Bern ist überall

Der eigene spanische Garten, den ich in meinem letzten Beitrag als mein kleines Paradies bezeichnet habe, ist übrigens, was den Ertrag betrifft, ein ziemlich bescheidenes Unterfangen.

Am Jahreskonsum gemessen, muss ich den Ertrag sogar als symbolisch bezeichnen.

Aber die Zwiebel in meiner Hand, die ich selbst in die Erde gesteckt und mit verhältnislosem Aufwand gehegt und gepflegt habe, diese Zwiebel ruft nicht plötzlich Halt, bevor ich sie schäle. Diese Zwiebel hat keinen Grund mich anzuklagen. Sie kennt sie nicht, die leidvollen Geschichten der langen Lastwagenfahrten, der Zollkontrollen, der abrupten Temperaturwechsel, des Ausharrens in haushohen Kistentürmen in schlechter Luft.

Wenigstens diese eine Zwiebel weiss nichts von unterbezahlten Hubstaplerfahrern, hat keine Lagerhausangestellten fluchen gehört, wurde auch nicht mit Plastikhandschuhen hart angefasst.

Diese Zwiebel hat keine Ahnung von Einkaufskörben, Abwägeritualen, Warteschlangen und Kassenzetteln und nie wird sie in einem Migrossack verschwinden. In ihrem Leben hat sie nur Sonne, frischen Wind, den Schatten der Papeln und das Wasser aus dem Kanal eines altehrwürdigen Bewässerungssystems gesehen.

Dieses System heisst auf Spanisch asequia, geht wie sein Name auf maurische Zeiten zurück und irgendwie hatte ich an ihm schon immer den Narren gefressen.

Wenn das Wasser aus dem Kanal runter in die Furchen zwischen mein Gemüse sprudelt und ich seinen Lauf mit der Hacke kontrollieren muss, komme ich mir einerseits immer vor wie als Bub beim Choslen oder beim Stauen an der Sense, gleichzeitig fühle ich mich den Elementen und den zeitlosen Wahrheiten verbunden wie sonst nie.

Auch erinnere ich mich dann gerne an das Wassergericht in Valencia. Dort treffen sich donnerstags im Haupteingang der Kathedrale seit Jahrhunderten Laienrichter, um über Streitigkeiten beim Bewässern aus der asequia zu beraten. Man sagt, es sei das Gericht, das am längsten ununterbrochen tagt.

Besonders beeindruckt hat mich immer, dass der Vorsitzende die Kläger mit dem Fuss zum Sprechen auffordert. Als wollte er sich die Hände nicht mit Zeigen schmutzig machen.

Und was hat Joaquin Sorolla damit zu tun?

Eigentlich nur, dass er wie kein anderer Maler dieses ganz besondere Licht zu fassen vermochte, unter welchem in der Region von Valencia, ob in den Bergen oder am Meer, so ziemlich alles Menschliche geschieht. Und dass er deshalb wohl zu den bewundernswertesten Malern der Moderne gehört.

Ce que dit Suzanne

von Antoine Jaccoud 22. Juli 2015

Elle dit qu’elle est fatiguée, qu’elle n’arrive pas à récupérer.

Elle dit qu’elle a des bouffées de chaleur, des espèces de grandes vapeurs, subites et intenses, à n’importe quelle heure du jour et de la nuit et que cela n’a rien à voir avec la canicule et le réchauffement climatique et toute cette merde globale qui fait peur et dont l’UDC ou Jeb Bush, par exemple, se foutent éperdument.

– Alors elle s’évente avec un vieil éventail donné par un sponsor une fois dans un open air festival…

Elle dit qu’elle mange trop, qu’elle a grossi, qu’elle a „des steaks“ sur les hanches, qu’elle n’a plus rien à se mettre et qu’elle n’aime de toute façon plus ce qui lui reste à se mettre (car elle exagère bien sûr: elle a encore des choses à se mettre).

Elle dit qu’elle n’aime plus le vin blanc (mais elle aime heureusement toujours la bière) qui lui fait mal à la tête, ni les repas lourds le soir ni même la pizza.

Elle dit qu’elle se trouve moche qu’elle n’ose plus se regarder dans le miroir.

– Et ses amies bien sûr lui disent „mais non, arrête„- mais souvent cela ne sert à rien et cela les attriste.

Elle dit aussi qu’elle dort mal et c’est vrai qu’elle se réveille à 5 heures en même temps que les oiseaux, elle qui pouvait roupiller jusqu’à midi même lorsque le canon tonnait ou que les ouvriers changeaient les canalisations dans son immeuble en écoutant la radio.

Elle dit qu’elle n’arrive pas à suivre ni la Grèce ni la Syrie ni l’Iran ni rien. A part Obama. Obama, lui, il reste son chouchou. Peut-être aussi parce qu’elle a le même âge que Michelle.

Et puis elle dit enfin: „je crois que la ménopause a commencé„.

Und plötzlich Spanien. Plötzlich wieder das einfache Leben. Ich leiste mir den unbezahlbaren Luxus, mich frei nach Voltaire um meinen eigenen Garten zu kümmern.

Weit weg ist die Welt. Griechenland muss ohne mich zurecht kommen. Der Islamische Staat sowieso. Ich kann mich auch nicht dauernd um die neusten Entwicklungen in Lybien, Syrien oder Venezuela kümmern. Ich habe zu tun. Ich muss roden, umgraben, pflanzen, giessen!

Schon wiederholt schmerzte der Rücken, aber höre ich das leise Dröhnen eines Jets, weit oben am blauen Himmel über dem kleinen Dorf in den Bergen, putze ich mir den Schweiss von der Stirn und bin froh, dass ich nicht dort oben in enge Reihen gequetscht unterwegs, wer weiss wohin, sitzen muss, sondern hier unten für ein kleines Stück Erde die Verantwortung übernehmen darf.

Wie gross das Paradies im Jenseits ist, wissen die Götter, aber das Paradies im Diesseits, braucht nicht gross zu sein. Und genau betrachtet, ist es auch nicht ab der Welt. Und schon gar nicht etwa frei von Intrigen, Selbstssucht und Gewalt.

Ich meinerseits verzichte zwar darauf, einen Giftkrieg zu führen, was leider jedem Läusegesindel sehr entgegenkommt.

Überhaupt wimmelt es von terroristischen Tausendfüsslern und von windigen Ohrengrüblern, die sich unverschämt und frech ohne jegliche Moral in meinem Salat einnisten, über den in der Deckung der Nacht auch noch die feigen, gepanzerten Schnecken herfallen.

Und das stachlige Unkraut, allen voran die durchtriebenen Schmarotzer von Schlingpflanzen, liefern mir einen ebenso gnadenlosen wie andauernden Stellungskrieg. Und nicht zu reden von den bis auf die Zähne bewaffneten Dornbüschen! Die hätten meinen kleinen Acker in kürzester Zeit zurückerobert, würde ich ihnen nicht permanent zu Leibe rücken, mit Hacke und Sichel, also mit ziemlich grobem Geschütz.

Und was hat Goya mit Dornbüschen und Schlingpflanzen zu tun?

Goya war zwar Spanier, aber definitiv kein Romantiker. Er wusste auch ganz genau, dass es besser ist, der Wirklichkeit in die Augen zu schauen und die notwendigen Kräfte zu generieren, um mit ihr fertig zu werden, anstatt vor ihr zu flüchten oder sie zu verklären. Deshalb, nehme ich an, nannte er die berühmte Kampfszene auch Lo Mismo, das Gleiche. Immer das Gleiche. Die Welt ist überall so wie sie ist. Sogar in meinem kleinen Paradies.

Beat Sterchi befürchtet, von mir als Romantiker und Träumer bezeichnet zu werden, weil er sich Politiker wünscht, die noch etwas anderes bewirken wollen im Land, als einen möglichst hohen Wähleranteil bei den Wahlen zu gewinnen.

Die Frage wäre, vor welcher Bezeichnung sich einer fürchten muss, der es ganz normal findet, wenn ein Politiker sich in den Wind hängt und dann ganz unabhängig von eigenen Überzeugungen ein Wahlprogramm zusammenschustert, das ihm einen möglichst hohen Wähleranteil beschert.

Müsste sich so jemand nicht Zyniker schimpfen lassen? Vielleicht – oder er ist ganz einfach ein Vertreter der ökonomischen Theorie in der Politik und damit ein angesehener Akademiker, der behauptet, Parteien seien Anbieter und Wähler Konsumenten eines Marktes.

