Soundcheck

Fabio hört: Eddie’s Tape Side B

von Fabio Lang 9. Juli 2025

Musik Edb bringt mit EDDIE’S TAPE SIDE B den nächsten Beweis, dass er mehr ist als nur ein One-Hit-Wonder der Mundartszene, findet Kolumnist Fabio Lang. Zwischen tanzbaren Popmomenten und ruhigen Tiefgängen schaffe er es, Emotionen zu wecken – und bleibt dabei immer er selbst.

Nach EDDIE’S TAPE SIDE A folgt nun – wenig überraschend – die B-Seite. Aber welche ist die stärkere? Schwer zu sagen. Wenn ich müsste, würde ich sagen: Kauf die Platte. Beide Seiten gehören zusammen – Punkt.

Gefühl trifft Ohrwurm

Schon beim ersten Hören wird klar: Edb bleibt sich treu. Die Songs auf der B-Seite sind ehrlich, eingängig und poppig – drei Begriffe, die den Sound perfekt umschreiben. Egal ob der tanzbare Opener «Bärn u nid Berlin» oder das ruhigere «Nie Gnue» – hier findet sich ein Track für jede Stimmung. Was beim Hören sofort auffällt: Die Melodien sind so fesselnd, dass ich beim Schreiben automatisch mit dem Kopf mitwippe.

Doch wer Edb nur auf seinen musikalischen Stil reduziert, verpasst viel. Denn da ist noch diese sprachliche Eleganz, die fast beiläufig mitschwingt. In «Dankeschön<3» etwa wechselt Edb souverän zwischen gesungenen Hooks und fast schon gerappten Passagen. Die Texte wirken schlicht – aber sind präzise gesetzt. Es ist diese Mischung aus Leichtigkeit und Tiefgang, die ihn von vielen anderen unterscheidet.

(Foto: Moritz von Bergen)

Edb schafft es, mit einfachen Worten ganze Welten zu zeichnen. Zeilen wie «Sächsi am Morge früeh i ma ni uf» lassen einen schmunzeln – weil man sich ertappt fühlt. Oder diese hier: «Gib mer 100 Millione u i mache 1000 drus» –
eine meiner Lieblingszeilen auf dem Tape. Wortgewandt, selbstbewusst und charmant überzeichnet. Genau solche Momente machen ihn zu einem gern gehörten Gast auf Raptracks – wie auf «ZIT» mit Manillio oder dem butterweichen «Duvet» mit Jule X.

Mehr als nur Musik

Was von diesem Tape bleibt? Vor allem ein Gefühl. Denn Edb macht nicht einfach Musik, er erzeugt Emotionen. Er bringt mich zum Nachdenken, zum Tanzen – und manchmal sogar zum Lachen. Genau diese Mischung macht ihn so faszinierend.

Auch live ist Edb ein Erlebnis: Seine Stimme wirkt auf der Bühne noch direkter, seine Energie springt aufs Publikum über. Und zwischen den Songs glänzt er mit Humor und Spontaneität – eine Qualität, die man nicht lernen kann. Die hat man. Oder eben nicht.

Edb hat sie. Und zwar auf beiden Seiten.

Fabio hört: das neue Baze-Album

von Fabio Lang 3. Juni 2025

Musik Mit «Brot» liefert der Berner Rapper ein persönliches und gesellschaftskritisches Album.

Fabio hört in seinem neusten Blog «Brot» – so heisst das neue Album von Baze. Ein Titel, der bewusst offen bleibt. Brot als etwas Alltägliches, Essentielles – etwas für alle. So beschreibt es Baze auch in mehreren Interviews. Musikalisch ist das Album klar im Rap/Hip-Hop verankert, doch die Produktionen von Ben Mühlethaler setzen sich ab: teils verspielt mit Synthesizern, teils ruhig, manchmal schlicht brachial.

Baze bewegt sich souverän auf diesen zehn Tracks, mit präzisen Alltagsbeobachtungen, Gesellschaftskritik, Gesangseinlagen und persönlichen Geschichten. Kein Hit-Schema, kein Einheitsbrei – «Brot» ist ein Statement.

Im Gespräch mit Baze

Fabio: Ich hasse trockenes Brot, Baze. Hast du einen Tipp dagegen?

