«Es ist mir wichtig, dass meine Stimme gehört wird – auch hier, in der Schweiz, deren Amtssprachen ich nicht perfekt beherrsche.» Das war mein Fazit nach langen Überlegungen.
Ich bin eine professionelle Journalistin mit langjähriger Erfahrung im ukrainischen Fernsehen – aus meinem gewohnten Leben wurde ich durch den grossangelegten Angriff Russlands auf die Ukraine herausgerissen. Ich bin eine Journalistin, die für ihre Arbeit gelebt hat. Und ich bin auch eine Journalistin, die im Jahr 2022 ihre Karriere in der Ukraine beendete – um der Sicherheit ihrer sechsjährigen Tochter willen.
Vielleicht klingt das etwas zu poetisch, aber das Universum hat meine Gedanken gehört. Und nun erklingt die ukrainische Sprache seit einem Jahr auf Radio RaBe in Bern, wo wir gemeinsam mit Gleichgesinnten die Sendung «Ukrainische Welle» gegründet haben. Wir haben Geburtstag!
Nein, es ist nicht einfach, einer regulären Arbeit nachzugehen und zusätzlich eine Radiosendung zu produzieren.
Die Ukrainische Welle ist ein Baby, das lernt, gleich zwei Sprachen zu sprechen. Wir erzählen auf Deutsch über ukrainische Kultur, Literatur und Geschichte. Die Schweizer Bevölkerung mit der ukrainischen Mentalität und der jahrhundertealten, aber schwierigen Geschichte unseres Landes vertraut zu machen – das ist eine interessante Herausforderung!
Wie wurde Weihnachten in der alten Ukraine gefeiert? Warum begehen wir Gedenktage, die mit dem Kampf um die Unabhängigkeit der Ukraine verbunden sind? Und was haben ukrainische und schweizerische Stickereien gemeinsam? Solche Themen sind für uns sehr wichtig!
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Ukrainische Frauen, deren Schicksal durch den Krieg verändert wurde, deren innere Stärke jedoch ungebrochen blieb. Frauen, die ihren Beruf wechselten, sich in neuen Lebensrealitäten zurechtfanden und die Kraft haben, anderen zu helfen – diese Geschichten haben auch uns inspiriert. Nein, es ist nicht einfach, einer regulären Arbeit nachzugehen und zusätzlich eine Radiosendung zu produzieren. Ja, manchmal endet der Schnitt erst um Mitternacht.
Die Idee, eine ukrainische Radiosendung in der Schweiz zu gründen, stammt … von einer Schweizerin. Manchmal scherze ich, dass Karin Gerber ukrainischer ist als manche Ukrainer:innen. Sie kennt die Geschichte, interessiert sich für Bräuche und hat dank ihres grossen Herzens eine persönliche Verbindung zur Ukraine – Karin nahm eine Geflüchtete aus Kyiv bei sich zu Hause auf.
Wir werden Geschichten erzählen, die ein glückliches Ende haben. Denn für uns ist das erst der Anfang.
«Ich fühle mich den Ukrainer:innen seit 2014 verbunden, als während der Maidan-Proteste eine junge Frau aus der Ukraine als Au-pair-Mädchen bei mir lebte», erinnert sich Karin.
Die Idee zur Ukrainischen Welle kam ihr, als sie sah, dass es in Basel bereits eine ukrainische Radiosendung gibt. «Ich schrieb einer der Moderatorinnen: Das brauchen wir auch in Bern!» Diese veröffentlichte daraufhin einen Aufruf in den sozialen Medien, und Menschen meldeten sich.
«Zuerst wollte ich mich eigentlich wieder zurückziehen», erzählt Karin, «aber hier bin ich immer noch. Einerseits baten mich Svitlana und das Team zu bleiben, andererseits ist das Projekt so spannend, dass ich richtig Freude am Radiomachen gefunden habe.»

Karin ist überzeugt, dass es wichtig ist, den Ukrainer:innen in unserer Region eine Stimme zu geben – damit sie selbst über sich sprechen und sich ausdrücken können.
«Auch für mich – und, denke ich, für die Hörer:innen von RaBe – ist es spannend, mehr über die ukrainische Kultur zu erfahren. Ich glaube, wir alle wissen viel zu wenig über Osteuropa. Deshalb wird es auch in Zukunft noch viele Themen geben, über die es sich zu berichten lohnt», fasst Karin Gerber zusammen.
Während der Vorbereitung unserer Sendungen lernen wir unsere Gäste und Expert:innen besser kennen. Leider hat uns eine wunderbare Person, die Gast meiner Sendung war, bereits diese Welt verlassen. Natalia Kovtun, die an der Universität Bern Ukrainisch unterrichtete, teilte offen ihre Gedanken und Erfahrungen über ihre Arbeit. Mit den herzlichsten Erinnerungen an dich, Natalia…

Im Laufe des Jahres, seit es die Ukrainische Welle gibt, sind aus Begegnungen mit interessanten Menschen neue spannende Projekte entstanden. Doch unsere innere Strategie bleibt unverändert: Wir werden weiterhin über die Ukraine, ihr Volk, ihre Kultur und ihre Traditionen erzählen. Wir werden weiterhin inspirierende Menschen suchen, die unsere Zuhörer:innen berühren. Und wir werden Geschichten erzählen, die ein glückliches Ende haben.
Denn für uns ist das erst der Anfang. Und wer weiss – vielleicht wird die Ukrainische Welle in ein paar Jahren ein Teenager sein, der frei in beiden Sprachen spricht und seine Zukunft nur hell und positiv sieht.
Svitlana Prokopchuk im Rabe-Studio. (Foto: zVg)
