Sprache als Brücke zwischen Kulturen

von Svitlana Prokopchuk 20. Mai 2025

Ukrainisch Seit fast zwei Jahren wird an der Uni Bern die ukrainische Sprache gelehrt. Die Entscheidung den Kurs ins Angebot der Uni aufzunehmen, hängt mit dem russischen Angriffskrieg zusammen. Forscherinnen geben einen Einblick in ihre Arbeit.

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges hat das Interesse an der ukrainischen Sprache und Kultur in Bern deutlich zugenommen. So bietet neben den Angeboten ukrainischer Gruppen, Wochenendschulen und Kulturzentren auch die Universität Bern seit fast zwei Jahren einen Ukrainischkurs für Anfänger*innen an. Dieser Kurs richtet sich hauptsächlich an Studierende der Slavistik, steht jedoch auch Gasthörer*innen offen. Für Schweizer*innen bietet dieser Kurs eine Gelegenheit, mehr über die Kultur, Literatur und Geschichte der Ukraine zu erfahren.

Es ist mir wichtig, Europäer*innen mit der Ukraine vertraut zu machen

«Sprache ist nicht nur das Alphabet», sagt Dr. Nataliia Kovtun, die diesen Kurs seit zwei Jahren leitet. Die Dozentin für Slavische Sprachwissenschaft mit dem Schwerpunkt Ukrainisch erklärt: «Ich bereite für meine Studierenden verschiedene Texte, Präsentationen und Audiomaterialien vor, die sich mit der Kultur, Literatur und Geschichte der Ukraine befassen. Es ist mir wichtig, Europäer*innen mit der Ukraine vertraut zu machen.» Kovtun studierte Slavistik an der Iwan-Franko-Universität Lwiw mit einem Schwerpunktauf tschechischer und ukrainischer Sprache, Literatur sowie englischer Philologie. Dort promovierte sie und arbeitete am Lehrstuhl für slawische Philologie.

Am 15. Mai, als dieses Foto aufgenommen wurde, war der Tag der Wyshywanka – ein inoffizieller Feiertag, der jedes Jahr am dritten Donnerstag im Mai gefeiert wird. An diesem Tag tragen viele Menschen – wie auch Nataliia Kovtun auf dem Bild – traditionelle bestickte ukrainische Kleidung. (Foto: David Fürst.)

Nun unterrichtet sie seit zwei Jahren an der Universität Bern . Das Interesse an der ukrainischen Sprache gehe vor allem von Slavistik-Studierenden aus, aber auch Studierende anderer Fachrichtungen wie Osteuropa-Studien, Geschichte, Psychologie oder Sozialanthropologie würden an den Kursen teilnehmen.

Journal B unterstützen

Unabhängiger Journalismus kostet. Deshalb brauchen wir dich. Werde jetzt Mitglied oder spende.

Die Entscheidung, den Studierenden der Universität eine weitere slawische Sprache anzubieten, fiel bereits vor einigen Jahren. Prof. Dr. Katrin Bente Karl, Direktorin des Instituts für slavische Sprachen und Literaturen in Bern, berichtet, dass sie nach ihrer Ernennung entscheiden konnte, welche Sprache – Ukrainisch oder Tschechisch – zukünftig unterrichtet werden sollte: «Damals hatte der Krieg bereits begonnen. Und nach Rücksprache mit Kolleg*innen fiel die Entscheidung für das Ukrainische: Das ist unsere Möglichkeit, die Ukraine zu unterstützen. Unsere Aufgabe ist es, aufzuklären.»

Prof. Dr. Katrin Bente Karl, Direktorin des Instituts für slavische Sprachen und Literaturen an der Uni Bern. (Foto: zVg)

Darüber hinaus steht die ukrainische Sprache in engem Zusammenhang mit ihrer eigenen wissenschaftlichen Arbeit. Im Jahr 2016 gründete Professor Karl das Projekt «UnVergessen»,. Die Idee: Studierende besuchen regelmässig ältere Menschen in Pflegeheimen, sprechen mit ihnen in ihrer Muttersprache und nehmen an ihrem Alltag teil. Parallel dazu findet eine wissenschaftliche Begleitung und Analyse dieser Aktivitäten in universitären Seminaren statt. Im Rahmen dieses Projekts hatten Studierende bereits mit zwei Ukrainerinnen Kontakt.

Ukrainische Bücher in Bern

Die Verbesserung der Ukrainischkenntnisse, die Erforschung der ukrainischen Geschichte in verschiedenen Epochen und das Studium der ukrainischen Kultur sind auch in Bibliotheken möglich. Mindestens zwei Berner Bibliotheken verfügen über Sammlungen von Büchern, Zeitschriften und Zeitungen in ukrainischer Sprache. Die Schweizerische Osteuropabibliothek (SOB) bietet Bücher über Geschichte, Politik und Gesellschaft der Ukraine an. «Wir bestellen schon seit Langem – auch schon vor 2022 – regelmässig Bücher aus der Ukraine, und trotz des Krieges treffen weiterhin alle Bücher bei uns ein», sagt Dr. Eva Maurer, Leiterin der SOB.

Dr. Eva Maurer, Leiterin der SOB (links) und Prisca Zurrón, Verantwortliche und Fachreferentin der Bibliothek Slavistik. (Foto: Svitlana Prokopchuk)

Die Bibliothek arbeitet mit verschiedenen Verlagen in Kyiv, Lwiw und anderen ukrainischen Städten zusammen. Die Bücher werden nicht nur von Studierenden, sondern auch von Forschenden gelesen, die sich für gesellschaftliche Diskussionen, Politik oder Geschichte interessieren. «Wir machen vielfältige Stimmen zur Politik und Gesellschaft der Ukraine zugänglich und bewahren sie auch für die Zukunft auf», fügt Maurer hinzu.

Ukrainische Bücher stossen in Bern auf Interesse. (Foto: Svitlana Prokopchuk)

Auch die Bibliothek Slavistik an der Universität Tobler verfügt über eine Sammlung von Büchern in ukrainischer Sprache. «Normalerweise kaufen wir Belletristik und Linguistik in der Originalsprache. Seit Beginn des Krieges haben wir begonnen, mehr Literatur auf Ukrainisch zu bestellen, da wir wollten, dass Flüchtlinge aus der Ukraine hier eine Heimat finden können», sagt Prisca Zurrón, Verantwortliche und Fachreferentin der Bibliothek Slavistik. Vor diesem Hintergrund nicht überraschend: Neben Fachliteratur finden sich deshalb auch Harry-Potter-Bände auf Ukrainisch in der Bibliothek.