Und dieser Theorie zufolge verhält sich ein Politiker dann rational, wenn er anbietet, was die Leute auch kaufen wollen. Die Kosten des Wahlkampfs nimmt man auf sich, um dafür den Nutzen der Macht einzufahren, politische Entscheidungen sind zweitrangig.

Aber vielleicht sind manchmal angesehene Akademiker auch nicht mehr als Zyniker. Oder dann einfach weltfremd.

Dass ökonomisches Denken mit Demokratie nichts zu tun hat, zeigt sich daran, dass es immer noch Wahlen und Abstimmungen gibt.

Jemand, der sich der ökonomischen Theorie entsprechend verhält, der geht nicht wählen und abstimmen. Denn ein solcher Mensch hat ja ein rationales Verhalten und rational ist ein Verhalten der ökonomischen Theorie gemäss, wenn es weniger kostet als einbringt.

Abstimmen und wählen aber kostet immer mehr als es einbringt und ist somit in jedem Fall irrational.

Man hat einen gewissen Aufwand, Ertrag aber hat man keinen, denn auf die einzelne Stimme ist es bekanntlich bis jetzt noch in keiner Abstimmung angekommen. Der ökonomisch rationale Nutzenmaximierer muss also unbedingt zuhause bleiben.

Und wer weiss, vielleicht hat der sinkende Anteil derjenigen, die sich die Mühe nehmen, an die Urne zu gehen oder schon nur das Couvert in den Briefkasten zu werfen, auch damit zu tun, dass sich das ökonomische Denken mit seinen nicht nur für die Demokratie gefährlichen Konsequenzen immer tiefer in unseren Wortgebrauch und in unser Verhalten hinein gefressen hat.

Wie kann man heute jemandem noch auf einfache, überzeugende Weise erklären, weshalb es wichtig ist, an dem regelmässigen Abstimmungs- und Wahlritual teilzunehmen? Und zwar wichtig nicht nur für die Demokratie (was immer das ist), sondern auch für ihn oder sie als einzelnen Menschen?

Oder liegt das Problem vielleicht gerade darin, dass wir für die Demokratie an die Urne gehen und nicht oder nur zum geringen Teil für uns selber? Und niemand mehr recht weiss, weshalb er etwas tun sollte, das nicht ihm persönlich nützt, sondern im Dienst steht von etwas, das grösser ist als er?

In Zürich hat die FDP bei den diesjährigen Kantonalwahlen auf ihren Plakaten mit dem Begriff „Gemeinsinn“ um Stimmen geworben. Was für ein seltsames, aus der Zeit gefallenes Wort.

Es haben Wahlen statt gefunden und es werden Wahlen stattfinden. Im Inland und im Ausland. Und so wie bei den kürzlich stattgefundenen Wahlen im fernen Zürich links und rechts Wahlziele in Prozenten vorgegeben wurden, werden für die Wahlen im Herbst auch jetzt schon allenthalben Wahlziele deklariert. Die einen wollen 3% zulegen, andere nehmen sich vor, wiederum 12% oder meinetwegen mehr als 20% der Wählenden für sich zu gewinnen.

Das habe ich noch nie begriffen.

Ich befürchte sogar, da werde etwas ausser Acht gelassen. Diese Vorgaben kommen mir immer so vor, als sei etwas vergessen gegangen.

Wird da nicht das Pferd vom Schwanz her aufgezäumt?

Das hat natürlich damit zu tun, dass ich zu den ewig gestrigen Anhänger des politischen Milizsystems gehöre und mich nicht mit dem Gedanken anfreunden kann, dass man gewählt zu werden als politisches Ziel versteht.

Der Politikerin, die mir sagt, ihr Ziel sei es, einen bestimmten Missstand zu beheben oder einer bestimmten Einsicht zum Durchbruch zu verhelfen, werde ich gegenüber dem Politiker, der mir sagt, wie viele Prozente seine Partei erreichen wolle, selbstverständlich den Vorzug geben, denn bei dem letzteren ist der Opportunismus notgedrungen Programm.

Gut, ich könnte mir vorstellen, dass beispielsweise mein geschätzter Kollege Gerhard Meister sagen würde, ich sei ein Romantiker, erstens gehe es um Macht und zweitens hätten Politiker und Politikerinnen nun mal ihren Beruf und ihre Existenz und es sei nur logisch, dass sie gewählt werden wollen. Ich weiss aber auch, dass es sinnvoll ist zu träumen.

Wozu sind wir da, wenn nicht, um Idealvorstellungen nachzuhängen?

Man braucht als Mensch wenigstens ein bisschen Utopie, ein bisschen Glaube, wenn nicht an das Jenseits, so doch an das Mögliche. Die Wirklichkeit wird es nicht versäumen, einen früh genug wieder einzuholen.

Ein sehr anständige und einer Politikerin und einem Politiker wohl anstehende Eigenschaft wäre es deshalb, die eigene politische Existenz vom Erreichen eines Zieles abhängig zu machen und nicht umgekehrt, indem man dauernd nach Themen und Positionen sucht, die einem die Gunst der Wählenden sichern. Das ist genau das Gegenteil von Utopie.

Und was hat van Gogh damit zu tun?

Hätte sich van Gogh darum gekümmert, wie und was er malen müsste, um mehr davon verkaufen zu können, sprich gewählt zu werden, hätte er sich vielleicht kein Ohr abgeschnitten, aber kennen würden wir ihn ganz sicher nicht.

Für Beat Sterchi

von Guy Krneta 5. Juni 2015

Ich lebe in einer vielsprachigen Welt. Dialoge wie folgender im Bus – geschrieben von einer Schülerin im Rahmen einer Schreibwerkstatt – sind durchaus realistisch.

A: hey dusho geitz guet?

B: ma super u dir o?

A: jebote zivi se…

B: wieso shta je bilo?

A: ke anig

B: ehj vidi de luegt di huere shreg a man jebo mu mater

A: lassy de verzeu witter shta je bilo?

B: ke anig ashiss znash… jebote

A: okey ako neces reci… wo geish jetzt?

B: kuci a ti schatz?

A: haha jebote schatz haha… gange o hei

B: ehjj odo ja… bis einisch

A: hmm oke ciao pazi se

A: ehj wart shneu… chum am samsti i atlantis bice ludilo

B: i luege no ok ciao

Wenn davon die Rede ist, dass Muttersprache Identität begründet, kommt mir das immer ein bisschen anachronistisch vor. Unbestreitbar prägt sprachlicher Alltag die Identität von Menschen. Doch wachsen heute viele zwei- oder dreisprachig auf. Sie haben deswegen nicht zwei oder drei Identitäten. Vielmehr liegt ihre Identität genau in dieser mehrsprachigen Situation.

Die veränderten, vielleicht auch gar nicht so neuen Sprachrealitäten – man denke an Elias Canetti – finden in der heutigen, zumindest der deutschsprachigen Literatur kaum ihren angemessenen Ausdruck. Wollte die Literatur die sprachlichen Verhältnisse, in denen sie entsteht, fassen und gestalten, müsste sie das Denken in Sprachräumen ablegen und sich entschieden der Oralität zuwenden.

Dieser Prozess ist, schwach reflektiert und zögerlich, tatsächlich im Gange. Spoken Word und Poetry Slam boomen, wenigstens in der Deutschschweiz, und Literatur in Mundart ist seit Pedro Lenz’ „Der Goalie bin ig“ ein Breitenphänomen. Auch über die Anerkennung im Literaturbetrieb – Preise, Einladungen zu Festivals etc. – können wir uns kaum beklagen.

Doch verbindet sich der Erfolg von „Mundartliteratur“ gelegentlich mit einem Missverständnis. Statt die neue Mündlichkeit als Öffnung der Literatur gegenüber veränderten Sprachrealitäten zu begreifen – auf deren Weg auch der Übergang in die Mehrsprachigkeit liegt –, wird sie immer wieder als Rückzug ins Heidiland, als – durchaus sympathischer – Trotz gegenüber Globalisierung verstanden.

Als ich angefangen habe Mundart zu schreiben – mehr noch zu singen –, habe ich mich nicht gegen kulturelle Globalisierung gewehrt, im Gegenteil. Meine Vorbilder waren, neben den hiesigen Grössen, amerikanische Folksänger, deutsche Liedermacherinnen und italienische Cantautori. Es war die Musik Schottlands oder Irlands, die mich auf die Schweizer Volksmusik aufmerksam machte. Ich empfand es als progressiv, keine Berührungsängste zu haben gegenüber dem Hackbrett, dem Alphorn und dem Schwyzerörgeli. Ich verteidigte sie als Musikinstrumente wie den Dudelsack oder das Banjo gegen jede ideologische Vereinnahmung.

