Am 27. Januar habe ich meinen Blog fürs Journal B abzugeben, so steht es in meiner Agenda, am 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee.
Sobald ich diesen Zufall bemerkt hatte, wusste ich, dass ich hier etwas über Auschwitz schreiben muss, nicht deshalb, weil ich etwas Auschwitz zu schreiben wüsste, sondern weil man über Auschwitz nicht hinweg gehen kann, auch wenn man nur zufällig darauf stösst.
Auch darüber, was es für einen Schweizer bedeutet, auf Auschwitz zu stossen, weiss ich nichts, wenigstens nichts Neues, nichts, was nicht schon alle wüssten. Es war nicht die Schweizer Regierung, sondern die deutsche, die für die eroberten Gebiete im Osten ungeheuerliche Mordpläne ins Auge fasste.
Der Plan, 30 Millionen Russen durch Nahrungsentzug zu ermorden, liess sich nicht verwirklichen, das verhinderte der Kriegsverlauf, wenn auch nur zum Teil, von den Bewohnern Leningrads wurde eine Million umgebracht, in dem man sie verhungern liess, dreieinhalb Millionen sowjetische Kriegsgefangene wurden nach derselben Methode ermordet.
Der andere Mordplan, die Ermordung der europäischen Juden, liess sich verwirklichen, auch wenn der Krieg anders verlief, als in Berlin vorgesehen. Über drei Millionen von ihnen wurden in den Städten und Dörfern, wo sie gewohnt hatten, erschossen und noch einmal so viele in den Vernichtungslagern von Chelmno, Majdanek, Belzec, Sobibor, Treblinka und schliesslich Auschwitz, das diesem Morden seinen Namen gab, vergast.
Die deutsche Regierung bestand damals aus Mördern, nicht die schweizerische. Aber die schweizerische hat das spätestens ab 1942 gewusst und den Juden trotzdem den Flüchtlingsstatus verweigert und sie an der Grenze zurück geschickt in den Tod.
Das ist die vergleichsweise kleine Schuld der damaligen Schweizer Regierung, die sich aber dadurch auch besser verleugnen und verwischen liess als die monströse der deutschen.
Sogar ein Mitglied der jetzigen Schweizerregierung hat noch einen solchen Verleugnungsversuch unternommen: „Die Schweiz war in jener dunklen Epoche des europäischen Kontinents dank dem Einsatz einer ganzen Generation mutiger Frauen und Männer ein Land der Freiheit und des Rechts geblieben. Unser Volk hat damals trotz immensem Druck des Auslandes die Kraft gefunden, den eigenen, unabhängigen Weg fortzusetzen. So wurde die Schweiz für viele Bedrohte und Verfolgte zur rettenden Insel. Dieser Generation gilt mein Dank.“ So Ueli Maurer in der vor exakt zwei Jahren veröffentlichten Botschaft zum internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts.
Ich habe den Leserin oder den Leser, der mir bisher gefolgt ist, vorgewarnt, über Auschwitz weiss ich nichts Neues zu schreiben, und vielleicht weiss auch sonst niemand etwas Neues darüber zu schreiben. Gut möglich, dass alles, was sich über Auschwitz sagen lässt, in den letzten 70 Jahren schon irgendwann einmal gesagt wurde. Aber deswegen über Auschwitz hinweg gehen, auch wenn man nur zufällig darauf stösst, das geht nicht.