Tausend fremde Gehirne in meinem Kopf

von Lea Schlenker 7. August 2025

Lea liest Lea Schlenker stellt monatlich drei ihrer Lieblingsbücher vor. Diesen Monat teilt sie mit Bern die EM-Euphorie und mit Jorge Luis Borges die Leidenschaft fürs Lesen. Und sie entdeckt eine neue Autorin, von der sie bisher viel gehört, aber nichts gelesen hatte.

«Das Recht zu kicken», Marianne Meier und Monika Hofmann

Wer zuvor noch nie von dem Begriff «Frauenfussball» gehört hat, wird spätestens diesen Sommer durch die EM-Euphorie (auch in Bern!!!) das eine oder andere davon mitbekommen haben. Ich gehe aber davon aus, dass die meisten von euch schon einmal in irgendeiner Form damit konfrontiert wurden, vermutlich auch mit den unschönen Stereotypen, die damit verbunden sind. Jenen, die sich mit dem Thema auf eine vertiefte und klischeebefreite Art und Weise auseinandersetzen möchte, kann ich das Buch «Das Recht zu kicken – die Geschichte des Schweizer Frauenfussballs» von Marianne Meier und Monika Hofmann empfehlen.

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Die Geschichte beginnt in den 1920er-Jahren, es werden rechtliche Grundlagen thematisiert und internationale Zusammenhänge aufgezeigt. Spannend auch, dass sehr lange die sportliche Betätigung der Frau als unästhetisch und daher unangemessen wahrgenommen wurde. Sie sollen sich zwar bewegen dürfen, aber bitte möglichst bedeckt und ohne gross ins Schwitzen zu kommen. Zur Vernissage des Buches hat Journal B übrigens schon berichtet, und zwar hier.

«Stehlen, Schimpfen, Spielen», Barbi Marković

Ich habe den Namen von Barbi Marković immer mal wieder irgendwo gehört, ohne bisher ein Buch von ihr gelesen zu haben. Nun bin ich ausgesprochen glücklich, dass ich das endlich nachgeholt habe. Ich habe mir als Erstes ihr Buch «Stehlen, Schimpfen, Spielen» ausgesucht, das dieses Jahr erschienen ist. Sie beschreibt auf humorvolle Art und Weise den Countdown bis zur ihrer nächsten Lesung und die Arbeit, die bis dahin nicht erledigt werden muss und driftet dabei ab in Anekdoten über das vermeintliche Stehlen von fremden Worten, Übersetzungsarbeiten und das Spielen mit Literatur. Ich liebe ihre Beschreibungen in diesem Buch, davon, wie es ist, unter Druck schreiben zu müssen. Dazu gehört auch, die Qualität der eigenen Arbeit immer wieder neu einschätzen und dabei durch Höhen und Tiefen gehen zu müssen. Auch für alle Nicht-Schreiber*innen eine Lektüre wert.

«Lesen ist Denken mit fremdem Gehirn», Jorge Luis Borges

Das Lesen ist, wie hier in dieser Kolumne vermutlich nicht besonders überrascht, eine meiner grössten Leidenschaften. Und was ich am meisten liebe, ist es darüber zu lesen, wie andere Autor*innen über das Lesen und ihre Liebe zu den Büchern nachdenken. Da bin ich bei Jorge Luis Borges natürlich bestens bedient.

Das Buch sorgt dafür, dass ich noch weitere tausend fremde Gehirne in meinem Kopf haben möchte.

Der argentinische Autor, Dichter, Übersetzer und Bibliothekar war ebenfalls ein leidenschaftlicher Leser und gewährt im Buch «Lesen ist Denken mit fremdem Gehirn» einen Einblick in eben diese Passion. In Gesprächen mit Osvaldo Ferrari erzählt er von seinem literarischen Universum, den Bibliotheken in seinem Leben und teilt seine Gedanken zum Tod und dem Prozess des Sterbens. Das Buch sorgt dafür, dass ich noch weitere tausend fremde Gehirne in meinem Kopf haben möchte. Dazu gehört auch das von Jorge Luis Borges, der zwar 1986 verstorben ist, aber durch seine Geschichten und Gedanken in den Köpfen seiner Leser*innen für immer weiterlebt.

Mehr zu Lea Schlenker erfährst du hier.