Eine Hauptrolle im diesjährigen Musikfestival Bern kommt dem Schweizer Komponisten Michael Pelzel zu. Er steuert als Composer in Residence nicht weniger als fünf Uraufführungen zum Festivalprogramm bei. Zum Auftakt inszeniert er seine Komposition «Bells & friends», bei welcher Kinder und Jugendliche unter seiner Leitung den Innenhof des Progr aus den darum herum liegenden 133 Fenstern mit Schlaginstrumenten, Okarinas und Flöten beschallen. Auch das anschliessende Eröffnungskonzert in der Grossen Halle der Reitschule mit der Camerata Bern und dem La Cetra Vokalensemble Basel beginnt mit einem neuen Werk von Michael Pelzel. Abgeschlossen wird das Festival mit einem Konzert im Berner Münster, in welchem Madrigale von Claudio Monteverdi mit Orgelwerken von Michael Pelzel und György Ligeti kombiniert werden.
Wer an diesen Konzerten schwärmerische Musik im Sinne romantischer Liebeslieder erwartet, wird enttäuscht werden. Pelzels Werke nähern sich dem Thema «schwärme“ vielmehr durch eine erweiterte Tonalität, durch die Benutzung von Mikrointervallen und Mikrorhythmen, durch intensive Klangballungen und die Bildung von Klangschwärmen. Die begehbare Klanginstallation «Hummelflug» des Chuchchepati Orchestra verbindet Instrumentalklänge mit Feld- und Laboraufnahmen von fliegenden Insekten. Die Cellistin Christina Meissner improvisiert zur Musik eines eigens für das Festival gezüchteten Mückenschwarms.

Neue Konzertformen
In verschiedenen Veranstaltungen wird nach neuen Konzertformen gesucht, welche das traditionelle Nebeneinander von musizierenden Künstlerinnen und Künstlern und zuhörendem Publikum aufbrechen sollen. So wird im Berner Münster ein Oratorium für 6 Singstimmen, Instrumentalquartett, Live-Elektronik und Orgel von Thomas Kessler aufgeführt, in welchem durch eine besondere variable Klangregie eine eigentliche Raumkomposition entstehen soll. Sie ist verbunden mit Texten des Berner Dichters Lukas Bärfuss. Auch hier handelt es sich um eine Uraufführung.
In der Grossen Halle der Reitschule improvisieren 24 Musikerinnen und Musiker unter der Leitung von Julian Sartorius in einem weitgehend verdunkelten Raum, in welchem sich das Publikum frei bewegen kann. Am letzten Tag des Festivals wird im Berner Münster ein Werk von Salvatore Sciarrino für vier Flöten und ein wanderndes Begleitorchester aufgeführt. Das aus über 60 Flötistinnen und Flötisten bestehende Orchester bewegt sich durch den Kirchenraum und umschwärmt das Publikum von allen Seiten. Zudem werden vorgängig aufgenommene Summtöne des Publikums in diese Schwarmmusik eingespielt.
Schwarmintelligenz
Teil des Festivalprogramms sind weiter vier Veranstaltungen, in welchen nach Verbindungen zwischen Musik und Wissenschaft gesucht wird. Je eine Biologin, ein Ökonom, ein Neurologe und ein Soziologe referieren über Schwarmverhalten in ihren Fachgebieten, während Komponistinnen und Komponisten das jeweils gleiche Thema in eigens komponierten Werken musikalisch auszudrücken versuchen. Unter dem Titel «Schwarmintelligenz» sind diese Veranstaltungen zusammengefasst, die jeweils über Mittag in der Aula des Progr stattfinden werden.
Mit drei Filmmatineen beteiligt sich das Kino Rex am Festivalprogramm. Die ersten beiden sind dem ungarischen Komponisten György Ligeti und dem österreichischen Komponisten Georg Friedrich Hass gewidmet, die sich schon früh mit Klangschwärmen beschäftigt haben. Den Abschluss macht der Film «Human Flow» des chinesischen Künstlers Ai Weiwei, in welchem die globale Flüchtlingsbewegung thematisiert wird.
Festivalzentrum im Progr
Die Veranstaltungen finden mehrheitlich im Progr und in der Dampfzentrale statt. Weitere Veranstaltungsorte sind die Grosse Halle der Reitschule, das Berner Münster, der Botanische Garten, die Burgerbibliothek, der Kuppelraum der Universität und die Heitere Fahne. Im Innenhof des Progr wird ein Festivalzentrum aufgebaut, wo Tickets gekauft werden und spontane Gespräche mit den beteiligten Künstlerinnen und Künstlern stattfinden können.
Täglich um 12 Uhr betreibt das Berner Kulturradio RaBe ein spezielles Festivalradio. Der Sender berichtet über das Programm, beleuchtet Hintergründe, führt Gespräche und sendet eigene Beiträge zum Thema.