1. November 2014: Gegen hundert Leute, die an einer Zwischennutzung der alten Feuerwehrkaserne Viktoria interessiert sind, treffen sich zum Workshop. Die Vorstellungen reichen von «Ich würde gerne mit meiner Schwester etwas mit Tapas machen» bis zu «Ich kann Euch schon morgen eine Kaffeebrennerei hinstellen und damit grad noch die Garage heizen.» Letzteres war natürlich Adrian Iten.
Jetzt, ein Jahr später, ist Adrian immer noch dabei, und die zwischengenutzte Feuerwehrkaserne feierte schon ihren ersten Tag der offenen Tore – mit hunderten von begeisterten Besuchenden (siehe dazu auch das Bild). Mit Adrian sind viele der damaligen Teilnehmenden weiterhin dabei. Die einzelnen Projekte sind längst angelaufen, sofern sie nicht von Einsprachen betroffen sind. Was mich besonders freut: Alle, die in der Feuerwehrkaserne ein Projekt führen, machten sich schon von Beginn weg Gedanken, wie sie die in der anderen Hälfte des Hauses untergebrachten Flüchtlinge integrieren können.
Für mich als Konsumenten und aussenstehenden Beobachter ist die Zwischennutzung Viktoria der Aufsteller des Jahres. Und ich staune, wie viele Leute den Mut hatten, sich darauf einzulassen und sich zum Beispiel mit einem kleinen Start-up dort für eine begrenzte Zeit niederzulassen. Oder sich, einen Stock höher, als Freiwillige für die Kollektivunterkunft zu melden und zum Beispiel Sprachkurse zu geben.
Ähnliche Effekte wie bei der Besetzung der BKW-Wiese im Jahr 2011 sind zu beobachten: eine mit Händen greifbare Aufbruchstimmung, idealistische Leute, die sich gwundrig vernetzen. Man hilft einander, alle nach den eigenen Fähigkeiten. Wobei handwerkliche oder grafische Fertigkeiten jeweils besonders gefragt sind.
Auf der anderen Seite der Gefühlsskala die Einsprachen einer kleinen Minderheit. Das Grundproblem hier: Stadt- und Gemeinderat haben es bisher nicht geschafft, Zwischennutzungen in der Bauordnung verbindlich als das zu regeln, was sie sind: Provisorien, die Aufschluss über die definitive Nutzung geben könnten. Solange das nicht geregelt ist, ist es weiterhin möglich, mit Einsprachen bis nach Lausanne praktisch das ganze Zeitfenster einer Zwischennutzung zu schliessen.
Zwischennutzungen müssen wir unbedingt als wertvolles Gut zu schützen. Denn sie geben nicht nur wertvolle Hinweise für den zur Diskussion stehenden Perimeter, sondern letztlich auch Aufschluss über das betroffene Quartier und seine interagierenden Menschen: Was verstehen sie unter Lebensqualität? Zwischennutzungen bringen gelebte Partizipation, in einer Art Laborsituation – und für einmal nicht nur auf dem Papier.