Der Gaskessel bleibt, aber wie?

Stadtplanung Die Vorlage zu einer ersten Planung der Überbauung des Gaswerkareals liegt nun öffentlich vor. Nach langen Verhandlungen ist auch der Gaskessel mit dem Resultat zufrieden. Wir haben nachgefragt, was die Überbauung für das Jugend- und Kulturzentrum im Konkreten bedeutet.

In der Stadt Bern herrscht Wohnungsnot. Deshalb plant die Stadt seit Jahren eine grosse Überbauung auf dem Gaswerkareal und beim Brückenkopf West. Es soll ein neues, dichtes Stadtquartier mit Frei- und Grünräumen entstehen. Das stellt den Gaskessel, seit Jahrzehnten eines der wichtigsten Berner Jugend- und Kulturzentren, vor neue Herausforderungen. Das Gaswerkareal als eines der grössten Grün- und Erholungsflächen der Stadt Bern wird sich durch die Überbauung und die Schaffung von rund 300 bis 400 Wohnungen grundlegend verändern (Journal B berichtete).

Am vergangenen Mittwoch hat der Gemeinderat nun mitgeteilt, dass die Vorlage zur sogenannten «Zone mit Planungspflicht» (kurz: ZPP) der Sandrainstrasse 3-39, also des Gaswerkareals, öffentlich aufliegt. Bis zum 6. Dezember können nun Einsprachen eingereicht werden. Damit ist der erste Schritt in der Planung und Entwicklung der Arealsüberbauung getan. Die ZPP-Vorlage beinhaltet auch eine Änderung des Zonenplans, eine Teilrevision der Bauordnung der Stadt Bern und eine Änderung der Überbauungsordnung des Uferschutzplans im Abschnitt Marzili / Schönau.

Die Stadtverwaltung und der Gemeinderat standen seit Beginn der Planungsarbeiten und des Planerlassverfahrens im Austausch mit den Vertreter*innen des Gaskessels.

In der dazugehörigen Medienmitteilung schreibt der Gemeinderat unter anderem: «Mit der Planung sollen die planungs- und baurechtlichen Rahmenbedingungen für die Realisierung eines identitätsstiftenden Stadtquartiers mit urbaner Mischnutzung sowie eines Beitrags zur Siedlungsentwicklung nach innen an zentraler Lage umgesetzt werden.» Der preisgünstige Wohnraum soll gefördert und der Zugang zu öffentlichen Freiräumen sichergestellt werden. Und auch der Gaskessel soll in seiner heutigen Nutzung als Jugend- und Kulturzentrum am bestehenden Standort erhalten werden.

Dialog und Hartnäckigkeit

Laut Lena Käsermann, Co-Leiterin des Gaskessels, war es teilweise eine Herausforderung, in der Formulierung der ZPP-Vorlage auf einen gemeinsamen Nenner mit der Stadt zu kommen: Wo sich die Stadt möglichst viel Planungsspielraum offen halten möchte, braucht der Gaskessel verbindliche Vorschriften, um seinen Betrieb zu schützen.  Sie sei aber mit dem jetzigen Verhandlungsresultat zur ZPP zufrieden. «Es hat sich gezeigt, dass sich Dialog und Hartnäckigkeit lohnen: Unsere Forderungen an die ZPP wurden in die Vorlage integriert.»

Das hatte vor zwei Monaten noch anders ausgesehen: Der Bund berichtete Anfang September von Schwierigkeiten bei den Verhandlungen zwischen Gaskessel und der Stadt und daraus folgenden Verzögerungen im ganzen Planungsprozess.

Lena Käsermann arbeitet in der Co-Leitung des Gaskessels. (Foto: David Fürst)

Auf Nachfrage erläutert Käsermann, worüber verhandelt wurde: «Eine unserer Forderungen war beispielsweise, dass im Sektor 1.3 Wohnen und Betriebe mit genereller Überzeitbewilligung ausgeschlossen werden und nur Nutzungen zugelassen werden, die mit dem Gaskessel vereinbar sind.» Diese Forderungen sollen sicherstellen, dass der Gaskessel in seinem Betrieb durch die geplante Überbauung nicht gefährdet wird.

Es liegt auf der Hand, dass laut feiernde Jugendliche und Wohnraum in unmittelbarer Nähe zu Konflikten führen können. «Wegen Lärmbeschwerden könnte man uns die Betriebsbewilligung entziehen, deswegen war der Ausschluss von Wohnen in dieser Zone für den Gaskessel essenziell.» Es gehe ja schliesslich, so Käsermann, um ein gelingendes Nebeneinander. «Der Ausschluss von Betrieben mit genereller Überzeitbewilligung neben uns, unterstützt die Notwendigkeit für den Gaskessel, den Aussenraum als Schutz- und Experimentierraum für seine Gäste auch in Zukunft autonom moderieren zu können.»