Ähnlich verfahre ich heute mit der mündlichen Sprache. Ich schreibe nicht Berndeutsch, weil ich diese Sprache für ausserordentlich halte. Ich schreibe sie, weil sie klangliche, rhythmische und gestische Erinnerungen birgt, die ich wie in keiner anderen Sprache eigenwillig gestalten kann. Es ist möglich, auf Berndeutsch experimentell zu sein, ohne angestrengt zu wirken.

Und ich bemerke, dass die gleichen Kritiker, die gegen „Migrantenliteratur“ polemisieren sich auch explizit weigern Mundarttexte zu lesen. Das halte ich nicht für Zufall.

In Schulklassen mit 90% „Migrationshintergrund“ erlebe ich, dass Mundart die Sprache ist, in der sich Albanerinnen, Erythreer und Tamilinnen zumeist verständigen. Diese Sprache ist bei Kindern und Jugendlichen, die hier aufwachsen, Teil ihrer Identität. Durch die Teilnahme der mehrsprachigen Jugend an der Mundart verändert sich diese. Wie sie sich auch durch Moden und Trends und medialen Gebrauch verändert. Und: Sie verändert sich rascher als dies standardisierte Sprachen tun.

Heute wird mehr geschrieben und gelesen denn je. Festzustellen ist, dass sich schriftliche Kommunikation der mündlichen annähert (vermutlich auch umgekehrt). Und die elektronischen Medien befördern dabei neue Formen der schriftlichen Notation, die Piktogramme und Symbole einschliesst.

In welchen literarischen Werken spiegeln sich all diese Realitäten? Ich hoffe sehr, dass die Frage eines Tages nicht mehr rhethorisch ist.

Was Beat Sterchi zum Thema meint, erfahren Sie hier.

Last days

von Antoine Jaccoud 27. Mai 2015

J’ai pris la valise de cuir Vuitton que je garde toujours sur l’armoire (je suis souvent en déplacement, vous savez) et j’y ai glissé quelques vêtements propres:

Deux chemises Kauf bleu-ciel, trois slips Calida, une camisole Schiesser, la trousse de toilette en couilles de zébu offerte par président de la fédération du Lesotho et puis mon réveil Hublot, reçu l’an dernier des mains du patron de cette firme, celui qui m’envoie aussi toujours un morceau de son gruyère après la désalpe.

Ensuite, comme il me restait un peu de place dans mon bagage, j’y ai glissé aussi le survêtement de l’équipe qatari offert par mon Zizou (au cas où je ferai du sport ces mois prochains) et une paire d’Adilettes bleues et blanches (pour me protéger des mycoses) que m’avait envoyée le papa de Messi après que je lui ai donné des tuyaux pour les impôts de son fiston.

J’ai rangé ensuite mon bureau, me débarassant au passage de l’agrafeuse en or massif offerte par Ronaldo l’an dernier, et puis j’ai passé quelques coups de fils sur mon portable pre-paid, celui dont personne ne connaît le numéro.

Un à la banque **,  une filiale de la banque **** installée aux îles Vierges, pour leur demander de fermer mon compte.

Un au Dolder pour leur dire que je ne viendrai pas manger à midi (malgré le fait que la Salade César, ma préférée, était à la carte aujourd’hui). Et un à mon médecin pour lui dire que je lui donnerai mon adresse dès que je la connaîtrai.

J’ai ensuite demandé à Britta d’annuler tous mes rendez-vous, oui, même celui avec le Comte Zaroff, le président de la Fédération de Syldavie, et puis j’ai enfilé mon blazer, celui à carreau, avec l’écusson sur le coeur, et j’ai appelé le chef de la police zurichoise, un ami personnel: Salut, c’est Sepp, tu pourrais venir me chercher, s’il te plaît? Je me rends. Les carottes sont cuites, et puis de toute façon j’en ai marre, je suis fatigué.

Butterblümchen

von Gerhard Meister 20. Mai 2015

Beat Sterchi wollte vor einer Woche an dieser Stelle einen Blog über Butterblümchen schreiben, schliesslich wurde dann aber ein Hodler-Blog draus. So will ich es denn versuchen.

Vielleicht wird es aber beim Versuch bleiben. Nicht nur die Begrenztheit des Themas ist eine Klippe, ebenso seine semantische Offenheit. Denn um was für Blumen handelt es sich bei diesen Butterblümchen, von denen Beat Sterchi schreibt, gleich wieder? Sind Butterblümchen dasselbe wie Butterblumen? Und Butterblumen sind ja auch nicht einfach Butterblumen, sondern laut Wikipedia der Name für eine ganze Anzahl untereinander nicht verwandter gelbblühender Pflanzen, wozu der Löwenzahn und der Hahnenfuss gehören.

Und hast du, lieber Beat, eventuell mit der Bezeichnung Butterblümchen darauf hinweisen wollen, dass du den Hahnenfuss meinst, dessen Blüte ja eindeutig kleiner ist als diejenige des Löwenzahns und also mit der Verwendung des Diminutivs eine botanische Unterscheidung vorgenommen?

Oder ist dir mit „Blümchen“ einfach der aus dem Berndeutschen so gewohnte  Hang zum sprachlichen Verkleinern ins Hochdeutsche hinüber gerutscht?

Und geht es hier also weder um Butterblümchen noch Butterblumen, sondern um Söiblueme, wie der Löwenzahn auf Berndeutsch heisst? Und übrigens nur auf Berndeutsch, während in Zürich, wo ich wohne, niemand weiss, was eine Söiblueme ist? Während ich erst im Lauf der Jahre auf die Idee kam, dass sich hinter dem ebenso unverständlichen wie hässlichen Silbenmonster „Chrottepösche“ eine Söiblueme und damit vielleicht sogar auch ein zartes Butterblümchen verbergen könnte?

Dass man in Zürich dem Löwenzahn auch „Weifäcke“ sagt, das weiss ich allerdings erst seit vorgestern, als meine Nachbarin dieses mir ebenso komplett unverständliche Wort in den Mund nahm, in einem Gespräch übrigens, in dem es auch um Kaulquappen ging, von denen meine Kinder welche gefangen halten und die ich immer noch Rossnägel nenne, obwohl das hier oder vielleicht auch allgemein heute natürlich niemand mehr versteht.

Und zum Schluss sage ich noch: Hundeblume, Pusteblume, Ramschfädere, Chüngelichruut, Pfurri, Furzere, Chettibluem, Stinkblueme, Franzosensalat, Bettseicher, Buggele, Tüfelschrutt, Pfaffechopf – und fertig ist der Butterblümchen-Blog.

Strahlender Sonntag! Spaziergang über den Vully. Wald, Wiesen, Rebberge. Grandiose Sicht: Die Waadtländer Alpen! Die Freiburger Alpen! Die Stockhornkette! Eiger Mönch und Jungfrau in Glanz und Gloria!

Und die Wiesen sind gelb. Wahnsinnig gelb. Gelber als YB zu Geni Meiers Zeiten. Gelb wie Hänge im Süden, wenn der Ginster blüht. Aber hier sind es Butterblümchen.

Und ich habe dort plötzlich die eigenartige Anwandlung, für den Blog im Journal B über ein Butterblümchen zu schreiben. Warum sollte, genau betrachtet, so ein Butterblümchen nicht auch einmal meine uneingeschränkte Aufmerksamkeit verdient haben? Ist es nicht auch ein Kunstwerk der Schöpfung! Oh Butterblümchen! Wenn du wüsstest!

Es ist nicht leicht einen ganzen Blog über ein Butterblümchen zu schreiben! Schreib Du mal über ein Butterblümchen in einem Blog, bei dem du eh schon nicht weisst, ob ihn ausser Fredi Lerch überhaupt jemand liest!

Weil ich nun aber heute auf der Münster-Plattform wieder mal hörte, wie eine asiatische Reisegruppe auf „The Waterfalls of Bern“ aufmerksam gemacht wurde, habe ich mich entschieden, mich öffentlich darüber aufzuhalten, dass ich möchte, ich könnte Russisch.

Wenn man nämlich auf der Plattform hört, wie der Schweller zum Wasserfall, das Historische Museum dort drüben zum „Castel of Bern“ wird und dass die reichen Schweizer im Casino hier rechts im Bild ihr Geld verspielen, dann möchte man mal wissen, was den vielen russischen oder osteuropäischen Reisegruppen erzählt wird, die seit ein paar Jahren die Altstadt überfluten.

Immerhin sieht es so aus, als würden diese Gruppen besonders intensiv informiert und aufgeklärt, manchmal sogar mit Hilfe eines Megaphons.

