«Bern kann sich das finanziell leisten»

von Christoph Reichenau 21. Juli 2021

Eine gut besetzte Medienkonferenz mit einer optimistischen Botschaft: Lange verschleppte Platzsanierungen und eine Teilberuhigung der Hodlerstrasse sollen mit der Erweiterung des Kunstmuseums gewinnbringend verknüpft werden. Ein komplexer Plan bis 2030.

Gegen Ende der Medienkonferenz ging es doch um die Kunst, die das Museum für uns beherbergt und zugänglich macht, das künftig zum Lebensort in der Stadt werden soll. Zuvor war die Rede von der Verschönerung des Bären- und Waisenhausplatzes und die Verkehrsberuhigung der Hodlerstrasse sowie die Verlegung der Ausfahrt aus dem Metro-Parking hin zur Einfahrt, aber auch die Erweiterung des Kunstmuseums durch einen Ersatz des Atelier 5-Trakts und den Einbezug des Polizeigebäudes Hodlerstrasse 6. Der Gemeinderat und der Stiftungsrat der Dachstiftung Kunstmuseum Bern-Zentrum Paul Klee stellten einen Plan vor für die Zeit bis 2030, der insgesamt rund 120 Millionen Franken kostet.

Das ist in Kürze das Meccano, das den «gordischen Knoten» durchhaut für ein «einzigartiges Kunsterlebnis», wie die Medienmitteilung festhält, und in den Worten des Stadtpräsidenten «die obere Altstadt zum Pulsieren bringt».

Erweiterte Denkzone

Neu daran ist ein Element: Die Verlegung der Ausfahrt aus der Metro-Garage. Und neu ist die Verknüpfung mehrerer altbekannter, teils um Jahrzehnte verschleppter Elemente – etwa die Sanierung der Plätze – mit der Sanierung bzw. Erweiterung des Kunstmuseums (KMB). Dies ist die kreative Leistung, die Herrn Wyss veranlasst, Geld zu versprechen. Ob das Ganze wirklich grösser wird als seine Teile, ob die Zusammenbindung die Realisierungschancen erhöht, wie die Verantwortlichen denken, muss dahingestellt bleiben. Auf die Frage, weshalb bei der Ausweitung der Denkzone die Schützenmatte und die Speichergasse aussen vor gelassen würden, antwortet Stadtpräsident Alec v. Graffenried, man dürfe das Fuder nicht überladen; das Ganze sei jetzt schon komplex genug.

Schauen wir die Teile einzeln an.

Das «neue Kunstmuseum»

Das KMB soll künftig aus 3 Teilen bestehen: Dem Stettler-Bau, dem Neubau, der den A-5-Trakt von 1983 ersetzt, dem sanft sanierten Gebäude Hodlerstrasse 6, in dem die Verwaltungsteile des Museums unterkommen. Zur Aare hin wird der Komplex offen, auf die Hodlerstrasse wird der Aussenraum erweitert durch den Platz der aufgehobenen Ausfahrt aus der Metro-Garage.

Dafür legt der Stiftungsrat ein Kostendach von 80 Mio fest und schlägt 10 Mio darauf als «zusätzliche Risikoabdeckung». Kosten gesamthaft also 90 Mio. Zur Finanzierung kommen wir später.

Bärenplatz, Waisenhausplatz

Um einer Initiative aus dem Jahr 1988 Folge zu leisten, sollen die Plätze «aufgefrischt» werden und eine «Stadtbühne» bilden, wie es heisst: Gepflästert, mit wenigen zusätzlichen Bäumen bepflanzt, dadurch für ein angenehmeres Klima sorgend. Die Plätze werden möglichst verkehrsfrei, natürlich bleiben Tram, und Bus. Kostenschätzung 25-30 Mio.

