Alltag - Kolumne

Zwischen «Schäm dich!» und «Versuch es noch einmal!»

von Svitlana Prokopchuk 12. November 2025

Zwischen zwei Welten Unsere Kolumnistin stellt Unterschiede in der Kindererziehung fest. In diesem Text versucht sie zu ergründen, wie Kinder in der Schweiz und in der Ukraine aufwachsen.

Einige Monate vor Beginn des Krieges war ich auf Einladung meiner Jugendfreundin in der Schweiz zu Gast. Auf ihre Empfehlung hin besuchte ich eine Galerie in Basel, um die Werke von Pablo Picasso und El Greco zu sehen. Doch ich kehrte nicht nur mit Eindrücken von diesen weltberühmten Künstlern zurück. In der Nähe eines Fensters trotzte ein kleines Mädchen – sie trug lediglich ein Sommerkleid. Für den November eher ungewöhnlich, nicht wahr? Neben ihr standen die Eltern, offenbar völlig unbesorgt.

«Sie muss selbst erkennen, dass dieses Kleid nicht zur Jahreszeit passt. Wenn sie friert, wird sie daraus lernen», erklärte meine Freundin Anna. «In den Jahren, die ich nun in der Schweiz lebe, habe ich verstanden: Kinder dürfen hier selbst entscheiden. So entsteht Selbstvertrauen», sagte sie.

Seitdem erinnere ich mich jedes Mal an diese Szene, wenn ich in der Ukraine ein Kind gesehen habe, das von Kopf bis Fuss in eine warme Jacke und Mütze eingepackt ist. Macht eine Mutter, die auf warme Kleidung besteht, ihr Kind unsicher? Sind die Unterschiede in der Erziehung zwischen der Schweiz und der Ukraine tatsächlich so gross? Und wann ist der richtige Moment, einzugreifen – um gesellschaftliche Regeln zu erklären, ohne dem Kind dabei das Selbstvertrauen zu nehmen?

«Meine eigenen Beobachtungen reichen hier kaum aus», dachte ich mir und bat Christian Stauffer, Co-Schulleiter der 5./6. Klasse im Schulkreis Breitenrain-Lorraine um ein Gespräch. Stauffer ist selbst Vater. Er betont: Kinder zu erziehen sei ein langwieriger, anspruchsvoller Prozess – und vermutlich niemals perfekt.

«Wir begleiten Kinder so, dass sie, wenn sie in die Erwachsenenwelt hinaustreten, möglichst selbstständig, selbstbewusst und handlungsfähig sind», erklärt Stauffer. Besonders wichtig sei es, die Kinder zur Selbstreflexion zu ermutigen: Wenn etwas nicht gelingt, ist das keine Katastrophe. Fehler sind Helfer auf dem Weg zur Verbesserung. «Fehler sind erlaubt – man darf und soll aus ihnen lernen», sagt Stauffer. Zudem sei es entscheidend, Kinder zum kritischen Denken zu ermutigen. Sie sollen Fragen stellen und ihre Meinung äussern dürfen, auch wenn sie von der Mehrheit abweicht. «Das bedeutet nicht, dass sich ihre Meinung in der Gesellschaft durchsetzen  wird – aber sie sollen wissen, dass ihre Stimme zählt. Das ist die Grundlage der Demokratie», ist Stauffer überzeugt.

Das Hauptziel der sowjetischen Erziehung war nicht, Kinder zum Denken zu bringen, sondern sie zum Gehorsam zu erziehen.

Demokratie und die Sowjetunion, aus der die heutigen Ukrainer «stammen», sind, wie bekannt, unvereinbare Begriffe. Vielleicht ist das der Grund, warum in der Ukraine, die einst Teil der Sowjetunion war, Fehler und kritisches Denken mancherorts bis heute als Abweichung von der Norm betrachtet werden? Noch vor vierzig Jahren konnte ein ukrainisches Kind, das einen Fehler machte, Sätze hören wie: «Warum strengst du dich nicht an?», «Schau, wie die anderen das schaffen!», «Schäm dich!» Anstatt einer sachlichen Analyse folgte also emotionale Verurteilung – und das führte zu der Angst, etwas falsch zu machen.

Vermutlich ist das auch der Grund, warum viele Ukrainer*innen sich scheuen, in einer Fremdsprache zu sprechen – aus Angst vor falscher Aussprache und davor, ausgelacht zu werden.

Das Hauptziel der sowjetischen Erziehung war nicht, Kinder zum Denken zu bringen, sondern sie zum Gehorsam zu erziehen. Lehrer nutzten Beschämung als Methode: Tafeln der Schande, öffentliche Ermahnungen, Vergleiche mit «Vorzeigeschülern». Erst in den 1990er-Jahren begann man, Fehler als Schritt zum Lernen zu verstehen.

