Auf dem Vorplatz des Gaskessels herrscht reges Treiben: Skater drehen ihre Runden, Spaziergängerinnen schlendern der Aare entlang, Hunde bellen. Unter den Kuppeln des Gaskessels ist es jetzt am Nachmittag ruhig. Ohne die gewohnten Partygäste, ohne das gedämpfte Licht und die wummernden Bässe, wirkt das Jugend- und Kulturzentrum wie verwandelt. Nüchtern. Alles ist aufgeräumt, sauber, die Bühne leer.
Seit über 50 Jahren bietet der Gaskessel jungen Menschen die Möglichkeit, sich im kulturellen Bereich zu engagieren und eigene Projekte zu verfolgen – immer begleitet von der hauseigenen Jugendarbeit. Generationen haben im «Chessu» ihre ersten Erfahrungen und Schritte im Kulturleben gemacht. Mit der Überbauung des Gaswerkareals (Journal B berichtete) wird sich jedoch einiges für den Gaskessel ändern. Wie sehen die jungen, im Gaskessel aktiven Menschen selbst diesen Ort? Wir haben vier junge Erwachsene, die sich im Jugend- und Kulturzentrum engagieren, gefragt, was der Gaskessel für sie bedeutet.
Alyssa Zimmermann (sie/ihr), 18 Jahre
«Die Vernetzung mit Menschen, die Kunst und Musik machen, ist unglaublich inspirierend. Seit ich hier bin, habe ich viele neue Dinge und Interessen entdeckt. Ich habe den Mut bekommen, zu singen und meine eigene Musik zu machen. Das ist so inspirierend, und ich wurde generell viel selbstbewusster. Kreativ zu sein, Freundschaften zu knüpfen und dabei seine Fähigkeiten zu erweitern, ist eine grossartige Erfahrung.»
Nerea Spori (sie/ihr), 21 Jahre
«Ich bin seit mehr als zwei Jahren im Verein aktiv und arbeite hauptsächlich am Eingang, manchmal an der Garderobe und im Service. Seit wenigen Monaten bin ich auch Teil des Vorstands. Im Gaskessel kommen viele verschiedene Personen mit unterschiedlichen Lebensweisen und -geschichten zusammen, deren Wege sich ausserhalb des Vereins wahrscheinlich nicht gekreuzt hätten. Diese Begegnungen und den damit verbundenen Austausch schätze ich sehr. Auch der Umgang miteinander gefällt mir sehr gut. Ich finde es schön und wichtig, dass der Gaskessel durch seine gelebte Fehlerkultur – im Verein und im Betrieb – jungen Menschen eine andere Seite der Arbeitswelt zugänglich und vertraut machen kann.»
Xenia Unseld (sie/ihr), 21 Jahre
«Ich bin seit eineinhalb Jahren im Gaskessel aktiv – als Vorstandsmitglied und in der Technik. Ich war schon in den verschiedensten Bereichen tätig. Am meisten Spass macht mir die Betreuung der Bands. Ich sorge dafür, dass sie alles haben, was sie brauchen, bereite den Backstage-Bereich vor, organisiere das Catering und schicke sie zur richtigen Zeit auf die Bühne. Es ist schön, neue Bands kennenzulernen, und ich schätze die kurzen Gespräche mit ihnen bei der Arbeit.
Aufgewachsen bin ich in einem Kaff, in dem ein konservatives Rollenverständnis vorgeherrscht hat. Im Garten haben die Jungs den Rasen gemäht und die Mädchen die Rosen gepflegt. Als ich nach Bern kam und im Gaskessel angefangen habe, standen mir alle Türen offen. Ich habe mir zugetraut, neue Sachen auszuprobieren, zum Beispiel in der Technik zu arbeiten. Im Gaskessel ist vieles möglich. Junge Menschen werden unterstützt, selbst aufzulegen, sich in der Technik weiterzubilden oder eigene Ideen umzusetzen. Wenn man möchte, ist es möglich, nach einer Einführungsphase, schon mit 21 Jahren die Abendverantwortung und Produktionsleitung für einen Event mit 500 Gästen zu übernehmen. Jetzt bin ich 21 Jahre alt. Ich möchte mich noch eine Weile
im Gaskessel engagieren, aber auch den richtigen Zeitpunkt erwischen, um meinen Platz jüngeren zu überlassen. Es ist wichtig, dass neue Generationen nachkommen können.»
Anna Beer (sie/keine), 23 Jahre
«Seit über vier Jahren bin ich im Gaskessel aktiv. Ich habe bereits in fast alle Bereiche des Nachtbetriebes reingeschnuppert und bin in meinem dritten Jahr als Vorstandsmitglied. In der Nacht widme ich mich hauptsächlich der Technik, manchmal stehe ich auch an der Bar und von Zeit zu Zeit bekoche ich die Crew und die Künstler*innen. Im Vorstand beschäftige ich mich mit der Überbauung des Gaswerkareals und der Sanierung des Gaskessels sowie der Öffentlichkeitsarbeit betreffend dieser Themen.
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Was ich am Gaskessel mag: Du kannst alles sein, was du willst! Als ich nach knapp drei Jahren an der Bar relativ spontan entschieden habe, dass ich in die Technikgruppe will, war da kein Hauch einer Skepsis, ob ich das denn könne. Der Gaskessel hat mich in Bern ankommen lassen, als ich vom Land hierhergezogen bin. Er hat mich Bereiche entdecken und ausprobieren lassen, die mich begeistern. Der Vertrauensvorschuss wird gelebt, egal wer du bist. Ich wünsche mir, dass dieser Ort das noch viele Jahre anderen Menschen schenken und sie somit bewegen kann. Ich wünsche mir, dass es ein Ort zum Ankommen, zum Verweilen, zum Lernen, zum Weiterentwickeln und zum sich selbst entdecken bleibt.»
Redaktionelle Mitarbeit: Janine Schneider