttersprache, dann seid ihr weniger menschen-verachtend.

 

Dennoch bin ich der Überzeugung, dass in jeder Sprache grundsätzlich alles möglich ist und dass Vielsprachigkeit zur Erweiterung unseres Denkens, Fühlens, Erfindens und Erkennens führt. Mein Fazit aus der Studie wäre: Entscheidet mehr in Muttersprache, dann seid ihr weniger menschenverachtend.

Notre actualité

von Antoine Jaccoud 27. August 2014

Ce génocide en Gruyère. Ces mouvements de sécession dans l’Ajoie. Cette série de rapts en Appenzell. Ces nettoyages ethniques dans le canton de Glaris.

Ces prêtres appelant à la vengeance et au meurtre dans les temples et les chapelles du Jura. Ces violences interethniques dans la région de Morat. Ces lieux de culte incendiés dans le Binntal. Ces exécutions sommaires dans les environs de Bulle.

Ces atrocités commises par les rebelles autour du Parc National. Ces enfants soldats livrés à eux-mêmes à Bellinzone, Arth-Goldstein, Reuchenette-Perry. Ces colonnes de réfugiés affamés le long des routes du Seeland….

Nous avons des raisons d’être inquiets. Nous avons des raisons d’être tristes. Nous avons des raisons de penser que cela va mal.

Qu’on ne vienne pas nous dire le contraire.

Schafseckle

von Gerhard Meister 21. August 2014

Der Speisewagen schwankt bei der Ausfahrt aus dem Bahnhof bedrohlich, der Kellner muss sich festhalten und ein paar Tische entfernt  höre ich jemanden sagen, wie dieser Zug jetzt «umerangget».

Ja, der Mann spricht noch richtig Berndeutsch mit tadellos deklinierten Zahlwörtern: «Dört si zwe Schwän, lue.» Dies zu seiner Frau, die ihm gegenübersitzt und normallaut redet, das heisst so, dass aus meiner Distanz nur aus seinen übernormal lauten Antworten erkennbar wird, dass sie geredet hat: «Was wosch de, wosch spare? Auso, wes de für das nümm längt.»

Wer berndeutsch redet wie dieser Mann, ist nicht zwanzig: «Jä, dä Gärber Urs, isch däich jetz ou pensioniert, er isch zäh Jahr jünger.» Oder, als Kommentar zum Kondukteur, der die Billette kontrolliert: «Vier Täschli hei sie aghänkt, meh weder mir im Dienscht vor 50 Jahr.»

«Das het hüt i dene Brauereie o Schafseckle.»

 

Der Ausdruck ist kernig, er sagt: «bi däm huere Schisswätter», er sagt: «i muess im Garte das huere Züg no verrume, die Schissnessle, das abghounige Züg», er sagt: «das het hüt i dene Brauereie o Schafseckle».

«Ja, das Bally-Imperium, das isch o ds Loch ab.» Das sagt er, als der Zug an Schönenwerd vorbeifährt, dem Ort, an dem dieses Imperium gegründet wurde. Er kennt sich in der Wirtschaft aus und hat seine Meinung über die heutigen Chefs: «Es het viune Orte Schefe ohni Dampf, nid wie früecher dEigetümer, die hei gluegt.» Dann redet er von einem «tschäggete Cheib, wie ne Chäuerschnägg» und ist wahrscheinlich noch immer bei den Chefs von heute.

«Das ghört sech hüt, Pariser, Pfefferspray u Lippeschtift.»

 

Ein Mann Mitte siebzig, mit brutal geerdeter Ausdrucksweise, die etwas an Dürrenmatt erinnert, sitzt im Speisewagen seiner Frau gegenüber, redet, nimmt einen Schluck aus der Halbliter-Dose Bier, schweigt, redet dann wieder: «Das ghört sech hüt, Pariser, Pfefferspray u Lippeschtift.» Dann ein Spruch, in dem das Wort «Ungerhösli» sich auf ein Wort reimt, das ich nicht verstehe.

Dann höre ich «Wiibervouch» und «Füdle breit wie ne Tisch u dr Rock ungerem Buuchnabu», dann, noch immer in diesem Zusammenhang, redet er von «schlitzgöiglete Cheibe», die nicht richtig Deutsch können.

Warum bin ich nicht überrascht, dass es zuweilen auch etwas eklig wird, ihm zuzuhören? Hat es damit zu tun, dass er über siebzig ist, hat es mit diesem Berndeutsch zu tun, das mit seiner Generation verschwinden wird? Aber nehmen denn, um Gottes Willen, aufs Alter die Frauen und Fremde abwertenden Äusserungen zu, oder noch abstruser, steht das in einem Zusammenhang mit einem schönen, blumigen Berndeutsch?

«U bi froh, bini nümm dört, süsch wäri o im Füdlibürger-Kreis.»

 

Der Mann schweigt, dann sagt er wieder etwas, über einen Bekannten oder früheren Arbeitskollegen, er sagt, «das isch jetz dr Edu-Füdlibürger. U bi froh, bini nümm dört, süsch wäri o im Füdlibürger-Kreis.» Etwas später steht er auf und verlässt mit seiner Frau den Speisewagen Richtung Erster Klasse.