«Ich habe das Lesen erst spät entdeckt», erzählt Patrick Roth. Der gelernte Buchhändler steht zwischen den vielen bunten Büchern der Buchhandlung QueerBooks und erinnert sich an einen der ersten queeren Romane, die er gelesen hat: «Die Mitte der Welt» von Andreas Steinhöfel– «ein berührendes Jugendbuch», findet Patrick bis heute. Es handelt von Phil, einem Jugendlichen, der sich in seinen Mitschüler Nicholas verliebt – und gleichzeitig die Nöte des Erwachsenwerdens durchlebt.
Juni ist Pride Month. Auch in Bern wird in diesem Monat die Vielfalt der queeren Community gefeiert und gegen die weiterhin bestehende Diskriminierung protestiert. Journal B nimmt das zum Anlass, um in einer kleinen Portrait-Serie einige queere Angebote und Kollektive in der Bundesstadt vorzustellen.
Das 1998 geschriebene Buch erschien in einer Zeit, in der es noch wenig Literatur mit queeren Inhalten gab. Das hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Bis heute bleibt QueerBooks jedoch eine der wenigen Buchhandlungen in der Schweiz, die sich explizit queerer und feministischer Literatur widmen. 2022 wurde das Stadtberner Geschäft zusammen mit zwei anderen Buchhandlungen zur Buchhandlung des Jahres nominiert.

Als die Frauenbuchhandlung schliessen wollte
Wer die Buchhandlung in der Herrengasse betritt, mag zunächst leicht irritiert sein. Auf der einen Seite der Buchhandlung Weyermann, zu der QueerBooks gehört, liegen Kristalle, Engel und Bücher wie «Orakel für dein inneres Kind» in der Auslage. Auf der anderen Seite Regenbogenbuttons, theoretische Werke von Feminist*innen wie bell hooks und queere Sachliteratur zu Nonbinarität oder Homosexualität.

Diese ungewöhnliche Mischung ist historisch gewachsen: Seit ihrer Gründung 1966 hatte sich die Buchhandlung Weyermann auf Spiritualität, Meditation, Esoterik und Sanftes Heilen spezialisiert. 2011 übernahm sie aber auch das Sortiment der ehemaligen Frauenbuchhandlung Candinas in der Münstergasse, nachdem diese zuging. Von nun an gab es in der Buchhandlung Weyermann erstmals auch Belletristik und Bücher zu feministischen, schwulen und lesbischen Themen zu kaufen. 2012 kam Patrick Roth hinzu – und begann das Sortiment zu erweitern. 2013 wurde dann die Marke «QueerBooks» gegründet.
Bis heute bleibt QueerBooks eine der wenigen Buchhandlungen in der Schweiz, die sich explizit queerer und feministischer Literatur widmen.
Seither hat sich viel verändert. «Die Auswahl in den Verlagsvorschauen, unser Sortiment, die Regalmeter, der Kund*innenstamm – alles ist gewachsen», so Patrick. Inzwischen gäbe es eine viel grössere Auswahl an queerer und feministischer Literatur. «Früher haben wir ein Buch auf Lager genommen, wenn auch nur eine Nebenfigur darin schwul war. Einfach, weil das Angebot so klein war!», erinnert sich der Buchhändler. Mittlerweile könnten sie tatsächlich eine Auswahl treffen. Im heutigen QueerBooks ist alles zu finden: Von Kinderbüchern über Jugendromane, zu Sachliteratur und theoretischen Abhandlungen. In stundenlanger Recherchearbeit bezieht das Team diese nicht nur von den grossen, sondern auch von kleinen Verlagen oder direkt von den Autor*innen selbst. Auch kleinere, unbekannte Zeitschriften sind deshalb bei Queerbooks zu finden.

Ein Grossteil der Bücher im Sortiment ist auf Deutsch, etwa 20 Prozent jedoch auch auf Englisch. «Insbesondere Bücher zu Polyamorie und alternativen Beziehungsformen gab es lange Zeit fast keine auf Deutsch», erklärt Milena Leutert, die seit 2021 ebenfalls bei QueerBooks arbeitet. Die Buchhandlung betreibt auch einen Onlinehandel. Seit dem Ende der Corona-Pandemie laufe ein Grossteil des Verkauf jedoch erstaunlicherweise wieder im Laden ab. «Heute machen wir etwa 60 Prozent des Umsatzes mit dem Laden, und nur noch etwa 40 Prozent online. Früher war das genau umgekehrt», so Patrick.
«Wussten Sie, dass zwei Väter vorkommen?»
Auch die Kund*innen haben sich seit Beginn von QueerBooks verändert. «Heute kommen sehr viele junge Leute», teilt Patrick seine Einschätzung, «Auch das Interesse an Sachbüchern ist gestiegen.» Unverändert ist jedoch das positive Echo, das die Buchhandlung erhält. «Aus meiner Sicht bester Buchladen in Bern», steht in einer der vielen positiven Rezensionen auf Google. Tatsächlich würde ihr Angebot sehr geschätzt und die Kund*innen bedankten sich oft bei ihnen für ihre Arbeit– was Milena von ihrem früheren Arbeitsort so nicht kannte. «Anfangs habe ich mich gefühlt, als wäre ich in einem Wohltätigkeitsverein!», schmunzelt die gelernte Buchhändlerin. Besonders schön seien persönliche Geschichten, erzählt sie: «Eine Person hat mir erzählt, dass sie gerne Jugendbücher hier kauft, weil es diese in ihrer Jugend nicht gegeben habe und sie diese Jugend so noch ein wenig nachholen könne.»
Anfangs habe ich mich gefühlt, als wäre ich in einem Wohltätigkeitsverein!
Negative Reaktionen, wie man sie erwarten könnte, würden sie stattdessen kaum welche erhalten. «Einmal hatte ich eine Frau am Telefon, die ein Buch für ihre Tochter erhalten hatte, in welchem zwei Väter vorkamen», erinnert sich Leutert lachend an einen der seltenen Fälle, «Das Buch war bei uns gekauft worden und sie hat gefragt, ob wir wüssten, dass solche Sachen in diesem Buch stehen? Sie dachte wirklich, dass mich das empören würde.»

Was die Zukunft für sie bereithält? Weiter wie bisher, finden die beiden Buchhändler*innen. Sie möchten gerne wachsen, noch mehr Raum für das queere und feministische Angebot schaffen. «Gleichzeitig gibt es mittlerweile in jeder grösseren Buchhandlung ein Regal mit queerer und feministischer Literatur. Das sehen wir natürlich sehr positiv: Diese Literatur ist wirklich im Mainstream angekommen», so Patrick, «Aber auf der anderen Seite müssen wir uns auch immer wieder fragen, wie wir uns davon abheben können.» Bisher tun sie das: Mit einem grossen und sorgfältig ausgewählten Angebot und äusserst hilfsbereiten Buchhändler*innen hinter dem Tresen – ein literarischer Regenbogen unter den so homogen beigen Sandsteinlauben Berns.