Hodlerstrasse

Aus drei Varianten hat der Gemeinderat eine mittlere gewählt, die das Verkehrsaufkommen in der Hodlerstrasse kaum verringert, aber besser steuert:

  • Die heutige Ausfahrt der Metro-Garage in die Hodlerstrasse auf der Höhe der Polizeigebäude vis-à-vis dem PROGR wird aufgehoben. Neu kommt die Ausfahrt neben die Einfahrt zu liegen, gegenüber der Neuen Mittelschule. Die neue Ausfahrt führt einerseits Richtung Hodlerstrasse, andererseits Richtung Schütte und weiter zur Kornhausbrücke.
  • Die Hodlerstrasse wird nicht autofrei; dies hätte – das ergibt die Vorprüfung – unliebsame Verlagerungen über die Lorraine- und die Kornhausbrücke sowie in die untere Altstadt zur Folge. Sie wird indessen zeitweise gesperrt werden: von 11-16:30 Uhr und von 18-23 Uhr. In der restlichen Zeit bleibt sie offen, gerade auch für den Wirtschaftsverkehr. Ob dafür eine Tempolimite 20 oder 30 gilt, ist noch zu klären.

Polizeigebäude

Die Polizei wird 2026 wesentliche Teile ihrer Räumlichkeiten in den Neubau in Niederwangen verlegen. Einzelne Teile, vor allem der Einsatz-Stützpunkt, bleiben am heutigen Ort. Ihre Einfahrt in die Hodlerstrasse ist gewährleistet

Metro-Parking

Die Verlegung der Ausfahrt und ihre Finanzierung ist Sache der Metro Autopark AG. Die AG wird in den kommenden Jahren weitere Baumassnahmen ergreifen müssen. Zum Beispiel um die Überdeckung der Tiefgarage zu verstärken, damit sie grössere Lasten tragen kann, etwa wegen der Begrünung und Pflästerung des Bären- und Waisenhausplatzes. Daran trägt die Stadt Bern finanziell bei.

Vorgehen und Zeitplan

2022 soll für den Ersatzneubau des KMB (inkl. Sanierung Hodlerstrasse 6) ein internationaler Architekturwettbewerb mit Präqualifikation durchgeführt werden. Im gleichen Jahr werden die Projektierungskredite für Plätze und Hodlerstrasse beantragt.

  • 2023 kommt die städtische Volksabstimmung über die Baukredite für Bären- und Waisenhausplatz (25-30 Mio).
  • 2024 ist der Baukredit für die Erweiterung des KMB finanziell zu sichern (90 Mio, davon 40 Mio durch den Grossrat).
  • 2025-2027 werden Bären- und Waisenhausplatz frühestens saniert.
  • 2025 muss der Ausführungskredit für die Hodlerstrasse gesprochen werden. Die Projektierung und die Ausschreibung des KMB-Projekts laufen.
  • 2026-2029 werden die Bauten des KMB errichtet und die Ausfahrt des Metro-Parking verlegt.

Jahrelange Grossbaustelle

Man sieht, zwischen 2025 und 2029 wird in der oberen Altstadt heftig gebaut werden. Zuvor schon soll die Kornhausbrücke saniert werden. Nach der Baustelle am und im Bahnhof folgt jene, welche «die obere Altstadt zum Pulsieren bringt», buchstäblich. 2030 kehrt dann die grosse Ruhe ein, das Kunsterlebnis in aufgehübschter Umgebung.

Und das Geld?

Aufzubringen sind von den verschiedenen Finanzierungsträgern insgesamt rund 127 Millionen. Der Betrag setzt sich aus 3 Teilen zusammen:

