Die Brass ist ein Treffpunkt in der Lorraine, wo es günstiges Essen, Räume für Sitzungen, eine Gassen-Dusche, Soli-Menus, einen grossen Garten und keinen Konsumzwang gibt. Dieses breite und soziale Angebot ist für viele Menschen ein wichtiger antikapitalistischer Treffpunkt in der Lorraine, bringt aber gleichzeitig auch grosse finanzielle Herausforderungen mit sich – gerade in einer Zeit, in der Menschen weniger Geld im Sack haben und marginalisierte Gruppen besonders von der Teuerung betroffen sind.
Doch nach fast zwei Jahren finanzieller Schieflage war klar: So kann es nicht weitergehen. Der Tiefpunkt kam im November 2024. Die finanzielle Lage der Brass war so prekär, dass das Kollektiv beschloss, die Beiz zu schliessen und eine Crowdfunding-Kampagne zu starten, um Schulden zu begleichen und eine Umstrukturierung zu finanzieren.
Valentina ist Teil des Kollektivs. Für die Brass arbeitet sie im Service, macht Socialmedia und organisiert kulturelle Events. «Der Durchschnitt unserer Tagesumsätze war seit langem zu tief», erklärt sie. Trotz Einsparungen und unzähliger Stunden unbezahlter Arbeit konnte das Kollektiv tiefliegende Probleme nicht lösen. Dies hat viele Gründe: Das Ausgehverhalten hat sich verändert. Menschen gehen seltener aus, konsumieren weniger und gesünder. Besonders der sinkende Alkoholkonsum sowie gestiegene Strom- und Lebensmittelkosten treffen das Kollektiv hart. Viele Gäste haben ein kleines Budget und spüren die Teuerung deutlich.
Die Krise als Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen
Die Schwierigkeiten der Brass stehen exemplarisch für viele kleinere Gastronomiebetriebe, die unter gestiegenen Kosten und verändertem Konsumverhalten leiden. «Wir sind eine Beiz für Menschen aus dem Quartier und für diejenigen mit wenig Geld. Unsere Preise sind deutlich günstiger als anderswo, und man kann bei uns den ganzen Tag verweilen, ohne konsumieren zu müssen», erklärt Valentina.
Zudem erschwert der kollektive Entscheidungsprozess schnelle Reaktionen auf Krisen. «Unsere Reaktionen auf Krisen sind oft verzögert, da Entscheidungen gemeinschaftlich getroffen werden», fügt Valentina hinzu.
Das Crowdfunding: 70’000 Franken auf sicher
Die Resonanz war überwältigend: In wenigen Wochen kam durch das Crowdfunding eine unglaubliche Summe von 70’000 Franken zusammen. «Wir sind unglaublich dankbar für die Unterstützung. Niemals hätten wir damit gerechnet, so schnell so weit zu kommen. Es zeigt uns: Bern will die Brass! Das ist das grösste Geschenk überhaupt», sagt Valentina. Mit dem gesammelten Geld hat das Kollektiv bereits erste Schritte unternommen, um die Brass wieder zu öffnen. Erste Events sind geplant.
Und wie geht es jetzt mit der Brass weiter? «Wir wollen unsere Organisation effizienter gestalten, das Angebot überarbeiten und Öffnungszeiten anpassen. Besonders wichtig ist uns, weiterhin soziale Angebote wie die Gassen-Dusche, Soli-Kaffees und günstige Menüs für marginalisierte Menschen, ohne oder mit wenig Geld anzubieten», sagt Valentina. Das langfristige Ziel sei, zusätzliche finanzielle Unterstützung von Stiftungen, Fonds und Privatpersonen zu erhalten. «Nur so können wir ein Treffpunkt für alle bleiben, ohne unsere Mitarbeitenden selbst auszubeuten.»
Ab 06. Jan. stellt die Brass den Normalbetrieb ein – vorerst für einen Monat, aber vielleicht für immer. Damit sie nach ihrer Umstrukturierung wieder öffnen können, brauchen sie deine Unterstützung. Hier geht es zum Crowdfunding.
Parallele zur Reitschule
Auch die zunehmende Gewalt in der Umgebung des Lokals, beschäftigt das Kollektiv. Gemeinsam mit der Reitschule, die mit ähnlichen Problemen konfrontiert ist, sucht das Kollektiv nach Lösungen. «Wir wollen einen sicheren Ort für alle schaffen, ohne dass Gewalt oder Polizeipräsenz unsere Gäste abschrecken», sagt Valentina.
Die Brass ist mehr als nur eine Beiz – sie ist ein Ort der Begegnung, der Solidarität und des politischen Engagements. «Wir hoffen, dass Menschen die Brass wieder als Ort zum Mitgestalten und Verweilen entdecken», sagt Valentina. Konkret unterstützen kann man die Beiz weiterhin durch Spenden, einen Dauerauftrag, Besuche oder die Teilnahme an Veranstaltungen.