Aber was vernehmen sie beim Simsonbrunnen? Was wird ihnen gesagt, wenn sie beim Vennerbrunnen alle zu diesem Fähnrich aufschauen, als wäre es Putin? Was kriegen sie beim Gerechtigkeitsbrunnen mitgeteilt? Wie wird ihnen der Chindlyfresser erklärt?

So gerne würde ich da einmal zuhören.

Und was hat Ferdinand Hodler damit zu tun?

Erstens hat Hodler die Berge, die ich vom Vully aus gesehen habe, gemalt wie ein Weltmeister und zweitens sollen ihn in seiner Jugend, wie er C.A. Loosli, seinem ersten Biografen anvertraut hat, die Schönheit von Berns Brunnenfiguren ästhetisch ganz massgeblich geprägt und immer wieder inspiriert haben.

Fridenslinde

von Guy Krneta 8. Mai 2015

Am 8. Mai 1945 sy a viunen Ort ir Schwyz Fridenslinde pflanzt worde. Hunderti vo Schüelerinnen u Schüeler sy drby gsi. Für ihrer Hoffnig Usdruck z gä: Nie meh e setige Chrieg!

Sit sibezg Jahr isch’s nümm zumne setige Chrieg cho. U sibezg Jahr ohni Chrieg sy ir Gschicht e längi Zyt. Tatsächlech het’s aber ix Chriege gä, i dene letschte sibezg Jahr, o zmittst in Öiropa. Chriege wi die z Kroazie, z Bosnie, im Kosovo, wo aaschliessend niemer Fridenslinde pflanzt het. Wüu dr Fride numen e Fortsetzig isch gsi vor Chriegslogik, won es Zämeläbe wi das z Bosnie kabutt gmacht het.

O dr 8. Mai 1945 isch nid nume dr Tag vor nazi-dütsche Kapitulazion gsi, sondern dr Uftakt zumne riisige Massaker. Wo Franzose z Algerie ix tuusig Lüt umpracht hei. Wüu die nid nume ds Ändi vom Chrieg hei wöue fyre, sondern o no ds Ändi vom Kolonialismus gforderet hei. Bis hüt het Frankrych das Massaker nid anerkannt.

Trotzdäm bin drfür, Fridenslinde z pflanze, hüt, sibezg Jahr schpeeter. Wüu Öiropa e vrglychswys längi Nidchriegsphase hinger sech het. U däsch vor auem dene wirtschaftlechen u politische Zämeschlüss z vrdanke, won e Fride lukrativer machen aus e Chrieg. Druf hiizwyse, dass sech Schtaaten aus Foug vo däm Chrieg denn hei chönnen uf Mönscherächt einige, Rächt, wo aune Mönsche zuschtö.

Aber näbem Pflanze vo nöie Fridenslinde wär’s vilech no intressant mau z luege, was us dene Linde worden isch, wo vor sibezg Jahr sy pflanzt worde. Linde chöi bis zu tuusig Jahr aut wärde. Wi viu vo dene Linden überhoupt no schtö oder äbe nid schtö, wüu si vomne Blitz sy troffe worde, sy gfäut worden oder vomnen Outo umgfahre.

We me da würd luege, das gäb vilech es zimlech genaus Abbiud drvo, wi guet oder äbe nid guet mir üs um dä Fride kümmere.

(Ein Beitrag von Journal B für Radio RaBE)

Der frühere «Bund»-Redaktor und Leiter des Schweizerischen Literaturarchivs von 1990 – 2005 Thomas Feitknecht ist im Alter von 71 Jahren gestorben.

Die Todesanzeige traf mich unvorbereitet: Thomas Feitknecht, Gründungsdirektor des Schweizerischen Literaturarchivs ist am 30. April im Alter von 71 Jahren gestorben. Thomas Feitknecht leitete das Literaturarchiv seit dessen Beginn 1990 bis 2005. Er erlag einer langen, schweren Krankheit, wie aus der Todesanzeige zu erfahren ist.

Feitknecht wurde 1943 in Bern geboren, er studierte Germanistik und Journalistik in Bern und Berlin. In seiner Dissertation widmete er sich neueren DDR-Romanen. Ab 1970 war Feitknecht Redaktor, Londoner Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor beim «Bund». Schon während seiner Zeit beim Literaturarchiv und noch vertiefter danach beschäftigte er sich mit dem Nachlass Hermann Hesses. Es erschien unter anderem 2006 der Band «Die dunkle und wilde Seite der Seele», Hesses Briefwechsel mit dem Psychiater Josef Berhard Lang. 2009 publizierte Feitknecht den Briefwechsel des Literaturkritikers Werner Weber, dessen umfangreichen Nachlass er fürs Literaturarchiv hatte sichern können.

Ich kannte Thomas Feitknecht als näheren Bekannten meiner Familie mütterlicherseits, war er doch in deren Nachbarshaus aufgewachsen. Mehr miteinander zu tun hatten wir, als ich vom Verband «Autorinnen und Autoren der Schweiz» in eine Subkommission der Nationalbibliothek delegiert wurde. Hier beeindruckte mich Thomas’ kluges und geduldiges Verhandeln um wertvolle Nachlässe, von dem er uns jeweils Rechenschaft ablegte.

Vor sieben Jahren zog Thomas mit seiner Partnerin Katharina Feitknecht-Hostettler vom Land ins elterliche Haus in der Stadt. Es ehrte mich, als mich die Beiden baten, bei der «Husröiki» zu lesen. In einem Mail beschrieben sie damals, was der Umzug für sie bedeutete: Der Abschied von Kühen, Graureihern und Mähdreschern. Das Entsorgen von drei Zentner Büchern. Und schliesslich das Gefühl «schon immer hier gewesen zu sein», im behutsam renovierten Haus von Thomas’ Vater.

Thomas Feitknecht kannte sich in unzähligen Werken und Nachlässen aus. Sein Tod bricht eine intensive Arbeit ab, die uns noch etliche wertvolle Publikationen beschert hätte.

Robots du soir

von Antoine Jaccoud 29. April 2015

J’ai de nouveau battu Néo au jass cet après-midi. Et pourtant j’ai mal joué. Avec mon début d’Alzheimer, j’oublie parfois la valeur des cartes. Monsieur Regamey – paix à son âme, il nous a quitté début avril -, le savait bien. Il me battait à chaque fois.

Néo, je sais pas ce qu’il a. Il veut faire des trucs trop compliqués et il se perd. Résultat, il s’énerve, se met à chauffer, m’insulte en 19 langues et quitte ma chambre en renversant ma tisane et en jetant les cartes en l’air. Je trouve ça pas gentil parce que c’est lui qui doit me donner mes gouttes et me changer ma poche urinaire avant que je me mette au lit.

C’est fou ce qu’il est susceptible ce Néo. Je pense qu’il est mal réglé. J’appuyerais bien sur reset, comme on m’a dit de le faire, mais j’ai peur de faire une bêtise, comme Madame Rothenbüler, qui a voulu faire redémarrer son assistant humanoïde – c’est comme ça qu’on dit – mais qui a causé une erreur système que la Visana n’a pas voulu rembourser.

Je m’appelle Rose Bataillard, j’ai 102 ans. Je suis à l’EMS „Paix du Soir“ depuis 4 ans, depuis que je me suis fracturé la hanche en montant sur une échelle pour aller chercher des gaufrettes du Toggenburg tout en haut de mon placard. Je me plais bien à la Paix du Soir. C’est calme, c’est propre, on n’est pas obligé d’écouter la conteuse l’après-midi, et puis on a de la tresse au beurre le dimanche.

Mais depuis quelques temps les choses ont changé.

Avant, c’était des aides-soignantes qui nous faisaient la toilette et restaient un moment dans la chambre pour discuter. Madame Pereira nous parlait de la petite maison que son mari a construit à Porto. Madame Ferovic nous racontait des histoires de la guerre chez elle et Madame Diallo riait si fort que pour finir elle faisait rigoler tout l’étage avec elle.

Et puis un jour – est-ce que c’est à cause de la votation sur les étrangers? est-ce que c’est pour faire des économies? mystère… – toujours est-il qu’ils nous ont annoncé que ces dames ne reviendraient plus à l’E.M.S. et qu’elle seraient remplacées par des robots.

C’est comme ça que Néo est entré dans ma chambre, et dans ma vie si on veut bien dire.

Au début c’était rigolo. Comme il a un écran sur le ventre, je pouvais continuer à regarder la Clinique de la Forêt Noire pendant qu’il me prenait la pression. Et puis pour les piqures, j’ai trouvé qu’il était plus délicat que l’infirmière qui m’avait loupé la veine deux ou trois fois. J’aimais bien le taquiner aussi en lui demandant de ne pas me regarder avec ses gros capteurs quand il me menait à la douche.

