Wettbewerb Alte Feuerwehr: Sieger kommen aus Biel

von Martin Jost 12. April 2022

Der Architekturwettbewerb zur Neugestaltung des Areals der Alten Feuerwehr Viktoria ist entschieden. Den Zuschlag erhielt jenes Projekt, das aus Sicht der Jury der Gesamtnutzung des Areals das höchste Mass an Flexibilität und Nachhaltigkeit gewährt.

«Open the bottle Albert . . . we have won», sagt Victoria zu Albert. Das tut sie in einer Sprechblase auf der Website des Architekturbüros «Verve Architekten», das in einer Arbeitsgemeinschaft mit dem ebenfalls in Biel ansässigen Architekturbüro «:mlzd» das Siegerprojekt «Victoria & Albert» entwickelt hat.

Betrachtet man Victoria und Albert als ein Paar in einer Lebensgemeinschaft, lassen sich durchaus Parallelen zum Projekt ableiten. Weil Nachhaltigkeit nicht nur im ökologischen Bereich gefragt war, sondern auch in der Schaffung dauerhafter Wohnformen für ein sozial durchmischtes, kollektives und selbstbestimmtes Wohnen; dazu als Einheit und im Einklang mit Gewerberäumlichkeiten und einer Tagesschule.

Die sieben Architekturbüros, die sich am Projektwettbewerb für die Alte Feuerwehr Viktoria beteiligten, mussten sich intensiv mit den anspruchsvollen Bedingungen auseinandersetzen. Dessen ist sich Tilman Rösler bewusst. Er ist Architekt, Vorstandsmitglied der Genossenschaft Feuerwehr und Mitglied der 12-köpfigen Jury. Rösler:  «Es sind sehr gute Beiträge eingegangen. Es war nicht so, dass das Siegerprojekt  völlig herausgestochen wäre. Wir haben lange über mehrere Projekte diskutiert. Den Ausschlag gab, dass dieses Projekt die grösste Flexibilität ermöglicht.»

Austausch über Umsetzung im Detail

Vor allem sei der Wohnungsmix, den die Genossenschaft vorgab, mit dem Siegerprojekt am besten realisierbar. Dieser Mix sieht nebst Familienwohnungen auch Clusterwohnungen vor, also Wohnmodelle, die dank gemeinschaftlich genutzter Räumlichkeiten möglichst wenig individuelle Wohnfläche beanspruchen.

«Der Aspekt des Teilens von Wohnraum steht bei diesem Wohnmodell im Vordergrund, dazu muss jemand bereit sein», ergänzt Nicole Stolz, Co-Präsidentin des Vorstandes der Genossenschaft Feuerwehr. Sie spricht von etwa 40 Menschen, die dereinst im Areal wohnen werden. Bevor es so weit ist, muss noch einiges getan werden.

Der Fahrplan

Nicole Stolz skizziert das weitere Vorgehen: «Es werden Treffen stattfinden zwischen der Genossenschaft und dem Architekturteam. Dabei werden wir erfahren, wie die Umsetzung im Detail erfolgen soll; und wir können unsere Änderungswünsche einbringen. Nach diesem partizipativen Prozess wird das Architekturbüro das Bauprojekt ausarbeiten.» Wird dieses bewilligt, sind noch allfällige Einsprachen abzuwarten und deshalb sei der Zeitpunkt des Beginns der Bauarbeiten nicht exakt voraussehbar. Trotzdem wagt Nicole Stolz eine Prognose: «Der Fahrplan sieht vor, dass im Jahr 2023 der Baubeginn erfolgt und das Vorhaben im Laufe des Jahres 2024 abgeschlossen ist. »

Derzeit ist das Areal in einer äusserst erfolgreichen Zwischennutzung. Weitherum bekannt ist das Restaurant Löscher.

feuerwehr viktoria
So sieht das siegreiche Projekt aus. (Foto: Martin Jost)

Tilman Rösler spricht nochmals die eingegangenen Projekte an und erwähnt mit den ökologischen Anforderungen einen weiteren gewichtigen Punkt zur Entscheidung der Jury: «Der Anteil der grauen Energie soll maximal tief sein. Das Siegerprojekt beinhaltet innovative Ideen, die über den heutigen Standard hinausgehen und zukunftsweisend sind für nachhaltige Bauweise. »

Saalbau muss weichen

Eine hohe Bedeutung bei der Beurteilung hatte auch die Eingliederung des Neubauprojektes zu den bestehenden, teils denkmalgeschützten Gebäudeteilen der ehemaligen Kaserne. Dabei kommt Tilman Rösler auf das wohl spektakulärste Element innerhalb des Projektes zu sprechen: Um das geforderte Nutzungsmass zu erreichen, muss der Saalbau einem Ersatzneubau weichen. Es sei denn, der bestehende Saalbau wird in den Hof verschoben. Was technisch machbar ist und einen Neubau dort hinfällig macht.

Das Architektenteam begründet diese Idee damit, dass der Erhalt den Werten der Genossenschaft entspreche, zudem biete der bestehende Saalbau alles, was vom Neubau verlangt wird. Der Architekt Tilman Rösler will diese Option nicht verwerfen, äussert sich jedoch zurückhaltend: «Das ist wahrscheinlich sehr aufwendig. Auch müssten Bäume auf dem Nachbarsgrundstück gefällt werden, was realistisch gesehen kaum umsetzbar ist. Aus meiner Sicht stehen die Kosten zum Nutzen in einem ungünstigen Verhältnis. »

Finanzierung durch sichere Anlagen

Einen Neubau im Hof betrachtet er nicht als Nachteil für das Gesamtprojekt, denn «dieser gibt uns die Flexibilität, zusammen mit den Architekten das Wohnprojekt optimal umzusetzen. » Ein weiteres Argument dafür sieht Tilman Rösler auch in den tieferen Kosten, denn es soll dereinst zahlbarer Wohnraum angeboten werden.

Die Genossenschaft Feuerwehr ist überzeugt vom zukunftsweisenden Charakter ihres Projektes. Überzeugung allein reicht zur Finanzierung jedoch nicht aus. Damit die gemeinnützige Wohnbaugenossenschaft das Projekt erfolgreich umsetzen kann, ist sie auf finanzielles Engagement aus privaten und institutionellen Kreisen angewiesen.

Im Gegenzug gibt die Genossenschaft das Versprechen nach sicheren, sozialen und nachhaltigen Anlagemöglichkeiten ab. Es gibt auch Versprechen im immateriellen Bereich, sagt Tilman Rösler auf die Frage, welche Vorteile beispielsweise der Kauf von Anteilscheinen mit sich bringt: «Dadurch wird man Mitglied der Genossenschaft und der Bauherrschaft, und dadurch entsteht ein Mitspracherecht.»

 

Dieser Text erschien zuerst im «Anzeiger für das Nordquartier».