Es liegt auf der Hand, dass laut feiernde Jugendliche und Wohnraum in unmittelbarer Nähe zu Konflikten führen können.

Im Sommer fanden verschiedene Treffen zwischen dem Gaskessel und der Stadt statt. «Die Stadtverwaltung und der Gemeinderat standen seit Beginn der Planungsarbeiten und des Planerlassverfahrens im Austausch mit den Vertreter*innen des Gaskessels», erklärt Stadtplanerin Jeanette Beck auf Anfrage von Journal B. Zudem sei der Gaskessel auch mit zwei Personen seiner Wahl als Expert*innen und einer delegierten Architektin als stimmberechtigtes Mitglied in den offenen städtebaulichen Wettbewerb eingebunden gewesen. Auch Forderungen des Gaskessels flossen gemäss Beck in die Planung mit ein, so zum Beispiel folgende: «Je näher ein Gebäude beim Gaskessel liegt, desto weniger hoch darf es sein. Der Erhalt des Jugend- und Kulturzentrums Gaskessel, zu dem sich der Stadt- und Gemeinderat im Verlauf des Planungsprozesses mehrfach ausdrücklich bekannt hatten, wird neu auch explizit im Planungszweck erwähnt.»

Hier soll ein neues Stadtviertel entstehen. (Foto: David Fürst)

Offene Fragen bleiben

Im weiteren Planungsprozess wird es also nach wie vor darum gehen, den Erhalt und Betrieb des Gaskessels sicherzustellen. Es gehe in einem weiteren Schritt laut Käsermann zum Beispiel darum, den Flächenbedarf zwischen Gaskessel und den direkten nördlichen Nachbarsgebäuden auf das Betriebs- und Sicherheitskonzept des Gaskessels, aber auch auf eine Aufenthaltsqualität für die Gäste abzustimmen. Da geht es beispielsweise um Themen wie Crowd-Management, Fluchtwege und das Personenleitsystem.

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Ein anderes Thema betreffe die Mobilitätsplanung: «Wir sind für einen gelingenden Betrieb darauf angewiesen, unsere Zu- und Wegfahrten flexibel tags- und nachtsüber via Süden zu lösen», so Käsermann. Ausserdem sei es ein Anliegen des Gaskessels, dass die Besucher*innen intuitiv via Sandrainstrasse in das Kulturzentrum geführt werden, um auch hier das Konfliktpotential mit der neu geplanten Nachbarschaft aufgrund von Lärm und «Begleiterscheinungen des Nachtlebens» zu minimieren. «Dieses Anliegen wird im Augenblick potentiell torpediert von der geplanten Durchlässigkeit des Quartiers und einer breiten, mittleren Gasse, die mehr oder weniger direkt auf den, nach der Sanierung des Kessels, neuen Haupteingang im Norden zuläuft.»

Der Umschwung des Gaskessels ist für viele Jugendliche ebenso wichtig wie der Gaskessel selbst, denn hier bietet sich viel Freiraum. (Foto: David Fürst)

Für den Gaskessel entscheidend sind im weiteren Planungsprozess beispielsweise die Erschliessungsgrundsätze des Areals, die geplante Baudichte, die Dimensionen und Ausrichtungen der Gebäude, die Frage, wer welche Gebäude mit welcher Nutzung bespielt sowie der Erhalt von Grün- und Freiflächen. Gerade dieser Aussenraum sei nämlich sehr wichtig für die Jugendlichen, wie Käsermann betont. Im Gegensatz zu den Clubs in der Innenstadt können sich Besucher*innen hier auch nach draussen zurückziehen oder erste Ausgangserfahrungen sammeln, indem sie einfach vorbeikommen, um Freund*innen um den Gaskessel herum zu treffen.

Damit auch zukünftige Generationen Jugendlicher hier Raum für Kultur und Partizipation finden, muss das Fortbestehen des Gaskessels im kommenden Planungsverlauf noch weiter gesichert werden. Zwischen den Wünschen der Jugendlichen und des Gaskessels und den baulichen Ambitionen der Stadt Bern bleibt da noch einiges zu lösen, damit der besondere Charakter des Jugend- und Kulturzentrums trotz Quartierentwicklung bewahrt werden kann.

Mitarbeit: Janine Schneider, Noah Pilloud