Et puis je me suis lassé. D’abord il s’est mal tenu lorsque Monsieur Regamey est mort. Répéter „sincères condoléances“ en 19 langues,  c’est quand pas la même chose que Madame Pereira qui avait toujours une larme pour nos défunts. Et puis il bogue quand même des fois.

L’autre jour, il a voulu mettre un Pampers de force sur la tête de Madame Visinand. Il a fallu appeler la police pour le faire arrêter.

J’ai voulu me plaindre au directeur, mais j’ai appris que lui aussi a été remplacé par un robot. Enfin, par une robotte parce que maintenant il faut plus de femmes dans les postes de management.

(Pour Martine D.)

Der Kanon

von Gerhard Meister 22. April 2015

Günter Grass ist tot, seine Werke aber werden weiter zum Kanon der deutschen Literatur gehören, sofern es einen solchen auch in Zukunft geben wird.

Der letzte, der uns diesen Kanon in voluminösen Kassetten vorgelegt hatte, war Grass‘ Zeitgenosse und Kritiker Marcel Reich-Ranicki, der von der Notwendigkeit eines solche Kanons felsenfest überzeugt war: „Die Frage, ob wir einen solchen Katalog benötigen, ist mir unverständlich, denn der Verzicht auf einen Kanon würde den Rückfall in die Barbarei bedeuten.“ Ein wahrhaft erstaunlicher Satz für einen Juden, der nur mit knapper Not das Warschauer Ghetto überlebt hat.

Es war das auf seine Bildung so stolze deutsche Bürgertum, das Hitler auf den Thron gehoben hat. Die Funktionäre des Dritten Reiches hatten das humanistische Gymnasium durchlaufen und damit jene Instanz, in der eine unerschütterlichen Gewissheit darüber herrschte, welche Kulturgüter dem zukünftigen Bürger zu seiner Bildung verhelfen und welche nicht.

Und Bildung bedeutete selbstverständlich immer auch eine Veredelung des ganzen, das heisst: auch sittlichen Menschen.

Natürlich behauptet niemand, dass das Dritte Reich möglich wurde, weil die Deutschen Schiller und Goethe lasen, dass es trotzdem möglich war, ist schon schlimm genug.

Die Idee des Kanons aber war nach dem Zweiten Weltkrieg und insbesondere in der Zeit nach 1968 aus umfassenderen Gründen diskreditiert. Es war das Prinzip der Auswahl selber, das fragwürdig wurde. Wer auswählt, übt Herrschaft aus. Und die Kriterien seiner Auswahl erweisen sich bei näherem Hinsehen als die Vorurteile einer bestimmten Kultur, einer bestimmten Gesellschaftsklasse und eines bestimmten Geschlechtes, die dann natürlich die Herrschaft eben dieser Kultur, dieser Klasse und dieses Geschlechtes perpetuieren.

So das Argument, das in seiner radikalen Fassung die Möglichkeit eines Werturteils überhaupt verneint und sich damit ad absurdum führt. Wer möchte behaupten, jeder Beitrag zur Philosophie sei so wichtig wie Immanuel Kants „Kritik der reinen Vernunft“ oder jeder Roman so gut wie Thomas Manns „Die Buddenbrooks“?

Gegen einen Kanon ist wenig einzuwenden, solange man ihn als ein bescheidenes Hilfsmittel begreift, das Anfängern auf einem Kulturgebiet – seien das nun Schüler, Studenten oder bildungsbeflissene Kleinbürger – eine erste Orientierung bietet, die sie dann hoffentlich, wenn ihr Geschmack und Kritikvermögen einmal entwickelt ist, wieder kräftig über den Haufen werfen.

Im Begriff des Kanons schwingt aber sein Erbe mit und damit ein viel weiter gehender Anspruch, der im 19. Jahrhundert noch kräftig am Wirken war und bis heute nicht verschwunden ist.

Vorbild jedes Kanons und allen Kanonisierens ist die Arbeit der Kirchenväter, die darüber bestimmten, welche Texte in die Bibel aufgenommen werden sollten und welche nicht. Damit ging es damals um nicht weniger als die Scheidung der göttlichen, der inspirierten, der unsterblichen Schriften von den nur von Menschen gemachten, zweitrangigen, zum Vergessen bestimmten oder gar vom Teufel eingegebenen (obwohl letztere natürlich schon wieder interessant wären).

Genau diesen Ewigkeitshauch und alles Päpstliche braucht es beim Kanonisieren nicht, dafür aber gerne viel vom Bewusstsein für die Beschränktheit jedes Blickwinkels, aus dem heraus solche Kataloge fabriziert werden.

Die Trauer ist gross. Ich mochte ihn sehr. Ich hatte auch Grund, ihn zu mögen. Vor mehr als 40 Jahren lernte ich ihn in seinem Haus in Wewelsfleth persönlich kennen.

Natürlich war ich beeindruckt. Und überfordert. Ich hatte überhaupt kein Geld und arbeitete in seinem Atelierhaus intensiv an der Schlussfassung eines Buches, mit dem ich meine Lebensumstände zu verbessern hoffte. Und natürlich notierte ich, was er sagte, was mir auffiel, in ein Schulheft.

Als ich ihm von einem gemeinsamen Freund vorgestellt wurde, lag er unter einer dicken Decke krank im Bett, die „Frankfurter Rundschau“ neben sich. Er sprach sofort von Politik. Er wollte auch gleich aufstehen und für uns kochen.

Schon beim ersten Gespräch sagte er, in der Schweiz sollte man beim Schreiben der Hochsprache den Dialekt mehr durchblicken lassen. Er nannte mich kichernd Gotthelf Junior unf sagte auch, er beneide mich sehr, es sei doch schön, in einem Buch noch die letzten Punkte zu setzen, um es auf die richtige Stufe zu heben.

Und als ich einmal sagte, was ich meine, klinge vielleicht anmassend, sagte er: Seien Sie anmassend! Und als Schweizer hätte er mich sofort erkannt, als ich auf ein Lob geantwortet hätte, alles sei relativ. „Das ist so schweizerisch!“ sagte er.

Trotzdem rauchte er dann mir zu Ehren, wie er spassig sagte, einen Villiger-Stumpen und erzählte, wie er vom Gesetz her für seine ersten Lesungen in der Schweiz jeweils eine Hausiererlizenz benötigte.

Dabei schob er mir lachend ein Streichholzbriefchen zu. Es war schwarz und vorne stand der Name irgend einer Hotelkette und unter dem Schwefelstreifen in Gold: G. Grass. „Einen Tag war ich dort. Das ist Ruhm.“

„Das ist Ruhm?“ fragte ich, ebenfalls lachend. „Ja, das ist noch die angenehmste Seite davon, die komische, die idiotische.“

Später, noch lange vor dem Nobelpreis, hörte ich wiederholt, wie man sich über ihn entrüstete.

Einmal, in Berlin 1984 sagte in einer Diskussion eine aufstrebende junge Literatin aus dem Osten: „Und dann kommt auch noch der Grass, dieser Dinosaurier!“

Ein Dinosaurier war der private Günter Grass ganz entschieden nicht. Im Gegenteil, verglichen mit vielen, weit weniger berühmten literarischen Grössen war er äusserst bodenständig, kollegial und liebenswürdig.

Dass es Ort git, wo no genau so sy win i sen in Erinnerig ha vo Ching, überrascht mi mängisch. Es Privileg, dänk i aube, wo men äuä nid a viunen Orte no het uf dr Wäut. U vilech isch’s gar kes Privileg, wüu d Erinnerig natürlech denn am lebändigschten isch, we’s keni Schpuure git, nume die im Chopf.

U i weiss nid, wi mängisch i myne Ching vrzeut ha vo däm Ort im Ämmetau, wo mir aus Ching aube gsi sy. Geng über Ooschtere. U won ig im Netz gseh ha, dass me di Wonig, wo mir aube gmietet hei denn, no geng cha miete, hei mir Ooschtere das Jahr im Ämmetau vrbracht.

Irritiert bin i gsi, wo aus no genau so gsi isch, win i’s in Erinnerig ha gha. Dr Ort u d Wonig. Dass sech i au dene Jahr dert praktisch nüüt vränderet het. Nume dass vilech aus chly gschrumpft isch im Vrglyych mit myren Erinnerig.

X­mau han i de Ching vrzeut gha vo denen ungloubleche Vrschteck, wo my Vatter i dere Wonig geng wider usfindig gmacht het. Dass i schtundelang am Ooschtersunnti my Schoggihaas gsuecht ha. Bis i aui Vrschteck kennt ha i dere Wonig: Hingerem Ofen u unger dr Schtägen u näbem Schüttschtei ir Chuchi, wo men einzelni Plättli het chönnen usenäh us dr Wang.

