Käfer

von Beat Sterchi 25. Juli 2024

Hier und Heute Unser Kolumnist freut sich für die spanische Fussballmannschaft und hofft, dass der Kartoffelkäfer nicht seine sowieso schon kleine Ernte auffrisst.

Gegensätze und Widersprüche überall. Manchmal sind sie kaum auszuhalten. Aber alles hat mit allem zu tun. Das ist es auch, was meinen spanischen Gemüsegarten mit Bern verbindet. Wegen der hier anhaltenden Dürre träume ich oft vom Rauschen der Aare. Und ich lese, dass in der Schweiz die Kartoffeln wegen der Nässe zu verfaulen drohen, während sie hier nicht wie üblich pfundschwer werden, sogar eher klein bleiben.

Wegen der hier anhaltenden Dürre träume ich oft vom Rauschen der Aare.

Wäre ich aber selbst eine Kartoffel, würde ich bei aller Trockenheit dennoch am liebsten in meinem eigenen Gemüsegarten hausen. Hier ist die Luft so rein und fein, es gibt keinen Lärm, keine nennenswerte Strasse weit und breit. Nur ab und zu ein schlecht erzogener, freilaufender Hund. Aber Hausrotschwanz und Amsel schauen vorbei und auch bei der grossen Hitze hätte ich ein kühles Beet im Schatten hoher Pappeln, wo die Eichhörnchen über ihre Astbrücken rasen und besonders morgens auf allen Etagen wilde Verfolgungsrennen veranstalten oder sonst herumturnen wie Akrobaten.

Wäre ich eine Kartoffel in meinem eigenen Garten, würde mir auch kein Gift zugemutet werden, was allerdings auch dazu führen kann, dass sich der Kartoffelkäfer breit macht. Er selbst ist ja eigentlich ein hübscher Kerl von einem Käfer, aber seine Larven sind eher «gruusig». Das behauptete zumindest meine Tochter, die sich anerboten hatte, beim Einsammeln dieser Schädlinge zu helfen. Aber als sie die roten, dicken Larven gesehen hatte, wollte sie diese nicht anfassen und zog ihr Angebot zurück.

Um das wenige Wasser zum Bewässern, das die Quelle noch hergibt, wird mittlerweile manchmal gestritten.

Weil ich aber meinen kleinen Beitrag zur Welternährung weiter leisten will, habe ich nicht nur immer wieder alle Käfer und alle Larven, die ich sah, eingesammelt, ich habe auch Kaffeesatz getrocknet und das Pulver über die Blätter der Kartoffelstauden gestreut. Wegen des blöden Käfers gab es leider auch weniger Blumen. Bekanntlich sind Kartoffelblumen so schön, dass sie zum Beispiel in Mexiko verehrt werden. Schaut man diese wunderbaren Blüten genau an, muss man wirklich an die Bilder von Gioria O’Keeffe denken.

Um das wenige Wasser zum Bewässern, das die Quelle noch hergibt, wird mittlerweile manchmal gestritten. Nicht heftig, aber doch so, dass man sich bei der Redensart «jemandem das Wasser abgraben» wieder auf ihre unsprünglich Bedeutung besinnt.

Korrupt sind sowieso immer nur die andern.

Was die grosse spanische Welt jenseits meines kleinen Gartens betrifft, gilt es Hitzewellen, extreme Waldbrandgefahr und einen anhaltenden und langweiligen Stillstand in der Politik zu vermelden. Anstatt sich um die Probleme des Landes zu kümmern, verheddern sich in Madrid alle in gegenseitigen Beschuldigungen. Eigentlich eher langweilig zu verfolgen, wer welchen Skandal aufgedeckt hat. Korrupt sind sowieso immer nur die andern.

Aber landesweit freut man sich über die jungen, sympathischen Fussballer, die Europameister wurden und die dem Land einen Spiegel vorhalten. Noch vor wenigen Jahren kam es vor, dass mich Freunde bei einem Spiel am Fernsehen gegen die Schweiz fragten, ob der und der Spieler wirklich Schweizer sei. Spätestens jetzt werden Spanier und Spanierinnen gezwungen, wahrzunehmen, dass sie auch ein Einwanderungsland sind und dass es gilt, den in der Öffentlichkeit kaum sichtbaren Teilen der Gesellschaft jene Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die ihnen gebührt und die ihnen auch zusteht. Und zwar nicht nur dann, wenn sie für Spanien schöne Tore schiessen