Baze: Wenn es dir zu trocken ist, kannst du ein bisschen Wasser draufträufeln und es nochmals in den Backofen schmeissen – dann wird es wieder crispy. Aber ja nicht zu viel Wasser!

Fabio: Du erzählst auf diesem Album keine klassischen Geschichten, sondern lebst von kleinen Beobachtungen. Wie gefällt dir diese Rolle?

Baze: Ich war einfach in diesem Film. Für mich fühlt sich das nicht nach einer neuen Rolle an – es hat sich einfach richtig angefühlt. Mir ist wichtig, dass ein Album stringent ist. Wie ein Kurzfilm.

Fabio: Es klingt nach Mensch – nicht nach Hit. War das Absicht?

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Baze: Ich wollte das Album genau so. Ich habe schon bei «Gott» mit Ben zusammengearbeitet, das war sphärischer und ruhiger. Ich bin ein Anti-Mensch – wenn alle in eine Richtung gehen, geh ich in die andere. Vieles ist heute so perfektioniert, ich wollte von Anfang an, dass es ein bisschen dreckig klingt.

Fabio: «Brot» ist deine bisher beste Solo-Chartplatzierung (Platz 3, KW20). Hättest du das erwartet?

Baze: Keine Ahnung. Wäre ich auf Platz 1 gelandet, hätte ich mich einen Tag gefreut. Aber das ist doch eine falsche Bewertung von Musik. In gewissen Wochen reichen 100 verkaufte Vinyls. Ben hat mir noch gesagt, dass in der gleichen Woche ein neues Linkin-Park-Album rauskam. Ich hasse die Band (lacht). Ich habe mich gefreut, dass wir vor ihnen waren.

Fabio: Ich höre viel Dringlichkeit. Hat sich etwas angestaut in den letzten Jahren?

Baze: Wenn ich unsere Welt anschaue – vor allem unsere westliche Wohlstandswelt – sehe ich nur noch: sich gegenseitig zerfleischen. Für alles brauchst du eine Haltung. Ich hab meine. Aber ich spreche nicht über Dinge, die ich nicht selbst erlebt habe. Deshalb geht’s in meinem Album nicht um grosse Weltthemen. Hip-Hop war für mich immer: Du kannst es jemandem auf der ganzen Welt zeigen, ohne dass er denkt, du erzählst ihm, was er fühlen soll.

Fabio: Du rappst: «Moral isch gratis poste en Story.» Wie sollte man denn globale Themen ansprechen?

Baze: Vielleicht muss man akzeptieren, dass man gewisse Dinge nicht ändern kann – aber dort, wo man ist, sollte man etwas tun. Wenn du in der Schweiz lebst, solltest du dich hier engagieren: gegen Waffenexporte, gegen Firmen, die Mist bauen. Ich glaube an ein einfaches Prinzip: sozial handeln in deinem Umfeld. Kein mutwilliges Leid, Respekt gegenüber anderen, Rücksicht auf Schwächere. Zivilcourage. Ein Miteinander. Aber ganz ehrlich: Wir könnten in 200 Jahren wieder über dieselben Dinge sprechen – ich glaube, der Mensch will sich gar nicht ändern.

Fabio hört: Bern Block am cypher25

von Fabio Lang 8. Mai 2025

Musik Für viele ist das Bounce Cypher die grösste Bühne, welche die Schweizer Rap-Landschaft zu bieten hat. Auch dieses Jahr reiste ein starker Berner Block an. Und dieser hatte es in sich.

Am 10. April 2025 fand im Studio des SRF in Zürich die diesjährige Bounce Cypher statt – eine Institution im Schweizer Rap-Kalender. Eingeladen werden Rapper*innen aus der ganzen Schweiz, die jeweils einen exklusiven Part performen – live und unter hohem Erwartungsdruck.

Der diesjährige Berner Block umfasste 16 Rapper*innen. Zwei besonders bekannte Namen, Lo (Lo & Leduc) und Baze, trafen frühzeitig ein – beide hatten noch Termine am Abend. Überraschend: Für Baze war es die erste Bounce Cypher überhaupt. Beide lieferten beeindruckende Beiträge. Lo überzeugte mit gesellschaftskritischem Text über strukturelle Privilegien. Baze brachte starke Punchlines und Storytelling aus vergangenen Tagen: «Wo üsi Clubs gsi sind, steit hüt en scheiss Coop Pronto.»