– Aber baff bin i gsi, wo my Suhn am Ooschtersunnti plötzlech mit emne Schoggihaas drhär cho isch, won i gar nid vrschteckt ha gha. Emne schwarze Haas, mit ere wysse Schicht überzoge, rundum aa­gschmuuzen und uströchnet. U druff my Name, liebevou gschriben ir Hand­schrift vo mym Vatter.

We’s e Fläsche Wyy wäär, han i mym Suhn gseit, würde mr sen itz lääre. Aber en über dryyssgjährige Schoggihaas het niemer wöue probiere.

Morgengeschichte von 2009 auf SRF 1; der Satz „Wer findet, hat nicht richtig gesucht“ stammt von Aglaja Veteranyi

On est en 1968. J’ai 11 ans. Paris brûle – pavés, cris, slogans, assemblées générales de jeunes gens en cravates, mégaphones – mais je suis loin de Paris. Je suis au Parc de Valency, à Lausanne.

Celui avec le cheval de pierre grandeur nature au milieu du bassin, celui avec les tapes-cul qui envoient les copains si haut qu’ils se cassent parfois une dent en retombant, celui avec le bizarre monsieur bronzé toute l’année qui fait asseoir sa levrette sur La Feuille d’avis de Lausanne.

J’ai posé mes fesses sur un banc, un de ceux sur lequel on prend le goûter avec maman tous les après-midis après l’école (avant d’aller s’érafler les cuisses en grimpant sur les hêtres).

Mon père se tient tout à côté de moi. Il est sérieux. Il est sombre. Il est solennel. On est venu ici tous les deux, entre hommes pour ainsi dire, un peu avant le soûper. Il doit me parler, il a expliqué tout à l’heure en rentrant du travail.

Alors voilà, il me parle maintenant, évoquant mes mauvaises notes à l’école, me rappellant que je me suis montré étourdi, dissipé, bavard, comme l’ont écrit mes maîtres et mes maîtresses dans mon carnet journalier. Mon avenir scolaire, résume-t-il, est compromis.

Le temps est donc venu de me mettre en garde. Si je ne change pas de comportement, si je ne fais pas des efforts énergiques pour remonter la pente, il me sortira de l’école et me placera dans une ferme en Suisse allemande...

Un regard où se mêlent l’effroi et la gravité souligne ses paroles. Il ne me vient naturellement pas à l’esprit de me demander si mon père dispose du début de la queue d’une connection au delà de la Sarine lui permettant d’organiser ma déportation. Une ferme. Une ferme en Suisse allemande.

Ce concept sombre et flou suffit à mon imagination. Des images se forment. Des personnages se dressent. De vagues hurlements commencent de se faire entendre. Une cour de ferme, quelque part, loin, dans la brume matinale. Un tracteur et sa remorque. Des êtres frustes en chemises à carreaux déchirées, bonnets militaires sur la tête, occupés à la décharger – betteraves? choux? patates? – qui me gueulent dessus. Et ce sentiment d’éloignement qui me transperce le coeur. Ce sera atroce à coup sûr.

Alors je promets. Je jure de me mettre au boulot sans tarder et de renouer avec des notes supérieures à la moyenne. Je ne serai plus étourdi, ni dissipé, ni bavard. Pourrai-je à ces conditions rester en famille, au chaud, chez les Welsches? Mon père hausse les épaules. Peut-être. On verra…

Regardant par la fenêtre du train, près de cinquante ans plus tard, ce qui reste de fermes entre Berne et Olten – autrement dit, entre chez Beat et chez Pedro, entre chez Chrigu et chez Alex – il m’arrive de repenser à tout ça. A toute cette Schwarzpedagogie. Et de penser que c’était de la merde.

In einigen von Peter Bichsels Kolumnen, so lese ich in einem Zeitungsartikel zu seinem achtzigsten Geburtstag, gehe es um die uns allen bekannte Situation, dass in einer geselligen Runde jemand etwas behauptet und jemand anderes das Gegenteil davon.

Schon hat ein wunderschönes Gesellschaftsspiel seinen Anfang genommen und man ist bald mittendrin in einer mit viel Debattier- und Redelust geladenen Situation, in der jeder behaupten und argumentieren kann, wie er will.

Als Beispiel erwähnt Bichsel die beiden Schweizer Radsportlegenden Kübler und Koblet, zwei ganz unterschiedliche Sportlertypen aus den 50er Jahren, die aber sehr ähnlich heissen und von dorther leicht verwechselt werden können, auch wenn der eine von beiden schon lange tot ist und der andere noch immer lebt:

Nein, der Kübler ist schon lange tot.

Aber der Koblet hat die Tour de France gewonnen.

Aber der Kübler hat die Tour de France auch gewonnen.

Nein, das stimmt jetzt ganz sicher nicht.

Natürlich stimmt das.

Nein, Kübler hat die WM gewonnen.

Aber die Tour de France eben auch.

Ach ja?

Aber der Koblet war doch mit dieser Miss Schweiz verheiratet.

Und so weiter und so fort.

Wie wir alle wissen und was Bichsel mehrmals eine Kolumne wert ist: Solche Diskussionen gehören endgültig der Vergangenheit an. Heute zückt jemand sein Handy und aller Eifer und alle selige Verstiegenheit in ein haltloses Behaupten hinauf sackt sofort zusammen: Das Handy weiss alles: nicht nur, welcher der beiden noch lebt, sondern auch wann der andere gestorben ist. Auf den Tag genau. Das gleiche mit den Toursiegen. Das sind die Fakten und der Rest ist Schweigen.

Natürlich wird man noch das eine oder andere Mal das Spiel anfangen, vor allem, wenn man die Zeiten noch erlebt hat, als es dieses allwissende Handy noch nicht gab und seine Anwesenheit deshalb vergisst:

Aber nein, Coppola hat doch diesen Film mit Gene Hackmann gedreht.  Diesen Film mit dieser Szene im Klo eines Hotelzimmers, das beim Spülen rot überläuft und damit beweist, dass sich in diesem Zimmer ein Mord ereignet hat.

Du meinst Scorsese.

Nein, ich meine Coppola.

Also den Paten.

Nein, nicht den Paten.

Der ist mit Brando, nicht mit Hackmann.

Aber den mein ich nicht.

Du sagtest doch Hackmann.

Ich mein nicht den Paten.

Der Pate ist mit Pacino.

Und jetzt kommt es einem in den Sinn, dass man dieses Gerät dabei hat, das zu jedem Film, den man jemals im Kino gesehen hat, den Regisseur weiss und alle Schauspieler und die Anzahl Oscars oder wenigstens Nominierungen, und dabei wollte man doch gar nicht wissen, ob Coppola oder Scorsese der Regisseur dieses einen Films war, sondern hat sich nur darüber streiten wollen, was natürlich witzlos ist, sobald einer in der Runde sitzt, der alles weiss.

Also lässt man es sein.

Aber den Spielverderber auch noch zum Schiedsrichter machen und also auf dem Handy nachschauen, welcher von den beiden Regisseuren es nun wirklich war, der diesen Film mit Hackmann gedreht hat, dessen Titel noch immer keinem in den Sinn gekommen ist, das macht man dann auch nicht mehr.

Irgendwo hat man auch gegenüber einer Maschine seinen Stolz.

Es Jahr nach dr GSoA-Iniziative, 1990, han i dr WK vrweigeret. Mit über tuusig Angerne zäme. Mir hei kollektiv gforderet, dass ir Schwyz e Ziviudienscht söu ygfüert wärde. Vrurteilt worde sy mr aui einzu. I zu sächs Monet Haubgfangeschaft.

Aus Begründig han i nume gschribe gha, i wöu, dass ir Schwyz e Ziviudienscht ygfüert wärd. U när han i non e Tegscht bygleit vom Peter Bichsu.

Wo mi dr Richter gfragt het, werum i Militär vrweigeret heig, han i gseit, Militärvrweigerig syg es Mönscherächt. Drum müess’s o ir Schwyz e Müglechkeit gä, wi me legaau chönn vrweigere. U dr Räscht schtöng im Tegscht vom Peter Bichsu.

Aber dr Richter het gseit, es syg nid dr Peter Bichsu, wo hie vrweigeret heig, sondern ig. U es syg a mir z säge, werum i mi schtrafbar gmacht heig. Mehrfach. Wüu o zur Nachinschpäkzion syg i nid ygrückt.

