Frühberndeutsch

von Beat Sterchi 3. Dezember 2014

An dieser Stelle war zuletzt die Rede von Frühfranzösisch. Hier folgt ein Plädoyer für Frühberndeutsch.

Mir persönlich ist klar, dass ich die hier verwendete Schriftsprache als meine erste Fremdsprache betrachte, obschon ich sie besser lesen und schreiben kann als Berndeutsch.

Mache ich nämlich in Deutschland den Mund auf, weiss ich sehr schnell, wo Gott hockt. Es schleckt es einfach keine Geiss weg: Es gibt ihre Sprache und es gibt meine Sprache.

Natürlich ist es befremdlich im Zusammenhang mit unserem guten schönen Hochdeutsch von Fremdsprache zu sprechen. Aber tragisch ist es nicht. Alle Sprachen sind auch Fremdsprachen.

Trotzdem habe ich schon erlebt, dass mich Kollegen und Kolleginnen, nachdem ich ihnen dieses Konzept erläutert habe, anschauten, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank.

Wer aber rechts und links ein bisschen zuhört, kennt die überall vorhandenen Widersprüche.

Da gibt es die Bildungspolitiker und die Bildungspolitikerinnen, die zwar die Idee, unsere Schriftsprache als Fremdsprache zu bezeichnen, als völlig abwegig betrachten, gleichzeitig aber zu Protokoll geben, viele Lehrpersonen würden sich mit der Standardsprache schwer tun, weil diese für sie fremd sei.

Wer einmal an einem Elternabend war, weiss, dass dem so ist.

Und es gibt Schuldirektoren, die öffentlich beklagen, dass sich Lehrpersonen mit Standarddeutsch schwertun, weil es nicht ihre Muttersprache sei.

Die gleichen Herren verschliessen sich aber der gedanklichen Konsequenz, dass es folglich erstens eine Muttersprache geben muss und dass man zweitens eine Sprache, die jemandem offensichtlich fremd ist, besser auch als solche bezeichnet.

Ist meine Alltagssprache aber meine Muttersprache, ist die nachgeordnete Hochsprache eben eine Fremdsprache und soll als solche behandelt werden.

Das bedeutet auch, dass meine Zweisprachigkeit anerkannt und damit meine Sprachkompetenz aufgewertet werden muss.

Auch unsere Kinder sind schon vor dem Frühfranzösisch oder dem Frühenglisch zweisprachig und es gibt keinen Grund, warum ihnen das nicht angerechnet werden soll und warum sie nur in einer ihrer beiden Sprachen unterrichtet werden.

Hätten wir nämlich etwas früher auch Frühberndeutsch auf dem Stundenplan gehabt, wäre ich vielleicht fähig gewesen, dieses Plädoyer hier auf Berndeutsch zu schreiben.