Eine grüne Oase verschwindet

von Janine Schneider 27. Mai 2025

Gärtnerei Nach elf Jahren muss der Chutzegarte in Bremgarten schliessen. An seiner Stelle soll eine Wohnüberbauung entstehen.

«Einen solchen Ort werde ich nie mehr finden», sagt Franziska Vollenwyder-Kolb traurig und schaut sich um. Die Gärtnerin sitzt unter der Pergola des Chutzegartes in Bremgarten bei Bern, um sie herum schwirren die ersten Frühlingshummeln, wachsen Knoblauchrauke, Borretsch und Mohnblumen. Der Chutzegarte ist eine auf einheimische Stauden spezialisierte Gärtnerei im Zentrum Bremgartens. In drei Gewächshäusern zieht Vollenwyder-Kolb einheimische Setzlinge, zur Gärtnerei gehört ebenfalls ein naturnaher Garten – eine kleine Biodiversitätsoase mitten in Bremgarten.

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Anfang Jahr hat sich Franziska Vollenwyder-Kolb dazu entschieden, auf Ende Juli zu schliessen. (Foto: David Fürst)

Ende Juli muss die 53-jährige Gärtnerin den Betrieb nach elf Jahren schliessen. Damit geht in Bremgarten eine Ära zu Ende: Noch im letzten Jahrhundert war die Gemeinde bekannt für seine vielen Gärtnereien. Die letzte wurde schliesslich 2015 von Franziska Vollenwyder-Kolb und ihrer damaligen Geschäftspartnerin Nina Baumann übernommen. «Als ich hier angefangen habe, habe ich ganz wenige einheimische Pflanzen gekannt», erinnert sich die gelernte Topfpflanzen- und Schnittblumengärtnerin schmunzelnd. Während ihrer Ausbildung seien einheimische Gewächse noch kein grosses Thema gewesen.

Das war sehr viel Arbeit, aber schöne Arbeit

Auch die Gärtnerei ihrer Vorgänger war konventionell, das heisst: Stiefmütterchen, Geranien, Schnittblumen. Vollenwyder-Kolb und Baumann brachten ein neues Konzept mit. Den Garten gruben sie nach und nach von Hand um, «das war sehr viel Arbeit», erinnert sich die Gärtnerin, «aber schöne Arbeit». Besonders Glück hatten sie mit dem Besitzer des Grundstücks. Paul Schumacher sei die Gärtnerei besonders am Herzen gelegen, erzählt die Gärtnerin: Tatkräftig habe er mitgeholfen, zum Beispiel Tomatensetzlinge umgetopft oder mal vorbeigeschaut, um sich um die Lüftung zu kümmern. Er unterstützte sie auch mit einem äusserst niedrigen Pachtzins.

Als Schumacher Ende 2020 starb, änderte sich die Situation für den Chutzegarte. Mit der Erbin konnte sich Vollenwyder-Kolb nicht auf einen neuen Vertrag einigen. Jahrelange Schlichtungsverhandlungen folgten. Eine belastende und ungewisse Zeit für Franziska Vollenwyder-Kolb, umso mehr, weil ihre Geschäftspartnerin Nina Baumann in derselben Zeit die Gärtnerei verliess. Schliesslich verkaufte die Erbin das Grundstück an die Pensionskasse der Technischen Verbände (PTV). Diese plant nun eine Überbauung des Grundstücks.

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Seitdem klar ist, dass das Grundstück überbaut wird, setzt sich der Verein Chutzenoase dafür ein, dass die grüne Oase mit ihren Bäumen und dem Schaugarten bestehen bleibt. (Foto: David Fürst)

«Ich hätte eigentlich noch bis Ende 2026 hierbleiben dürfen», erklärt Vollenwyder-Kolb. Doch seit sie der Kundschaft erzählt hatte, dass sie schliessen muss, sei immer mehr diese weggeblieben. «Viele dachten, wir hätten schon geschlossen.» Das schlug auf die geringen finanziellen Reserven. Anfang Jahr hat sich die Inhaberin deshalb entschieden, schon auf Ende Juli zu schliessen.