«Wenn ein Kind in der Schule einen Fehler machte und eine schlechte Note bekam, stellten sich die Eltern meist auf die Seite der Lehrer», bestätigt meine Gesprächspartnerin Svitlana Manzer – Psychotherapeutin, Pädagogin und langjährige Leiterin einer Privatschule, die sie nach Schweizer Vorbild aufgebaut hat. Sie ist zudem Mutter von vier Kindern.

«Das ukrainische Schulsystem ist bis heute grösstenteils auf die richtige Antwort ausgerichtet», erklärt sie. «Doch die richtige Antwort ist nur eine – sie nimmt der Kreativität den Raum und zwingt das Kind in ein festes Schema. Die Bestrafung für Fehler ist eine Form psychologischer Manipulation in der Erziehung. Das hängt oft mit den Mustern in der Familie zusammen.»

Durch den Krieg haben in der Ukraine alltägliche Konflikte zugenommen. Übermüdete, gestresste Menschen – durch Luftalarme und Bombardierungen – geraten leichter in Streit, auf der Strasse oder in öffentlichen Verkehrsmitteln. Leider macht diese Spannung auch vor Schulen nicht halt: Eltern geraten mit Lehrer*innen aneinander, Schüler*innen mit Lehrer*innen und untereinander.

«Es kommt vor, dass Schulen Konflikte zwischen Kindern ignorieren, während Eltern sich zu stark einmischen», sagt Manzer. «Doch Kinder sollten lernen, Konflikte selbst zu lösen – mit einem Ergebnis, das für beide Seiten ein Win-win ist. Damit keiner sich gedemütigt fühlt. Sonst ist ein ungelöster Konflikt der Nährboden für den nächsten.»

«Wir versuchen, Konflikte, die in der Schule entstehen, auch dort zu lösen», ergänzt Stauffer. In solchen Fällen hilft oft die Schulsozialarbeit – eine unabhängige Instanz, die Kinder und Eltern bei der Konfliktlösung unterstützt.

Vielleicht liegt das ideale Erziehungsmodell irgendwo in der Mitte – zwischen dem Selbstvertrauen des Kindes und seinem Respekt gegenüber den Menschen um es herum?

Stauffer betont: Ein ideales Erziehungsmodell gibt es nicht. Auch Manzer ist überzeugt, dass es in der Ukraine viele engagierte Pädagog*innen und reife Eltern gibt, die verstehen, dass ein Kind sich frei, vielseitig und ohne sowjetische Narrative entwickeln sollte.

Ich selbst denke immer wieder: Dunkle Zeiten können auch helles Licht bringen.
Durch den Krieg wurden Ukrainer*innen über die ganze Welt verstreut. Seit fast vier Jahren tauschen wir Erfahrungen aus, lernen voneinander – nicht nur in der Schweiz, sondern in ganz Europa, ja, auf anderen Kontinenten. Das ist eine Chance: das Beste aus dem Eigenen zu bewahren – und das Beste aus dem Fremden zu lernen.

P.S. Einmal fuhr ich mit meiner Tochter auf den Gurten. In der Seilbahn stand neben uns eine Familie mit weinenden Kindern. Ein kleines Mädchen begann, aus Wut, meine Tochter und schliesslich auch mich zu stossen. «Niemand darf mich oder meine Tochter stossen», sagte ich lächelnd. Die Mutter antwortete: «Sie hat einfach Angst» – ohne ihr Kind zu ermahnen. Doch grenzenlose Nachsicht und ständige Parteinahme können andere verletzen.
Vielleicht liegt das ideale Erziehungsmodell also irgendwo in der Mitte – zwischen dem Selbstvertrauen des Kindes und seinem Respekt gegenüber den Menschen um es herum?


Між “соромно” і “спробуй ще раз»: як вчаться жити діти у Швейцарії та Україні

За кілька місяців до початку війни я побувала у Швейцарії на запрошення моєї подруги дитинства. За її рекомендацію я пішла до галереї у Базелі, аби подивитись картини Пабло Пікассо та Ель Ґреко, а повернулась звідти не лише з враженнями від творчості цих всесвітньовідомих художників. Неподалік вікна вередувала дівчинка, яка була одягнена лише у літнє плаття. Для листопаду незвично чи не так? Поруч стояли батьки і, здавалось, абсолютно не хвилювались з цього приводу. «Вона повинна сама зрозуміти, що цей одяг не для цієї пори року. А змерзнувши, засвоїть урок назавжди, – сказала моя подруга Анна. – За кілька років, які я живу у Швейцарії, я зрозуміла: тут дітям дають можливість самим вирішувати. Так формується впевненість у собі».

Відтак щоразу, поглянувши на закутану у теплу куртку та шапку дитину в Україні, я згадувала цю історію. Мама, яка наполягає на теплому одязі, робить дитину невпевненою в собі? Чи справді різниця між вихованням українських та швейцарських дітей є настільки великою? І коли час зупинити дитину, пояснивши суспільні правила, водночас не позбавити її впевненості у собі?

