Einmal in Aarau begegnete ich ihm auf der Igelweid. Zwei Igel am Samstag beim Einkaufen. Wie es ihm gehe, fragte ich. Es gehe ihm gut, antwortete er. Wie es mir gehe. Mir gehe es auch gut, sagte ich. Dann geht es uns beiden also gut, hielt Klaus fest. Daraufhin verabschiedeten wir uns.
Viele Gespräche, die ich mit Klaus Merz geführt habe, waren kurz. Auch seine E-Mails beschränken sich oft auf einen oder zwei Sätze. Klaus ist nicht spröde oder verschwiegen, eher gewitzt und präzis. Seine Empathie braucht nicht viele Worte. Die aber haben es in sich und hallen nach.
Dass es Menschen gut geht, ist nicht selbstverständlich. Und dass es gerade zwei Menschen gut geht, Schriftstellern dazu, die sich begegnen, ist unwahrscheinlich. Wir hätten unser Gespräch fortführen können, wir waren beide nicht in Eile. Doch das Entscheidende, das uns verband, war ausgesprochen. Und dahinter der Schreck über die ungeheuerliche Ausnahmesituation, in der wir uns gerade befanden.
Es ist der Schreck, der auch in vielen Texten von Klaus Merz lauert. Da verkürzt einer menschliches Schicksal und Lebensläufe auf ihre lyrische Essenz. Und ich ertappe mich beim Erschüttertsein über das Nichtselbstverständliche, das im scheinbar Selbstverständlichen liegt. Verschlucke mich an den Widerhaken seiner einfach verschlungenen Sätze.
Als ich vor zwanzig Jahren nach Aarau ging, kannte ich Klaus Merz als Dramatiker. Sein Stück „Die Schonung“ hatten wir einige Jahre davor beim „Auawirleben“-Festival in Bern gezeigt, in der Inszenierung von Jean Grädel: Die karge Sprachpartitur von drei Ringern im Sägemehl, im Gewand eines Volksstücks. Der Text hatte mich beeindruckt und beschäftigt, gerade weil ich ihn nicht einzuordnen vermochte.
Vermutlich sind wir uns dann bei einer Première im Theater Tuchlaube begegnet. Mit welch kollegialem Interesse Klaus und Selma Merz unsere Tuchlauben-Arbeit über die Jahre wahrnahmen, imponierte mir. Es gibt wenige Kollegen, die in der Lage sind, die Tätigkeiten der Nächsten und Nachrückenden mit Aufmerksamkeit und Offenheit zu würdigen. Auch politisch ist mir Klaus Merz in den letzten Jahren einer der liebsten und verlässlichsten geworden.
Und wenn ich zu Hause aus dem Fenster schaute und Selma und Klaus Merz durch die Pelzgasse schlenderten, erschien mir Aarau als Metropole.
Dieser Text zu Klaus Merz‘ Siebzigstem am 3. Oktober erschien zuerst – zusammen mit einem Würdigungstext von Michel Mettler – in JULI Kulturmagazin Aargau, Nr. 58, Oktober 2015