Itz läset mau dä Tegscht vom Bichsu, han i gseit, dert schteit’s. Dert schteit aus drinn. Wi tödlech di Armee isch, o i Fridenszyte.

I söu vo mir rede, het dr Richter gseit, vo mynen Erfahrigen ir Armee.

Das syge myni Erfahrige, han i gseit. Di syge so, wi’s dr Bichsu schryb, genau so. Das syg besser gschribe, aus i das je chönnt säge. Vilech chönnte mr ja dä Tegscht mau zäme läse, han i gseit, u drüber rede.

Aber dr Richter het mit mir dä Tegscht nid wöue läse. Dä het mit mir nid wöuen übere Bichsu rede.

Denn han i glehrt, dert i däm Grichtssäli, dass men aus geng wider mues säge, aus geng wider mues säuber säge, o we’s dr Bichsu lengschtens geschribe het.

 

Geschrieben für einen Filmbeitrag auf der Website von Schweizer Radio und Fernsehen SRF.

Den Film „Die Reise zum sichersten Ort der Erde“, auf welchen Guy Krneta in seinem letzten Blog verweist, habe ich noch nicht gesehen. Aber die ganze Problematik der ungelösten Entsorgung von Atommüll hat mich persönlich schon immer so stark beschäftigt, dass ich das Gefühl habe, mit all den Bildern, die sich über die Jahre in meinem Kopf angesammelt haben, könnte ich selbst einen Film drehen. Und zwar einen Horrorfilm!

Dabei würde ich nicht nur auf die Bilder von Demonstrationen, von Atomdörfern, von Kundgebungen jeder Art, von Sitzstreiks und Wasserwerfern zurückgreifen können. Auch höchst dramatische Szenen im Zusammenhang mit der gnadenlosen Staatsgewalt würden mir für diesen Film zur Verfügung stehen. Am schlimmsten sind in meiner Vorstellung jedoch tatsächlich die Bilder von jenen gelben, mit einem schwarzen Atomsymbol bemalten Fässern, die irgendwo tief unter der Erde giftig und radioaktiv vor sich hin rosten, in eine ferne Zeit hinein, von welcher wir keine Ahnung haben können, wer und was sein wird.

Da darf man wahrlich kein bisschen Fantasie besitzen, wenn man nicht von Visionen heimgesucht werden will, die einen erschauern lassen und bis auf die Knochen erschüttern! Immer, wenn ich daran denke, werde ich erstens wütend über das so verharmlosende Wort Umwelt, denn es ist nicht die Umwelt, die wir gefährden, die Umwelt gibt es gar nicht, es gibt nur die Welt! Und ich werde auch wütend über die Politiker und Politikerinnen hier und dort und überall, die anstatt wirklich Probleme anzugehen, sich vor allem damit zu beschäftigen scheinen, was sie anstellen müssen, damit sie wieder gewählt werden.

Und was hat Alberto Giacometti damit zu tun? Giacometti ist einer jener Künstler, der die Widersprüche der Moderne, in welche wir uns auch mit unserem Energiegebaren so heillos verstricken, sichtbar machen kann.

Giacometti zeigt mit seinen Figuren, wie Menschen durch die Welt gehen: Aufrecht zwar, sogar mit einem Ziel vor dem Kopf, aber eigentlich sind sie in Anbetracht der Welt fürchterlich einsam, wahnsinnig zerbrechlich und höllisch machtlos.

Zusammen mit dem Physiker Charles McCombie reiste der Filmemacher Edgar Hagen rund um die Welt, auf der Suche nach dem geeigneten Standort für ein nukleares Endlager.

SRF1 zeigt den Film «Die Reise zum sichersten Ort der Erde» am Donnerstag 19. März unter dem Titel «Strahlendes Erbe».

Vor dreissig Jahren kam der Engländer Charles McCombie in die Schweiz. Er sollte in einem fünfjährigen Forschungsprojekt nachweisen, dass sich der Granit der Nordschweiz für ein atomares Endlager eignen würde. Enorme Geldmittel stellte ihm die Politik zur Verfügung, immerhin ging es darum, eines der grössten Mankos der Atomenergie zu beseitigen: Die ungelöste Frage der Entsorgung.

Tatsächlich gelang McCombie und seinem Team nachzuweisen, dass Granit ein geeignetes Material wäre, wenigstens theoretisch, doch einen Ort in den Alpen, der sich für die Lagerung von atomarem Müll eignen würde, konnten die Forscher nicht vorschlagen.

Seither sucht McCombie in der ganzen Welt nach Standorten. Nicht oder wenig bevölkerte Gegenden scheiden aufgrund ihrer tektonischen Bedingungen aus. Grundwasser ist praktisch an jedem Ort der Erde vorhanden und droht die Verseuchung in alle Winkel zu verbreiten. Also müssen tausende von Tonnen Atommüll wasserdicht eingepackt werden. Kupfer würde sich dafür vielleicht eignen, aber wer weiss, wie sich das Material über die Jahrtausende verändert? Und überall wo es ein Minimum an demokratischer Kontrolle gibt, wehrt sich die Bevölkerung.

Des Filmemachers Reise zum sichersten Ort der Welt wird zur endlosen Odyssee. Immer wieder kreuzt sie sich mit dem atomarem Müll, der seinerseits von einem Ende der Welt ans andere verschoben wird.

Den Schnitten, die dem TV-Sendeformat geschuldet sind, fallen zwei prägnante Stimmen von Atomkraftgegnern zum Opfer. Der Irrwitz der ziellosen Transporte und die Ratlosigkeit der Atombefürworter ist aber beklemmend genug.


Donnerstag, 19. März 2015, 20.05, SRF 1 / DOK «Strahlendes Erbe – Die Suche nach einem Endlager für Atommüll» von Edgar Hagen; Wiederholungen: Freitag, 20. März 2015, 1:45 Uhr + 11:15 Uhr, SRF 1

Journal B zeigt in Koperation mit dem Kino im Kunstmuseum am 14., 17. und 18. März Edgar Hagens filmische Intervention «Die Übernahme».

Selfies

von Antoine Jaccoud 5. März 2015

Tu as longtemps hésité. Tu te disais que c’était un truc pour single – ce hipster élancé en chemise à carreaux et ses deux bières mexicaines, cette mince secrétaire de direction et ses trois petites sushis.

Tu te disais aussi que tu allais ainsi participer à la disparition progressive mais certaines des caissières. Tu imaginais Madame Dos Santos en larmes devant ses enfants.  Madame Traoré frappée par son mari parce qu’elle ne pouvait plus participer au leasing. Madame Fekovic contrainte de recommencer à faire des ménages malgré ses douleurs…

Dans ton cerveau encore marqué par le marxisme, toujours les machines ont mis les travailleurs et les travailleuses sur le carreau.

Tu voulais résister. Avec toi, le self check out ne passera pas!

Un jour pourtant, tu te lances.

Il y a du monde à la caisse ce jour là. On a appelé „Natacha à la deux“ mais Natacha n’est pas venue. Alors tu t’es rapproché du monstre. C’est un Passabene. Cela aurait pu être un Subito. Mais non, c’est un Passabene. Tu peux l’appeler comme tu veux, de toute façon, c’est bien un self check out. Une caissière de couleur qui t’a vu hésiter t’encourage à te rapprocher de la bête. Tu objectes que c’est pour elle et ses consoeurs que tu boycottes ce truc depuis des mois. Pour sauver sa place de travail. Elle t’assure qu’elle ne va pas perdre son boulot. Elle restera là désormais, affirme-t-elle, pour attraper les voleurs qui auront voulu dissimuler une partie de leur achats à l’oeil du scanner.

Tu peines à imaginer que toutes les caissières seront transformées en agent de sécurité, mais tu n’insistes pas.

Tu te présentes alors bravement, toi et tes articles, devant le self check out. Au moins aussi bravement que tu te présentes depuis quelques années devant le self check in de Genève-Cointrin. Tu remarques alors qu’il y a peu de places pour poser tes articles, et que c’est emmerdant. C’est bien ce que tu pensais. C’est un truc pour singles anorexiques, au mieux pour les DINKS (Double Income No Kids) du quartier. Ceux là n’ont ni emballage XL de papier cul sous les bras, ni trois kilos de légumes pour faire une soupe propre à remplir cinq estomacs.

Tu te débrouilles pourtant. Tu découvres qu’il faut du doigté. Si tu trembles, la bouteille de Don Pascual sera comptée deux fois. Si tu fais pas gaffe, le papier cul sera précédé du chiffre trois sur l’écran. Et tu auras toutes les peines du monde à déduire ce que la machine aura enregistré. Heureusement qu’on n’achète pas des Rolex au supermarché…

Tu finis par y arriver. Total, choix du mode de payement, impression du ticket….