«Тут моїх спостережень буде замало», – вирішила я для себе і, щоб обговорити тему виховання дітей, напросилась на інтерв’ю до Christian Stauffer (Co-Schulleitung 5./6. Klasse, Schulkreis Breitenrain-Lorraine Bern). Stauffer – також батько. Він зазначив: процес виховання дітей тривалий і трудомісткий і навряд чи  колись буде ідеальним. «Ми супроводжуємо дітей так, щоб, коли вони підуть у дорослий світ, були якомога самостійнішими, впевненішими у собі, мали почуття власної ефективності. Дуже важливо навчити їх саморефлексії: якщо щось не вдалося, це – не катастрофа. Помилки – помічники на шляху до вдосконалення».

«Помилки дозволені, з них можна і треба вчитися», – каже Stauffer.  Крім того, дітей потрібно заохочувати думати критично. Вони мають право ставити запитання, висловлювати думку, навіть якщо вона відрізняється. Це не означає, що їхня думка домінуватиме, але важливо, щоб вони знали: їхній голос має значення. «Це – основа демократії», – впевнений Stauffer.

Головне завдання виховання у Радянській Україні було не навчити думати, а навчити виконувати.

Демократія і Радянський Союз, звідки «родом» сучасні українці, поняття, як відомо, несумісні. Можливо, саме тому в Україні, яка була його частиною, подекуди і до сьогодні помилки та критичне мислення розглядають як «відхилення від норми»? Ще 40 років тому в Україні, дитина, яка помилилася, могла почути: «Чому ти не стараєшся?», «Подивись, як інші можуть!», «Сором!» Тобто замість аналізу — емоційний осуд. Це виховувало страх зробити щось неправильно. Ймовірно, саме тому чимало українців бояться говорити іноземною мовою – через неправильну вимову і страх бути висміяним?

Головне завдання виховання у Радянській Україні було не навчити думати, а навчити виконувати. Педагоги часто користувалися приниженням як методом виховання: дошки ганьби, прилюдні зауваження, «червоні куточки», порівняння з «передовиками». Помилку як крок до пізнання почали трактувати лише у 90-их роках.

«Якщо дитина у школі помилялась і отримувала погану оцінку, батьки ставали на бік вчителів», – підтверджує мої дослідження Світлана Манзер. Манзер – психотерапевтка, педагогиня і в минулому багаторічна директорка приватної школи, яку вона будувала за швейцарським стандартом. А також мама чотирьох дітей. «Нинішня українська система освіти у більшості орієнтована на правильну відповідь», – додає педагогиня. Тобто правильна відповідь лише одна і вона передбачувано забирає креатив, натомість примушує дитину дотримуватися стандарту. А покарання за помилки є частиною психологічної маніпуляції при управлінні дитиною під час навчання. Найчастіше це пов’язано також зі стандартом виховання в родині.

Через війну в Україні зросла кількість буденних конфліктів. Напружені, невиспані через бомбардування та повітряні тривоги люди сваряться у транспорті або на вулиці. На жаль, протиборство проникло і в шкільне життя.  Батьки  конфліктують зі школою, учні з вчителями та між собою. «Є випадки, коли школа ігнорує конфлікти між дітьми, а батьки – навпаки – втручаються. Але діти повинні вирішити цей конфлікт із результатом “виграв – виграв». Щоб кожен з них не почувався приниженим. В іншому випадку невирішення проблеми – це основа нового конфлікту», – каже Манзер.

Тож, можливо, ідеальне виховання – це баланс між самовпевненістю дитини і її відчуттям поваги до тих, хто поруч?

«Ми намагаємося, щоб конфлікти, які виникають у школі, вирішувалися в школі, – додає Christian Stauffer. Якщо втручаються батьки, стає складніше. У таких випадках часто допомагає шкільна соціальна служба — незалежна інстанція в школі, яка підтримує дітей і батьків у розв’язанні конфліктів».

Stauffer наголошує: не буває ідеальної моделі. Манзер також впевнена: в Україні є багато професійних педагогів та зрілих батьків, в центрі усвідомлення яких дитина повинна розвиватися всебічно і без радянських наративів. Я ж вкотре думаю про те, що темні часи можуть приносити світлі рішення. Через війну українців розкидало по світу. Майже чотири роки ми обмінюємось досвідом, навчаємось новому не лише у Швейцарії, а й в інших країнах Європи. І навіть на інших континентах. І це – можливість залишити найкраще з того, що маємо ми. І вивчити найкраще з того, що є в інших.

P.S. Якось із донькою ми піднімались на Гуртен. У фунікулері поруч стояла родина із дітьми, які плакали. Маленька дівчинка спересердя почала штовхати мою доньку, а потім і мене. «Ні мене, ні мою доньку штовхати не дозволено», – сказала я, посміхаючись. На що її мама відповіла: «Вона просто боїться» і жодного зауваження своїй доньці не зробила. Але ж вседозволеність і підтримка власної дитини може ображати і травмувати іншу! Тож, можливо, ідеальне виховання – це баланс між самовпевненістю дитини і її відчуттям поваги до тих, хто поруч?