Öffnen, nicht schliessen!

von Guy Krneta 11. Februar 2015

Vor drei Jahren provozierte Pius Knüsel, damals noch Direktor der Pro Helvetia, mit einer Streitschrift namens «Kulturinfarkt». Die «Halbierung der kulturellen Infrastruktur» forderte er medienwirksam.

Im Buch selber wurde die Forderung dann allerdings kaum weiter vertieft. Knüsel und seine drei Co-Autoren legten ein Sammelsurium an halbgaren Ideen vor, mit der gedanklichen Schärfe eines offenen Blogs. Man bestätigte sich gegenseitig im dünkelhaften Blick auf die Kultur und reihte wenig passende Beispiele aneinander.

In der «Schweiz am Sonntag» vom 8. Februar wiederholt Knüsel seine These vom bevorstehenden «Kulturinfarkt». Aufhänger ist ihm diesmal die vom «Tages-Anzeiger» aufgebrachte Forderung nach einer Schliessung des Zürcher Neumarkt Theaters. Die bis vor kurzem hippe Bühne hat seit einer Spielzeit eine erfolglose neue Leitung.

Erinnern wir uns: Mitte der Neunzigerjahre sollte die Bühne nach einer unscheinbaren Intendanz ebenfalls geschlossen werden. Die Schliessung konnte haarscharf verhindert werden. Unmittelbar darauf folgten die goldenen Jahre unter Volker Hesse und Stefan Müller. So unberechenbar kann die Kunst gelegentlich sein. Aber mit geschlossenen Bühnen erlebt man keine Wunder mehr.

Knüsel interessiert sich nicht fürs Neumarkt Theater, er posiert als Querdenker und liebäugelt mit Schliessungen in Zürich, Olten, Bern und Winterthur. Doch nicht den «kulturellen Schlüsseleinrichtungen» will er an den Kragen, deren «Urteil» für ihn «Gewicht hat» und die er als Träger «der Tradition in die Zukunft» sieht. Seinen Argwohn ziehen die kleinen und mittleren Institutionen auf sich, das «institutionelle Mittelfeld», wie Rote Fabrik, Kunsthalle Bern und Kunstmuseum Olten.

Dabei machen genau solche Institutionen die Vielfalt und kulturelle Attraktivität auch kleinerer Städte in der Schweiz aus. Dass ausgerechnet sie der Frankenstärke und Hans-Rudolf Merzens Unternehmenssteuerreform II geopfert werden sollen, ist zynisch.

Und Knüsels Behauptung (im «Kulturinfarkt»), dass es «von allem zu viel und überall das Gleiche» gäbe, hat die Substanz von Partygebäck.

Nicht an «Demokratisierung» krankt unsere Kunst, sondern an der lückenlosen Ausdefinierung des hintersten Winkels, der international ausgerichteten Kuratierung von einst erkämpftem Freiraum.

Knüsel schreibt: «Wir sind am Punkt, wo jedem sein Theater oder seine Kunsthalle zusteht». Tatsächlich sind wir am Punkt, wo Generationen von Kunstschaffenden von Kunsthallen und Theatern ausgeschlossen bleiben – jedenfalls die längste Zeit ihres Schaffens. Und wo sie kaum noch Möglichkeiten haben, neue Kunsthallen und Theater zu gründen.

Nicht geschlossen werden sollen die bestehenden Institutionen, im Gegenteil: Strukturell geöffnet.