Gib mr 100 Jahr, sie male Jesus mitem Afro.

Um 20:43 Uhr beginnt der Bern Block – mit einem Paukenschlag. Nemo steht am Mikrofon. 2016 war Nemo bereits Teil der Cypher, nun – neun Jahre und einen ESC-Sieg später – kehrt Nemo zurück. In einem lyrischen Interview mit Soukey räumt Nemo mit Gerüchten auf und liefert eine der stärksten Performances des Abends: pointiert, energiegeladen, tiefgründig. Auf Nemo folgt Soukey selbst, die mit ihrer Mischung aus Punchlines, Gesellschaftskritik und technischer Finesse überzeugt: «Gib mr 100 Jahr, sie male Jesus mitem Afro.»

Die Vokuhila-Mafia auf E-Roller

Während einige etablierte Namen im Bern Block wenig überraschten, überzeugten dafür neue Stimmen umso mehr: Blanco und Cosmo12. Blanco brachte mit seinem klassischen Representer-Part und emotionalem Tiefgang das Publikum zum Nachdenken. Besonders sein zweiter Part war bewegend: «Für mi isch klar gsi, i lebe no, wiu mini Eltere immer si da gsi.»

Cosmo12 hingegen zeigte, dass Strassenrap nicht plump sein muss. Mit technischem Können, Wortwitz und Präsenz rappte er sich in den Fokus: «Mr lebe churz und sterbe lang.»

Für mi isch klar gsi, i lebe no wiu mini Eltere immer si da gsi.

Nochmals zurück zu Blanco, der mit seinem 2. Part die meisten berührt haben sollte. Er spricht darin über das Erwachsenwerden, über dunkle Zeiten im Leben: «Für mi isch klar gsi, i lebe no wiu mini Eltere immer si da gsi.» Ja es wird noch tiefer, keine Angst – spätestens nach der letzten Zeile hatte ich Tränen in den Augen: «Figg die Wäut i ha müesse mi Sohn lah gah, i weiss er isch etz dobe bi mim grosse Brüetsch.»

Der Bern Block findet sein Ende mit der Vokuhila-Mafia (Astro Burger, Anru & Jule X). Die sich einen kleinen Spass erlaubten, und mit E-Roller ins Studio gedüst sind und diese danach so liegen gelassen haben. Nun zum Inhalt dieser Drei. Wir kennen Jule X und Anru am Cypher, für Astro Burger war es jedoch eine Premiere, bei der er beweisen konnte, dass er auf Augenhöhe mit Anru und Jule X mitrappen kann. Die Drei kamen wie gewohnt mit lustigen Wortspielen, ein paar Seitenhieben und tanzbaren Beats.

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Der Bern Block an der cypher25 war stark, vielseitig und voller Überraschungen – insbesondere durch den Auftritt von Nemo und die emotionalen Tiefen von Blanco. Was jedoch fehlte, war ein Vertreter von Eldorado FM sowie mehr Präsenz von FINTA-Personen. Für die Zukunft bleibt der Wunsch nach mehr Diversität – inhaltlich wie personell – damit der Bern Block weiterhin ein Spiegel der Vielfalt der Stadt bleibt.

Teilnehmende des Bern Block:
Lo, Baze, Nemo, Soukey, Nativ, Casha (ETO), Z The Freshman, Cinnay, Riddler, Blanco, Cosmo12, Midas, Prijo, TJore, BWest, Astro Burger, Anru, Jule X.

Fabio hört: Soukeys Debütalbum «Bijoux»

von Fabio Lang 28. März 2025

Musik Ein Album wie ein Schmuckstück: Heute erscheint das Debüt der Berner Musikerin Soukey. «Bijoux» glänzt mit klugen Texten und innovativer Produktion.

Es ist Freitag, der 28. März 2025, und Soukeys Debütalbum ist endlich da!

21 Minuten Musik, sieben Songs, zwei Interludes, zwei Features. Die Perspektive einer jungen, queeren BIPoC-Künstlerin auf einer Soundreise, die abwechslungsreich, aber nie ziellos ist.

Produziert wurde das Album komplett von Dashcam Devi (ehemals Artbabe), einer festen Grösse in der Szene. Niketaz und Michel Demello haben Co-Produktionen beigesteuert. Das spürt man: Jeder Track hat seinen eigenen Charakter, doch zusammen ergeben sie ein stimmiges Gesamtbild.

