Frühfranzösisch

von Beat Sterchi 5. November 2014

Wir hatten sehr früh Französisch. In der fünften Klasse an der damaligen Knabensekundarschule Viktoria im Sommer manchmal schon um sieben! Um sieben Uhr morgens Franz! Und spätestens um zehn nach sieben das erste Donnerwetter.

Weil ich beim Abfragen natürlich die Wörtli nicht auf Kommando reproduzieren konnte, die ich aber über Nacht als Hausaufgabe hätte lernen sollen. Le buvard! Das Löschblatt! Aber non de dieu! Das weiss man doch! Ich war fürchterlich!

Wenn ich heute mit der Feder die Tür zu diesem Klassenzimmer einen Spalt breit aufstosse, sehe ich brav aufgereiht ziemlich eingeschüchterte kurzhaarige Schüler. Und hinter einem grossen, fast prunkvoll geschreinerten Pult den eigentlich liebenswürdigen glatzköpfigen Herrn Engeler, der mir mit seinem langen Stock und der unbeantwortbaren Frage nach dem französischen Wörtli für Löschblatt mächtig einheizte.

Der Stock diente meistens zum Verweisen auf die an der Wandtafel (schön schwarz und echt Schiefer!) vielfarbig zelebrierte Grammatik. Jetzt zeigte Herr Engeler damit auf mich und jetzt spürte ich die Spitze des Stockes sogar auf meiner Brust. Aber ich wusste noch immer nicht, dass das Löschblatt le buvard heisst.

Ja, ich war wirklich fürchterlich. Fünf Jahre Franz und wenn wir mit der Familie die Verwandten in Nyon besuchten, war ich kaum fähig ein Wort zu gaxen.

In der Erinnerung kommen die Herren Lehrer, die folgten, als Herr Engeler in Pension ging, auch nicht sehr gut weg. Mehrheitlich waren sie liebenswürdig, das stimmt. Dass sie nicht unbedingt übermotiviert waren, kam schon dadurch zum Ausdruck, dass sie es nach der Pause noch gut eine Zigarettenlänge im Gang aushielten.

Unter den Schülern mochten sie besonders diejenigen, die von Zuhause schon Französisch konnten. Davon gab es immer zwei oder drei in der Klasse. Die wussten auch, was das Löschblatt auf Französisch heisst und gaben am wenigsten zu tun.

Im Nachhinein fällt mir auf, dass besonders im Franz die Unterwürfigsten immer die besten Schüler waren, jedenfalls die mit den besten Noten.

Heute will mir scheinen, es komme nicht so sehr darauf an, wann der Französischunterricht genau einsetzt, aber am besten mit gut motivierten Lehrkräften und sicher nicht um sieben Uhr morgens.