C’est terminé. Tu as accompli ton premier self check out. Tu t’en vas,  pas peu fier, sous le sourire de la caissière toute joyeuse àl’idée de rejoindre bientôt les milices anti-vol.

Tu te demandes ensuite, tes rouleaux de papier cul sous les bras, pourquoi Passa Bene à la Coop. Et pourquoi Subito à la Migros. Visiblement, deux philosophies s’affrontent s’agissant du self check out….

Tu te demandes aussi ce qu’on va encore te demander de faire tout seul ces prochaines années.

Il va falloir garder son self-control.

Swiss miniature

von Gerhard Meister 25. Februar 2015

Ich sitze im Swiss Miniature auf einem Plastikstuhl. Und die Sonne und der zweifache Celsiusbetrag überfluten mich mit Wellen von Glück. Seit Monaten habe ich das nicht mehr gehabt und hätte es eigentlich noch immer nicht.

Auf der Alpennordseite ist es kalt und trüb, aber zum Glück sind wir Schweizer ja auch auf der anderen Seite der Alpen zuhause und haben für solche Fälle das Tessin, nahe gelegen, wie alles in unserem kleinen Land, und sowohl kulturell als in diesen Tagen vor allem auch klimatisch doch ganz verschieden.

Als Bewohner eines kleinen Landes überblicke ich seine miniaturisierte Abbildung, eine groteske Ballung von Burgen und Schlössern, von der Höhe her vergleichbar mit meinen Kindern, die zwischen ihnen herumrennen.

Eigentlich ist das Swiss Miniature als Grünfläche, auf der das Mittelalter dominiert, eine tolle Parodie auf diejenige Schweiz, von der noch immer einige meinen, es hätte sie einmal gegeben und ihr nun nachtrauern.

Alles ist etwas in die Jahre und herunter gekommen in diesem Swiss Miniature, auch auf dem Flughäflein Zürich-Kloten – eine der spärlich eingestreuten Konzessionen an die moderne Welt – ist die Zeit sichtlich im letzten Jahrhundert stehen geblieben.

Die Zukunft steht in Form einer chinesischen Reisegesellschaft herum.

Ich betrachte, träge und verträumt in der Sonne sitzend, diese Menschen, die so entspannt und selbstverständlich in dieser kleinen Schweiz herumstehen – wie Kolonialherren, fährt es mir plötzlich durch den Sinn. Unsere Zeit liegt hinter uns und sie haben den Laden übernommen.

Sogar für den Rassismus, der zu einer solchen Situation gehört, habe ich plötzlich ein Gespür. Es würde mir nichts nützen, mich in ihre chinesische Mode zu stürzen, mich zu verhalten wie sie, so viel zu leisten wie sie, ein Blick in meine Augen und da wäre schon ihr Gedanke: Aber er ist trotzdem ein Schweizer.

Mittlerweile sitzen auch meine Frau und meine Kinder bei mir, da klickt es in meinem Rücken.

Ich blicke den Chinesen mit seinem Fotoapparat grimmig an. Er lächelt, nicht sehr verlegen und ich kann ihn auch verstehen. Kinder mit blonden Locken, das sieht für Chinesen halt wirklich wunderbar exotisch aus.

Um mich aus der Untermenschenposition herauszuspielen, stelle ich ihn zur Rede: Wie lange seid ihr in Europa unterwegs? Two weeks, ist die Antwort. Zwei Wochen in Europa und davon verbringen die zukünftigen Herren der Welt einen halben Tag im Swiss Miniature.

Ich räkle mich schläfrig in der Sonne.

Weiter geht es mit Tatlin

von Beat Sterchi 18. Februar 2015

Wem passiert es nicht, dass er einer gegebenen Berichterstattung misstraut, dass er beispielsweise nicht genau versteht, was dort passiert im Osten, dort in diesem Land, das man Ukraine nennt, von dem man aber so ein genaues Bild nicht hat im Kopf!

Weil ich persönlich einfach nicht glauben kann, dass dem Lieben Gott wieder mal unterstellt wird, er trenne das Gute und das Böse ganz banal durch genau definierte Grenzen voneinander, war ich plötzlich hell wach, als ich am Radio zufälligerweise eine Stimme hörte, die nicht ins gleiche Horn blies wie alle andern.

Eigentlich brauchen Sie hier nicht weiterzulesen. Ich habe nichts Wesentliches beizufügen, ausser dass es sich lohnt, diese Sendung anzuhören. Zu Wort kommt Nada Boskovska, sie ist Zürcher Professorin für Osteuropäische Geschichte und sie weiss offensichtlich sehr viel und sagt es auch so klar und nachvollziehbar, dass ich mir noch beim Hören vornahm, mit meinen beschränkten Mitteln auf dieses Gespräch aufmerksam zu machen.

Ja, es ist schön zu erleben, dass es Leute gibt, die zu einem bestimmten Thema tatsächlich etwas zu sagen haben, weil sie sich ernsthaft und ausführlich damit befassen.

Und was ist mit Tatlin?

Tatlin war Seefahrer, ein grossartiger Künstler der Avantgarde, der einen Turm bauen wollte, 100 Meter höher als der Eifelturm! Und ja, auch er war Russe!

Öffnen, nicht schliessen!

von Guy Krneta 11. Februar 2015

Vor drei Jahren provozierte Pius Knüsel, damals noch Direktor der Pro Helvetia, mit einer Streitschrift namens «Kulturinfarkt». Die «Halbierung der kulturellen Infrastruktur» forderte er medienwirksam.

Im Buch selber wurde die Forderung dann allerdings kaum weiter vertieft. Knüsel und seine drei Co-Autoren legten ein Sammelsurium an halbgaren Ideen vor, mit der gedanklichen Schärfe eines offenen Blogs. Man bestätigte sich gegenseitig im dünkelhaften Blick auf die Kultur und reihte wenig passende Beispiele aneinander.

In der «Schweiz am Sonntag» vom 8. Februar wiederholt Knüsel seine These vom bevorstehenden «Kulturinfarkt». Aufhänger ist ihm diesmal die vom «Tages-Anzeiger» aufgebrachte Forderung nach einer Schliessung des Zürcher Neumarkt Theaters. Die bis vor kurzem hippe Bühne hat seit einer Spielzeit eine erfolglose neue Leitung.

Erinnern wir uns: Mitte der Neunzigerjahre sollte die Bühne nach einer unscheinbaren Intendanz ebenfalls geschlossen werden. Die Schliessung konnte haarscharf verhindert werden. Unmittelbar darauf folgten die goldenen Jahre unter Volker Hesse und Stefan Müller. So unberechenbar kann die Kunst gelegentlich sein. Aber mit geschlossenen Bühnen erlebt man keine Wunder mehr.

Knüsel interessiert sich nicht fürs Neumarkt Theater, er posiert als Querdenker und liebäugelt mit Schliessungen in Zürich, Olten, Bern und Winterthur. Doch nicht den «kulturellen Schlüsseleinrichtungen» will er an den Kragen, deren «Urteil» für ihn «Gewicht hat» und die er als Träger «der Tradition in die Zukunft» sieht. Seinen Argwohn ziehen die kleinen und mittleren Institutionen auf sich, das «institutionelle Mittelfeld», wie Rote Fabrik, Kunsthalle Bern und Kunstmuseum Olten.

Dabei machen genau solche Institutionen die Vielfalt und kulturelle Attraktivität auch kleinerer Städte in der Schweiz aus. Dass ausgerechnet sie der Frankenstärke und Hans-Rudolf Merzens Unternehmenssteuerreform II geopfert werden sollen, ist zynisch.

Und Knüsels Behauptung (im «Kulturinfarkt»), dass es «von allem zu viel und überall das Gleiche» gäbe, hat die Substanz von Partygebäck.

Nicht an «Demokratisierung» krankt unsere Kunst, sondern an der lückenlosen Ausdefinierung des hintersten Winkels, der international ausgerichteten Kuratierung von einst erkämpftem Freiraum.

Knüsel schreibt: «Wir sind am Punkt, wo jedem sein Theater oder seine Kunsthalle zusteht». Tatsächlich sind wir am Punkt, wo Generationen von Kunstschaffenden von Kunsthallen und Theatern ausgeschlossen bleiben – jedenfalls die längste Zeit ihres Schaffens. Und wo sie kaum noch Möglichkeiten haben, neue Kunsthallen und Theater zu gründen.

Nicht geschlossen werden sollen die bestehenden Institutionen, im Gegenteil: Strukturell geöffnet.