Alltag - Kolumne

Zwischen Vorsätzen und Absätzen

von Jovana Nikic 13. Januar 2025

Be(rn)trachtungen Unsere Kolumnistin Jovana schreibt über den Zauber von Silvester und fragt sich, warum wir ein neues Jahr feiern, wenn die Probleme des alten uns weiterhin belasten.

Der Countdown läuft. Die Korken knallen, Funken sprühen und das Jahr endet mit einem Knall – oder zumindest mit dem Versuch, es stilvoll und bedeutungsvoll abzuschliessen. Silvester ist diese magische Nacht, die all unsere Erwartungen bündelt: Spass, Glanz, neue Chancen und ein kleines bisschen Hoffnung. Doch genau diese Erwartungen sind oft der Grund, warum die Nacht und die guten Vorsätze ins Wanken geraten.

Jedes Jahr stellen wir uns in den letzten Stunden des alten Jahres als optimierte Version unserer selbst vor. «Mehr Sport», «weniger Stress», «gesünder essen» – die Liste klingt beeindruckend. Doch wie oft halten diese Vorsätze wirklich? Meist nicht länger als die ersten Tage des neuen Jahres.

Vorsätze sind wie Schuhe mit hohen Absätzen: Hoch hinaus, elegant im Ansatz, aber oft ohne Halt. Früher oder später schmerzen sie, und wir geben entnervt auf. Warum tun wir uns das an? Vielleicht, weil Silvester für viele ein Symbol des Neubeginns ist. Aber anstatt uns mit unrealistischen Zielen unter Druck zu setzen, könnten wir uns auf realistischere, kleinere Schritte konzentrieren – wie bequeme Sneaker, die uns sicher ins Ziel bringen.

Das Feuerwerk – trotz aller Kritik – besitzt eine fast kindliche Magie.

Doch Silvester ist mehr als nur Vorsätze. Es ist eine Gelegenheit, das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen und den Übergang in etwas Neues zu feiern. Es ist die Nacht, in der wir uns mit Freunden umgeben, tanzen und die letzten Stunden auskosten.

Das Feuerwerk – trotz aller Kritik – besitzt eine fast kindliche Magie. Für einen Moment vergessen wir den Alltag und lassen uns vom Glanz und den Funken in den Himmel ziehen. Doch schon wenige Tage später überschattet die Realität den Zauber. Im Netz kursieren Diskussionen: von Feuerwerksverboten über Motivationssprüche bis hin zu Fragen, ob ein Neuanfang überhaupt Sinn ergibt.

Vielleicht feiern wir Silvester nicht trotz der Krisen, sondern gerade wegen ihnen.

Und tatsächlich scheint die Frage berechtigt: Warum feiern wir ein neues Jahr, wenn die Probleme des alten uns weiterhin belasten? Terroranschläge, Kriege, Umweltkatastrophen – die Welt scheint nicht besser zu werden. Und auch auf lokaler Ebene sind die Herausforderungen spürbar: In Bern kämpfen Kulturbetriebe wie die Brasserie ums Überleben, die Lebenshaltungskosten steigen, und persönliche Dramen bleiben unausweichlich.

Doch genau hier liegt vielleicht der Kern: Das vergangene Jahr hatte sowohl Höhen als auch Tiefen. Es brachte Herausforderungen, die uns geprägt haben, und Momente, die uns Freude bereiteten. Silvester ist ein Moment des Innehaltens, an dem wir uns fragen können: Was lief gut und was wünschen wir uns besser?

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Vielleicht feiern wir Silvester nicht trotz der Krisen, sondern gerade wegen ihnen. Es ist eine Nacht, die uns daran erinnert, dass es immer Hoffnung gibt – auf ein gerechteres, friedlicheres und schöneres Jahr. Sei es in kleinen persönlichen Fortschritten oder in der grossen Hoffnung auf eine bessere Welt.

Das neue Jahr wird kommen, egal, ob wir es mit Perfektion begrüssen oder nicht. Die beste Art, Silvester zu feiern, könnte darin liegen, den Druck loszulassen. Mit realistischen Vorsätzen, einem bewussten Blick zurück und einer guten Portion Gelassenheit. Denn manchmal sind es die einfachen Dinge, die uns den besten Start ermöglichen – in bequemen Schuhen, mit echten Momenten und ohne zu hohe Absätze.