Kinderbetreuung zu Tiefstlöhnen

von Johannes Wartenweiler 18. Juni 2013

KOLUMNE | Trotz grosser Nachfrage nach diesen Angeboten, steigen die Löhne für die Angestellten der Kitas nicht. Die Frauen arbeiten zu Hungerlöhnen. Das neue Berner System wird diese Situation nicht verbessern – im Gegenteil.

Lorraine in einem Hinterhof. Tropische Temperaturen, französische Stimmen und nächtliche Geräusche. Wir geraten ins Reden über die Kitas. Jetzt kommen die Bildungsgutscheine und der totale Wettbewerb mit den «gleich langen Spiessen».

Viel erwarten wir nicht davon. Es wird kein Wettbewerb um beste Qualität. Im besten Fall geht es um den optimalen Mitteleinsatz. Im schlimmsten Fall will man mit möglichst wenig Aufwand so viel wie möglich verdienen. Ist auch logisch. Die privaten Kitas wollen wie alle GewerblerInnen an ihrem Angebot verdienen.

«Im besten Fall geht es um den optimalen Mitteleinsatz»

Johannes Wartenweiler

Die Abstimmung über die Kitagutscheine und das stadträtliche Reglement beziehungsweise den Gegenvorschlag waren zwar der Beginn einer neuen Ära, aber die Veränderungen haben nicht erst mit den Abstimmung begonnen. Vor zehn Jahren als unsere Kinder noch in die Kita gingen, war es «seliger Betrieb» mit Lager und Theater, mit einer gewissen «Verzückung und Verklärung». Heute ist die Stimmung nüchterner und tougher geworden. Die Extras sind schon lange gestrichen. Die Bezugspersonen wechseln so schnell, so dass die Kinder oft Mühe haben den Wechsel nachzuvollziehen. Früher war die Kita ein unkomplizierter Betrieb, der Wünsche der Eltern möglich machte. Heute ist die Belegung so dicht, dass es kaum mehr möglich ist, auf Ausnahmen einzugehen.

Der Bedarf nach Kitaplätzen ist in den letzten Jahren massiv gestiegen. Doppelrollen wurden gesellschafts- und mehrheitsfähig. Stadt und Private haben reagiert und neue Plätze geschaffen. Die Wartelisten bleiben aber lang. Ob das das neue Regime der Kita-Gutscheine die politischen Erwartungen der bürgerlichen Mitte erfüllen wird, werden wir in einigen Jahren sehen, wenn der Kanton die Obergrenze für die Tarife aufgehoben haben wird und wenn die städtischen Kitas nicht mehr subventioniert werden dürfen.

Eines ist klar: Eltern werden auch in Zukunft auf Kitas angewiesen sein, damit sie gemeinsam einen Haushalt finanzieren können. Sie möchten sicher sein, dass ihre Kinder gut aufgehoben sind und eine gute Betreuung erhalten. Ich bin mir sicher, die Kita-Angestellten werden sich auch im Zukunft bemühen, diesen Ansprüchen gerecht zu werden – weil sie einen Beruf oder gar eine Berufung nach bestem Wissen und Gewissen erledigen.

«Das sind Hungerlöhne, wie sie nur in einer Frauenbranche bezahlt werden»

Johannes Wartenweiler

Dabei stehen sie ganz unten auf der Lohnskala. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund hat kürzlich die Lohnempfehlungen private Kitaorganisationen veröffentlicht. Diese betragen 3200 bis 3500 Franken bei 43 Stunden Arbeitszeit pro Woche. Das sind Hungerlöhne, wie sie nur in einer Frauenbranche bezahlt werden. Die öffentlichen Kitas bezahlen ihre Angestellten besser – nach der städtischen Besoldungsordnung. Es wird aber schwierig sein, diese Löhne zu finanzieren, wenn erst mal «gleich lange Spiesse» gelten.

Anders als in anderen Berufen mit grosser Nachfrage steigen die Löhne nicht. Das zusätzliche Arbeitspersonal wird als PraktikantInnen rekrutiert. Längst hat sich der Verdacht erhärtet, dass hier weniger Personal ausgebildet als Kosten gesenkt werden.

Bei der Volksschule gibt es eine weitgehende Übereinstimmung, dass der Staat das System finanziert und private Schulen allenfalls eine Ergänzung sind. Das führt zu anständigen Löhnen (LehrerInnen werden das vielleicht bestreiten) und zu einer guten Qualität. Die Berner Stimmbevölkerung hat diesem Modell für die Kitas eine Absage erteilt. Wir werden uns noch wundern.

Jetzt spült noch jemand das Geschirr, ein Zug donnert vorbei und endlich kommt auch eine kühle Brise.