Noch zu Beginn der letzten Legislatur schien der Berg unbezwingbar: Anfang 2021 warteten über 450 Vorstösse auf ihre Behandlung im Stadtrat. Die Pendenzen, die es abzuarbeiten galt, wurden trotz aller Bemühungen einfach nicht weniger. Letzten Freitag nun die Meldung in den Stadtrat News: Die Pendenzen sind seit April dieses Jahres abgebaut!
…und dann ging es vier bis sechs Jahre, bis das Parlament über diese Idee befinden konnte.
Was dies bedeutet, erklärt Stadtratspräsident Tom Berger gegenüber Journal B: «Früher hatte man eine Idee, was man in der Stadt Bern ändern möchte, reichte einen Vorstoss ein und dann ging es vier bis sechs Jahre, bis das Parlament über diese Idee befinden konnte.» Oftmals seien die Personen, die den Vorstoss eingereicht hatten, zu diesem Zeitpunkt nicht einmal mehr im Parlament gewesen, so der FDP-Politiker. Auf den 1. Januar 2023 trat deshalb bereits eine Revision des Ratsreglements in Kraft, die das Prozedere verschlankte. So wurden unter anderem die vorberatenden Kommissionen gestärkt, die gewisse Geschäfte abschliessend behandeln können. Antworten auf Interpellationen werden nur noch im Stadtrat behandelt, wenn das ein Mitglied innerhalb von zwei Monaten nach deren Zustellung verlangt. Und Antworten auf Kleine Anfragen werden nicht mehr im Stadtrat behandelt, sondern schriftlich verfasst.

Zudem habe es auch einen Kulturwandel gegeben im Parlament, erklärt Berger: «Es ist richtig und wichtig, dass in einem Parlament debattiert wird und das alle die Möglichkeit haben, ein Votum zu halten. Allen voran bei unbestrittenen Sachgeschäften hat es sich aber eingependelt, dass man kurze Voten hält und oftmals verzichten Fraktionen auf eigene Voten, weil die Kommissionssprecher:in bereits alles gesagt hat.»
Über Jahre war der Stadtrat durch einen Berg von überholten oder erledigten Vorstössen blockiert
Diese Änderungen ermöglichten, dass der Pendenzenberg schrittweise immer weiter abgebaut werden konnte. Heute kann ein Vorstoss innerhalb eines halben Jahres behandelt werden. Nun habe der Stadtrat wieder die Ressourcen, um sich mit den dringenden Themen, die die Stadt beschäftigen, auseinanderzusetzen, schreibt auch die SP-Stadträtin und letztjährige Stadtratspräsidentin Valentina Achermann auf Anfrage: «Der Stadtrat ist wieder politisch handlungsfähig. Über Jahre war er durch einen Berg von überholten oder erledigten Vorstössen blockiert. Diese Situation hat Ressourcen gebunden, die wir nun wieder für aktuelle politische Auseinandersetzungen nutzen können.» Das stärke auch die demokratische Rolle des Rats und ermögliche eine echte Mitgestaltung.
Tom Berger betont jedoch auch, dass der Abbau des Pendenzenbergs mit Vorsicht zu geniessen sei. «An der Stadtratssitzung vom 26. Juni wurden beispielsweise bereits 26 neue Vorstösse eingereicht. Es wird mehr als eine Stadtratssitzung brauchen, um diese zu behandeln.» Um die Pendenzenlast gering zu halten, muss der Stadtrat also auch in Zukunft dranbleiben.
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