Kommentar: Welcher gordische Knoten?

von Christoph Reichenau 21. Juli 2021

Herr Wyss scheint befriedigt, unser Autor nicht. Die Pläne rund um die Erweiterung des Kunstmuseums lassen viele Fragen offen.

«Die Stiftung Kunstmuseum Bern und der Gemeinderat der Stadt Bern haben verschiedene Grundsatzentscheide für die weitere Planung des neuen Kunstmuseums und die Aufwertung der oberen Altstadt gefällt. Gerne informieren wir Sie.» So war die Einladung zur Medienkonferenz formuliert. Seit Frühjahr 2018 liegt eine Machbarkeitsstudie vor. Die Experten empfehlen einen baulichen Dreiklang: Stettlerbau, Ersatzneubau für den Trakt des Ateliers 5 und Einbezug des Nachbargebäudes Hodlerstrasse 6 sowie die Aufwertung der Umgebung mit Neugestaltung der Hodlerstrasse und einem Fussweg an der Hangkante zum Aaretal. Dies wurde an Workshops diskutiert, es gab drei Podiumsgespräche vor Publikum im Mai/Juni 2019. Seitdem blieb eine substantielle Kommunikation aus. Auf die zentralen Fragen blieben Antworten aus: Wofür genau soll das Museum erneuert und ausgebaut werden? Welchem Zweck dient der zusätzliche Raum? Was dürfen wir erwarten von einem Projekt, das 90 Millionen Franken kostet? Wie sehen die Betriebskosten aus?

Anderthalb Jahre später nun diese Medienkonferenz mit viel Aufgewärmtem, einigem Planungsbrimborium und – hart geurteilt – kaum Neuem. Der bauliche Dreiklang wird bekräftigt, die Aufwertung der Umgebung bestätigt, die Kostenschätzung durch ein Kostendach mit Risikoabdeckung erhärtet. Man landet plusminus bei den bekannten Kosten. Sachlich neu sind lediglich zwei Punkte: Man weiss jetzt, wohin die Ausfahrt aus dem Metro Parking verlegt werden soll, und der Finanzbeitrag von Herrn Hansjörg Wyss ist präzisiert, wenn auch nicht rechtsverbindlich zugesichert. Und auch dieser Beitrag wirft Fragen auf: Wenn Wyss über die seit langem bekannten 20 Millionen an die KMB-Erweiterung hinaus weitere 5 Mio in Aussicht stellt für den Fall, dass der Stiftungsrat von Privaten 7,5 Mio (von benötigten 15 Mio) einwirbt – was ist mit den fehlenden 7,5 Mio?

Braucht es das Zusammenspiel Platzsanierung und KMB-Erweiterung zwingend? Visualisierung der Erweiterungspläne (Bild: Screenshot aus der Powerpoint-präsentation)

Der Rest ist Theaternebel: Was genau hat die Sanierung von Bärenplatz und Waisenhausplatz mit der Erweiterung des KMB zu tun? Schlendert man über die «aufgefrischten» Plätze, wie es heisst, lieber oder öfter an die Hodlerstrasse? Ändert sich der Zugang zum KMB vom Bahnhof aus via Bollwerk oder Genfergasse? Braucht es das Zusammenspiel Platzsanierung und KMB-Erweiterung zwingend? Wenn nein, was ich vermute, weshalb propagiert man es? Wird damit ein «gordischer Knoten» durchhauen, wie der Stiftungspräsident rühmt, oder wird grundlos erst eigentlich ein Knoten geknüpft? Ist der Knoten ein Fluch oder eine Chance?

Nebulös auch der Nutzen der Massnahmen an der Hodlerstrasse. Die Verlegung der Metro-Ausfahrt an die neue Stelle gegenüber der Neuen Mittelschule schafft etwas Raum bei der Hodlerstrasse 6. Und gewiss reduziert sie den Verkehr entlang des KMB; sie vermehrt aber umgekehrt den Verkehr Richtung Kornhausbrücke-untere Altstadt. Dies vor allem während der Zeiten, in denen die Hodlerstrasse vor dem KMB gesperrt werden soll. Der Vorteil für das KMB und seine Besucherinnen und Besucher wird erreicht durch Nachteile und Belastungen der unteren Altstadt. Ob von Vorteil überhaupt gesprochen werden kann, wenn die Sperrungen temporär sind, wird sich erst weisen müssen. Klar ist, dass das KMB Aussenraum erkauft durch eine das Museum bevorzugende Nutzung der Hodlerstrasse. Ob diese je die nun propagierte Aufenthaltsqualität erhalten kann, bleibe dahingestellt. Man darf aber bezweifeln, dass sich in der dunklen und eher zugigen Strasse, welcher die Gebäude bis hin zum Amthaus ihre Rückseiten zuwenden, leicht «Leben» entwickelt, das Leute anzieht?

Wie auch immer, Herr Wyss scheint befriedigt. Er weiss, was gut ist für Bern. Dank seines Geldes kann er mit 30 Millionen (von seinen 3 oder mehr Milliarden Vermögen) mitgestalten und Gehör finden bei unseren Vertreterinnen und Vertretern in der Dachstiftung Kunstmuseum-Zentrum Paul Klee sowie im Gemeinderat. Alle sind gleich, doch einige sind gleicher.

Wofür das alles? Noch immer kennen wir das Konzept des KMB in den neuen Räumen nicht wirklich. Vermittlung von Kunst, Teilhabe der Bevölkerung sollen im Zentrum stehen. Das gefällt mir. Im Übrigen ist Vieles von dem, für das nun gute Wörter ins Feld geführt werden, schon da und braucht nicht neu erfunden zu werden, sondern ist einfach konsequent umzusetzen. Eine grosse Leerstelle im kaum ausformulierten Konzept ist der Bezug zum Zentrum Paul Klee, thematisch und räumlich; dabei gehört das ZPK unter das gleiche Stiftungsdach wie das KMB. Eine zweite Leerstelle besteht im Schweigen über die kommenden Personalkosten. Wenn bisher vom betrieblichen Aufwand die Rede war, ging es um Energie, Technik, baulichen Unterhalt. Im Zentrum des Museumsbetriebs stehen aber die Menschen, die Kunst ergründen, Provenienz erforschen, Werke restaurieren, vermitteln, zum Erlebnis machen. Dass es für den – von jedermann erkennbaren – Entwicklungsbedarf beim Personal auf jeglicher Stufe und in allen Bereichen keine Aussage gibt, ist ein Jammer und lässt am Ernst der ganzen Übung zweifeln.

Woher kommt eigentlich die Euphorie der Verantwortlichen, der Stolz auf das Zwischenergebnis? Was unternehmen sie, ihr Feuer auf die Bevölkerung zu übertragen, um sie ins Boot zu holen und acht Jahre lang bei der Stange zu halten? Gerne wüsste man mehr dazu.

Worum geht es? Der Artikel über die Umbaupläne finden sie hier.