Es ist Samstag, 01:20 Uhr. Ich sitze im Zug von Luzern nach Bern und bekomme den Link zum Album. Ich denke mir, ich höre kurz rein – und bleibe dran hängen.

Der Opener «Bijoux» leitet direkt über in «Cry Cry Cry». Ein Track, der von Anfang an mit seinem Drive mitreisst. Soukeys Stärke für Melodien zeigt sich hier besonders: eingängig, aber nicht plump.

«Ig denk ah di, doch es wird weniger.» So beginnt «Weniger», ein Song über den schleichenden Prozess des Loslassens. Der Beat ist reduziert, Auto-Tune gibt den Vocals eine kühle Distanz, die perfekt zum Thema passt. Der Refrain bleibt hängen: «Vergiss di nie, Love, vergiss di niemaus.»

Autobiografisch? Vielleicht. «Auf eine Art und Weise ist es schon sehr persönlich», sagt Soukey, «ich gebe aber nichts von mir preis. Ich erzähle nicht, dass ich mich von Person xy getrennt habe oder in einer Beziehung bin. Was es aber nahbar macht, ist, dass es Mundart ist.»

I bi en Motte ih dim Liecht, du en Fuchs ih mim Näscht

Die Songs sind nicht nur thematisch, sondern auch musikalisch miteinander verknüpft. In «Weniger» gibt es eine Anspielung auf «Schlüssu»: «Ja, i bruch di, doch ha nümme de Schlüssu.» Solche Details zeigen, wie durchdacht das Album konzipiert ist.

Mit «Schlüssu» bleibt das Album beim Thema Verlust. «I ha ke Schlüssu meh, du machsch mr ging no uf.» Eine Textzeile, die wohl viele kennen, die in einer komplizierten «Situationship» feststecken. «Backseat» greift diese Dynamik nochmal auf, bevor die Stimmung mit einem tanzbaren Beat etwas leichter wird.

Ein spannender Moment kommt mit dem Feature von Dashcam Devi. Dass die Produzent:in auch als Gastsänger:in auftritt, ist eher ungewöhnlich, macht hier aber absolut Sinn. «I bi en Motte ih dim Liecht, du en Fuchs ih mim Näscht» – Soukey und Dashcam Devi spielen gekonnt mit Wortbildern und ergänzen sich perfekt.

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«Skylines» mit Pronto, einem über die Schweiz hinaus erfolgreichen Solothurner Rapper, hat eine besondere Entstehungsgeschichte. «Wir sassen im Studio mit Dashcam Devi und haben an der Songskizze gearbeitet. Dann dachten wir uns: Wie geil wäre es, wenn Pronto auf diesen Song kommen würde? Also habe ich die Skizze einem Freund von Pronto geschickt und gefragt, ob er sie weiterleiten kann. Und dann – dann habe ich plötzlich ein Demo von Pronto bekommen. Was krass ist, weil die Idee eigentlich nur aus einem Witz heraus entstand.» Das Feature funktioniert. Soukey hält mit Pronto mit und steht ihm in nichts nach.

Das Album schliesst mit «Angst». «I ha angst, angst, angst, angst.» Ein starker Abschluss, der die Hörer*innen mit einer gewissen Nachdenklichkeit entlässt. Die Produktion ist bewusst reduziert, um den Fokus auf die Lyrics zu lenken.

Fazit: «Bijoux» ist ein beeindruckendes Debüt. Die Produktion ist hochwertig, die Texte sind reflektiert, und Soukeys Stimme fängt einen sofort ein. Besonders spannend ist die Verknüpfung der Songs untereinander – kleine Details, die das Album zu einem in sich geschlossenen Werk machen.

Eines ist klar: Soukey setzt mit ‹Bijoux› einen hohen Standard.

Wenn man einen Kritikpunkt sucht, dann vielleicht den: Zwei Interludes auf so einer kurzen Laufzeit nehmen Platz weg, der für weitere Songs hätte genutzt werden können. Dadurch wirkt das Album stellenweise mehr wie eine EP. Aber vielleicht ist das auch einfach Jammern auf hohem Niveau.

Ob es das beste Debütalbum des Jahres ist? Das wird sich zeigen. Aber eines ist klar: Soukey setzt mit «Bijoux» einen hohen Standard.