Spanien

von Beat Sterchi 10. Juli 2025

Hier und heute Unser Kolumnist weilt wieder in Spanien und macht sich Gedanken zu Tourismus, parteipolitischem Gezänk und einer Hochzeit in Venedig.

Hier und Heute, steht über dieser Kolumne, wobei «Hier» ist jetzt wieder ein kleines Bergdorf in Spanien und «Heute» ist einer der heissen Tage in diesem Juni, der voraussichtlich alle Temperaturrekorde brechen wird, aber allen, die möglicherweise eine Spanienreise planen, kann ich versichern, die Spanier und die Spanierinnen sind mehrheitlich weiter gut drauf und lassen sich von dem ziemlich widrigen Kapriolen der spanischen Politik ihre Lebensfreude nicht vermiesen und wenn auch hier alles teurer wird, Kaffee und Bier kosten noch immer nicht halb so viel wie in Bern.

Auch dürfte es sich herumgesprochen haben, dass sich vielerorts Widerstand gegen den Massentourismus formiert. Wer die Auswüchse davon in Barcelona oder auf einer der Inseln selbst erlebt hat, wird das nicht erstaunen. Trotzdem werden aber auch in diesem Sommer wieder um die 100 Millionen Menschen hier ihr Ferienglück zu finden versuchen.

Sicher ist, in Spanien geht die Uhr oft vor, manchmal hinkt sie aber auch nach

Ob es vorgezogene Wahlen geben wird, ist zur Zeit noch unklar, was aber gegenwärtig an Korruption, Intrigen und entsprechendem parteipolitischem Gezänk abgeht, ist weiterhin eigentlich einfach zum Fremdschämen und verhindert die wirklich notwendigen sachpolitischen Diskussionen.

Trotzdem sind die Verdienste der Regierung von Pedro Sanchez beachtlich, schon allein, dass sich der Konflikt zwischen Madrid und Katalonien entschärft hat, tut, auch wenn das die Opposition nicht wahrhaben will, dem ganzen Land sehr gut. Und darauf, dass Präsident Sanchez als einziger in der Nato die 5% für die Aufrüstung ablehnt, ist man in informierten Kreisen stolz, besonders auch weil es diesen einen Amerikaner dort in Washington zwingt, seine geschminkte Visage zu besonders grimmigen Grimassen zu verziehen.

Sicher ist, in Spanien geht die Uhr oft vor, manchmal hinkt sie aber auch nach. Weil Offroader jetzt auch hier im Aufwind sind, sickert es nun mit reichlicher Verzögerung ins öffentliche Bewusstsein, dass diese überdimensionierten Autos nicht nur ein ökologischer Unsinn, sondern wegen ihrer Wucht für alle andern auf der Strasse überhaupt kein Geschenk sind. Ziemlich bezeichnend ist auch die Tatsache, dass ein Nachbar neulich nicht verstand, was ich meinte, als er mir ein Werkzeugschnäppchen empfahl und ich sagte, ich würde bei  Amazon nichts kaufen. Ich hätte auch noch sagen können, das ist Freiheit, zu entscheiden, auf welchen Haufen ich mein Geld werfen will, das hätte er aber auch nicht verstanden.

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Auffallend ist auch, wie nur ein halbes Jahr nach den katastrophalen Unwetter im letzten Herbst, in welchem mehr als zweihundert Menschen ums Leben kamen, jetzt seitenweise über die anstehende Flughafenerweiterung in Barcelona geschrieben wird, ohne auch nur irgendwo in einem Nebensatz klimatechnische Konsequenzen zu erwähnen. Dabei soll der neue Hub fast doppelt so gross werden und vor allem das Angebot an Flügen nach China vervielfachen. Als ich diesen Umstand einem Freund gegenüber erwähnte, sagte der: Claro, es gehe eh immer nur um’s Geld, weil die, die viel haben, noch mehr davon wollen.

Um Geld geht es auch bei dieser Hochzeit in Venedig, von der ich gelesen habe und ich mich fragte, wie so etwas durchgehen kann. Da stellt sich einer einfach über die Interessen einer ganzen Stadt, als lebten wir noch in einer feudalistischen Welt. Ich habe dann auch die Liste der Gäste durchgesehen und ich werde es in Zukunft nach Möglichkeit vermeiden, diese Höflinge auch nur im geringsten Mass mit meiner Aufmerksamkeit zu beehren. Obschon mir dies im Fall von Lady Gaga doch sehr leid tut. Wer sie im Film House of Guccy gesehen hat, wird dies verstehen, denn das ist vielleicht eine Nummer.