Jakub Winter ist 23 Jahre alt, Sinto und wohnt auf dem Standplatz in Bern. Er arbeitet zusammen mit seinem Vater als Selbstständiger in verschiedenen Regionen der Schweiz. Sie gehen von Haus zu Haus und bieten unterschiedlichste Handwerksdienste wie Mauer- oder Malarbeiten an. In seiner Freizeit fotografiert er gerne.
Journal B: Im Februar hat der Bundesrat die Verfolgung von Jenischen und Sinti*zze im 20. Jahrhundert als Verbrechen gegen die Menschlichkeit anerkannt. Was ging dir durch den Kopf, als du davon gehört hast?
Jakub Winter: Für mich ist das ein recht sensibles Thema. Auch wenn meine Familie zum Glück nicht davon betroffen war. Aber ich kenne eben viele Leute, die diese Verfolgung selbst erlebt haben oder deren Familie davon betroffen war. Ihre Geschichten habe ich schon als Kind gehört – das jagte einem auch Angst ein. Es ist und bleibt ein Schockthema. Positiv ist, dass die Verfolgung nun endlich anerkannt wurde – negativ, dass es so lange gedauert hat. Ich hoffe, dass die Betroffenen nun Frieden finden können und Wiedergutmachung erhalten.

Wie erlebst du Diskriminierung in der heutigen Schweizer Gesellschaft?
Es ist einfach der Alltagsrassismus, den man erlebt. Gestern beispielsweise war meine Schwester an einem Konzert, als sie neben ihr einen jungen Mann sagen hörte: «Ich springe jetzt über die Barriere wie ein Zigeuner.» Vor allem in der jungen Generation wird dieses Wort immer noch sehr häufig verwendet. Viele wissen nicht einmal wirklich, was es bedeutet. Ich erlebe den Alltagsrassismus vor allem bei der Arbeit. Wenn wir hausieren, sagt schon mal einer: «Ihr Zigeuner, ich kenne eure Maschen, ich rufe die Polizei!»
Hat sich da in den letzten Jahren auch etwas verändert?
Im Schulunterricht hat sich auf jeden Fall etwas getan. Als ich noch in die Primarschule ging, war der Rassismus unter Lehrpersonen und Schülern sehr stark. Ich wurde ich in die hinterste Reihe gesetzt und völlig links liegen gelassen. Ich durfte nicht dieselben Sachen wie meine Mitschülerinnen und Mitschüler lernen, ich habe zum Beispiel nie Geometrie angeschaut. Meine Lehrer meinten: Das brauchst du sowieso nicht. Heute ist das anders: Meine jüngeren Cousinen werden z.B. angemessen gefördert und werden auch online betreut, wenn sie im Sommer auf der Reise sind.
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Trotzdem sind die Vorurteile, wie du beschrieben hast, immer noch in den Köpfen der Schweizer*innen. Was braucht es, um diese abzubauen?
Es braucht einfach Aufklärung: Die Leute müssen verstehen, wer wir sind. Dass wir ganz normale Menschen wie alle anderen auch sind, die einfach eine etwas andere Lebensweise haben. Diese Vorurteile bestehen schon so lange. Aber es ist wohl ein langer Prozess, man kann das nicht in zehn, zwanzig Jahren ändern.
Wer mehr über Jakub Winter erfahren und mehr darüber hören will, welche Herausforderungen es in der Schweiz für junge Sinti*zze wie ihn gibt, kann dies an der Podiumsdiskussion «Erinnern für die Zukunft. Jenische, Sinti*zze und Rom*nja» im Politforum am Donnerstag, 23. Oktober 2025. Jakub Winter tritt dort zusammen mit Mo Diener und Christian Mehr auf. Organisiert wurde die Veranstaltung vom Magazin Neue Wege.