  • 90 Mio für die Erweiterung des KMB. Dafür liegt das Kostendach bei 80 Mio. Davon übernimmt der Kanton 40 Mio. 20 plus 5 Mio verspricht Herr Wyss, 15 Mio sollen weitere Private beisteuern. Zum Kostendach kommen 10 Mio für den sog. Risikoausgleich (heisst für den Fall, dass das Kostendach aufgrund unvorhersehbarer Mehrkosten überschritten wird); die Stiftung kann diese Summe über eine Bankfinanzierung sichern. Die 5 Zusatzmillionen von Herrn Wyss sind an die Bedingung geknüpft, dass die weiteren Privaten mindestens 7,5 Mio aufbringen. Was geschieht, falls es dabei bleibt und folglich 7,5 Mio fehlen, ist nicht festgelegt.
  • 7 Mio für die Hodlerstrasse. Die Verlegung der Ausfahrt aus dem Metro Parking kostet 5 Mio, die Sanierung der Strasse 2 Mio. Daran bezahlt Herr Wyss 5 Mio, 2 Mio muss die Stadt aufbringen.
  • 30 Mio für die Erneuerung von Bären- und Waisenhausplatz gehen zu Lasten der Stadt Bern.

Eine rechtsverbindliche Vereinbarung mit Wyss besteht noch nicht. Die Verhandlungen mit den Wyss-Stiftungen in den USA laufen.

Regierungsrätin Christine Häsler, Vorsteherin der Bildungs- und Kulturdirektion, schätzt gemäss Medienmitteilung «die sorgfältige und vernünftige Vorgehensweise des KMB, das anstrebt, 50 Prozent der Baukosten durch Private zu finanzieren.»

Und Stadtpräsident Alec v. Graffenried erklärt auf Frage zu den 32 Mio, welche die Stadt aufbringen muss: «Bern kann sich das finanziell leisten.»

SIA

Christopher Berger, Präsident der Berner Sektion des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins, stellt auf Anfrage der Vorbereitung auf Seiten des KMB ein gutes Zeugnis aus. Er findet, man habe aus der Basis der Machbarkeitsstudie die Betriebskosten sorgfältig ermittelt und ein Gesamtpaket geschnürt, das solidere Grundlagen für den Raumbedarf und den Architekturwettbewerb schaffe. Den Wettbewerb mir Präqualifikation hält Berger für angemessen; er findet vor allem wichtig, dass die Idee eines Studienauftrags nicht weiterverfolgt wird. Offen ist es für Berger, ob die Verknüpfung von KMB/Hodlerstrasse einerseits und Bären-/Waisenhausplatz andererseits zwingend ist und Vorteile bringt.

Und die Bevölkerung?

Wie können Stadtbernerinnen und -berner sich politisch zu diesen Plänen äussern, welche Mitsprache ist möglich? Zur Erneuerung des KMB besteht keine Möglichkeit: Die Privaten entscheiden privat, den Anteil des Kantons beschliesst der Grosse Rat, die 10 Mio Risikoabdeckung regelt der Stiftungsrat mit Banken. Die Massnahmen an der Hodlerstrasse sind wohl ebenso der Mitbestimmung entzogen, denn die 2 Mio, die nicht Herr Wyss berappt, sind politisch kaum relevant. Zuständig für die Übertragung der Hodlerstrasse 6 im Baurecht an die Stiftung KMB ist laut Auskunft von Stadtschreiber Jürg Wichtermann das finanzkompetente Organ, das heisst je nach Gebäudewert der Stadtrat oder die Stimmberechtigten.

Damit sind die Geschäfte, die sich direkt auf das KMB und sein unmittelbares Umfeld beziehen, politischer Mitwirkung wohl entzogen (zu prüfende Ausnahme ist die Übertragung der Hodlerstrasse 6). Mitentscheiden kann die Bevölkerung hingegen bei den Ausführungskrediten zur Verbesserung des Bärenplatzes und des Waisenhausplatzes, denn sie unterliegen der Volksabstimmung. Doch das ist der falsche Ort, denn die Platzverbesserung hat mit dem KMB im Grunde nichts zu tun – die Erweiterung des Museums ist davon unabhängig. Umso erstaunlicher, wieviel Brimborium jetzt darum gemacht wird.

 

Zum Kommentar von Christoph Reichenau

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