Ein Stück Biodiversität erhalten?

In den letzten Jahren haben sich einige Personen aus Gemeinde und Umgebung zum Verein Chutzenoase zusammengeschlossen. «Wir versuchten zuerst zwischen dem Chutzegarte und der Erbin zu vermitteln», erklärt Pia Schwab vom Verein. Seitdem klar ist, dass das Grundstück überbaut wird, setzt sich der Verein dafür ein, dass die grüne Oase mit ihren Bäumen und dem Schaugarten bestehen bleibt. «Gerade hier im Zentrum wäre es wichtig, einen solchen grünen Erholungsort zu erhalten», erklärt Pia Schwab, «denn dieses Gebiet wird sich in Zukunft stark erhitzen.» Tatsächlich prognostizieren die Klimakarten des Kantons Bern für dieses Areal eine «sehr starke» bis «extreme Hitzebelastung».

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Bereits klar ist, dass eine Wohnüberbauung mit kleinem Anteil öffentlichkeitswirksamer Gewerbefläche entstehen soll. (Foto: David Fürst)

Die Pensionskasse der Technischen Verbände und die Gemeinde Bremgarten führen nun gemeinsam einen Studienauftrag für die Überbauung der Parzelle durch. Dazu wurden fünf Teams aus Architekt*innen und Landschaftsarchitekt*innen eingeladen, bis Ende 2025 Bebauungsvorschläge zu erarbeiten. Auf Anfrage schreibt Roman Bürki, Leiter Immobilien der PTV: «Die Zukunft des Chutzegarte ist Stand heute noch nicht abschliessend geklärt und ist Teil der Aufgabenstellung im Studienauftrag.» Bereits klar sei aber, dass eine Wohnüberbauung mit kleinem Anteil öffentlichkeitswirksamer Gewerbefläche entstehen soll. Auch die Unterbringung eines Ärztezentrums werde überprüft.

Gemeindepräsident Andreas Schwab betont ebenfalls, dass die Erhaltung der Biodiversität Teil des Auftrags an die Architekt*innen-Teams sei. Gleichzeitig komme es mit einer solchen Bebauung unweigerlich zu Zielkonflikten: «Biodiversität ist wichtig, aber es ist auch wichtig, dass man nicht immer neue Landflächen einzont und alles zersiedelt, sondern im Zentrum verdichtet baut, wo es für die Bevölkerung attraktiv ist.» Dabei würden die kantonalen Vorgaben zur Baudichte beachtet.

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Was anstelle des Chutzegartes entstehen wird, bleibt noch mindestens bis Ende Jahr unklar. (Foto: David Fürst)

In der jetzigen Form wird der Garten wohl kaum bleiben können. Nicht nur befindet er sich ungünstigerweise in der Mitte des Grundstücks, im Auftrag der PTV erfolgte Messungen, so Bürki, hätten auch eine Belastung des Bodens mit Schwermetallen, PAK (krebserregenden Kohlewasserstoffen) und Quecksilber bis in die Tiefe von 40 Zentimetern ergeben. Die giftigen Stoffe müssen fachgerecht abgetragen und entsorgt werden.

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Was anstelle des Chutzegartes entstehen wird, bleibt noch mindestens bis Ende Jahr unklar. Klar ist jedoch jetzt schon: Mit dem Chutzegarte verliert Bremgarten nicht nur eine Oase, sondern auch einen der wenigen Orte mit Ausstrahlungskraft über die Gemeindegrenzen hinweg. Bis Ende Juli möchte Franziska Vollenwyder-Kolb noch die Arbeit ausüben, die sie leidenschaftlich liebt und die Kundschaft mit ihren Pflanzen erfreuen. Ein grosses Abschiedsfest wird es nicht geben, das wäre zu schmerzhaft, befindet sie: «Ich gehe genauso still, wie ich gekommen bin.»

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Bis Ende Juli möchte Franziska Vollenwyder-Kolb noch die Arbeit ausüben, die sie leidenschaftlich liebt und die Kundschaft mit ihren Pflanzen erfreuen. (Foto: David Fürst)