Schwere Zeiten und skandalöse Bären

von Lea Schlenker 4. Februar 2025

Lea liest Die Dichterin Lea Schlenker stellt in ihrer Kolumne jeden Monat drei Lieblingsbücher vor. Diesmal mit dabei: Margaret Atwood, Julia Fox und John le Carré – von Dystopie bis Spionage.

Silvester habe ich bei Freunden in Zürich verbracht. Wir sitzen auf der Couch, nippen an unseren Sektgläsern und kommen irgendwann und irgendwie auf ein Onlinequiz zu sprechen, dass eine der Anwesenden kürzlich ausgefüllt hat. In diesem Onlinequiz kann man herausfinden, welcher Charakter in der Serie Handmaids Tale zu einem passt.

Da gibt es einige weibliche Charaktere, die zur Verfügung stehen – Handmaids, Wives, Aunts oder Marthas. Eine erstrebenswerte Existenz stellt allerdings keine dieser Figuren dar. Und obwohl die Serie bzw. die Buchreihe von Margaret Atwood eine fiktive Geschichte in einem dystopischen Amerika sein soll, ist es doch vielen Frauen, die ich kenne, unwohl bei der ganzen Sache. Ist es nur tatsächlich nur ein dystopisches Amerika, oder legen wir die Weichen für diese Zukunft bereits schon jetzt?

Mit einem grössenwahnsinnigen Techmilliardär und einer temporär abgeschalteten Abtreibungswebseite wirken Frauenrechte mittlerweile mehr wie eine aus der Mode gekommene Jacke als wie eine fundamentale Errungenschaft. Das macht Angst. Und dennoch wirken die Geschichten von Atwood wie eine Art Trost in schweren Zeiten. Das gilt auch für ihre neuen Werke. In ihrem letzten Jahr erschienenen Erzählband «Hier kommt niemand lebend raus» beweist sie von neuem ihr wunderbares Gespür für das menschliche Handeln und Denken.

Mein Favorit ist die Geschichte einer Teenagerin, die ihre Mutter stets für eine Hexe hält, da diese versucht, sie mit Zaubertränken und Ritualen vor dem Bösen der Welt zu schützen. Ob an diesem Mysterium etwas dran ist, erfährt niemand so genau. Das ist vielleicht auch gut so.

«Down the drain»

Im Januar habe ich noch ein weiteres Buch gelesen, das mich schwer beeindruckt hat. Die als Schauspielerin und Fashionikone bekannte Julia Fox hat auf eine authentische und fesselnde Art ihren bisherigen Werdegang verschriftlicht. Sie schreibt über Drogenabhängigkeiten, Gefängnisaufenthalte, abwesende Elternteile und fragwürdige Bekanntschaften.

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Ich liebe die Art und Weise wie sie schreibt: Ehrlich und ungezwungen, aber dennoch mit dem exakten Wort an der richtigen Stelle. Ich sage immer, am besten schreibt man direkt aus dem Herzen, dann kommt es gut. Und Julia Fox scheint genau das ausgezeichnet zu gelingen. Sie schreibt unterhaltsam und ich freue mich darauf, hoffentlich bald mehr von ihr zu lesen. Deshalb mein Februartipp: «Down the drain» von Julia Fox.

Geldwäscherei und Abhörskandale gleich neben dem Bärengraben

Obwohl ich bis zu meinem fünfundzwanzigsten Lebensjahr eigentlich nie wirklich viel mit Bern am Hut hatte, habe ich die Stadt in den letzten Jahren lieben gelernt und zu meiner Wahlheimat auserkoren. Da bin ich gewiss nicht die Einzige. Immer mal wieder verfallen Nicht-Einheimische dem gemütlichen Charme der Stadt. So ging es auch dem vielleicht besten Autor von Spionageromanen, John le Carré.

Als Teenager entschied er sich dazu, aus dem Internat zu verschwinden und in die Schweiz zu reisen. Er blieb zwei Jahre in Bern und studierte an der Universität. Bern ist ihm geblieben, und hat es auch in seine Geschichten geschafft. Zum Beispiel spielt «Verräter wie wir» teilweise in der Hauptstadt, auch die gleichnamige Verfilmung des Romans wurde hier gedreht. Geldwäscherei und Abhörskandale gleich neben dem Bärengraben. So oder so, die Romane von John le Carré möchte ich an dieser Stelle unbedingt noch erwähnen, ob in Bern lebend oder (noch) nicht.