Kultur - Meinung

Den Menschen nahe

von Christoph Reichenau 9. Oktober 2023

Wenn Präsident*innen kultureller Institutionen zurücktreten, wird das normalerweise in einer Randnotiz registriert. Werner Nuber war im Museum für Kommunikation weit mehr als einfach der Präsident. Eine Würdigung.

Es waren 22 dynamische Jahre, in denen Werner Nuber den 7-köpfigen Stiftungsrat des Museums für Kommunikation (MfK) an der Helvetiastrasse in Bern präsidierte. Zwei Jahre zuvor war er in den Rat gewählt worden. Seinen Rücktritt auf Ende September hatte er lange zum Voraus angekündigt. Der Stiftungsrat wird seine Nachfolge und jene eines anderen Mitglieds bald bestimmen. Er kann es ruhig anpacken, das Museum ist solid aufgestellt.

2019 wurde das MfK vom Europarat mit dem «Museum Prize» ausgezeichnet.

Vor mehr als 40 Jahren gab es das Projekt «Kulturgüterzentrum Unteres Kirchenfeld». Die Burgergemeinde Bern, das Naturhistorische Museum, das Bernische Historische Museum, das PTT-Museum und der Kanton Bern wollten zwischen Helvetia- und Bernastrasse einen gemeinsamen Schutzraum für die Sammlungsobjekte errichten. Das Einzige, was damals entstand, war das Gebäude der Post mitsamt dem damaligen PTT-Museum, das vom Helvetiaplatz hierhin umzog. Später baute auch das Naturhistorische Museum eine Erweiterung.

1997 gründete die PTT eine Stiftung, die das Museum trug. Vorgesehen war, dass die Nachfolgeorganisationen der PTT, Swisscom und Post, die Stiftung übernehmen. 1999 wurde Werner Nuber, damals Kommunikationschef der Swisscom, in den Stiftungsrat gewählt. Als der Germanist und Historiker in dieser Funktion zur SBB wechselte, blieb er im Rat und übernahm 2001 dessen Präsidium.

Neuer Name

Seit 1997 heisst das Museum als einziges in der Schweiz Museum für Kommunikation (MfK). Das MfK betreibt auch ein Depot in Schwarzenburg und das historische PTT-Archiv in Köniz. Es versucht, der breiten Bedeutung dieses Begriffs stets neue Facetten hinzuzufügen und die soziale, kulturelle und politische Dimension der Kommunikation zu spiegeln. Diese ist an sich unerschöpflich, denn gemäss dem Psychologen Paul Watzlawik kann man «nicht nicht kommunizieren».

Am wichtigsten ist Werner Nuber, dass die Besucherinnen und Besucher sich wohlfühlen, etwas erleben, Spass haben, ungezwungen lernen. Das scheint ihm gelungen zu sein: 2019 wurde das MfK vom Europarat mit dem «Museum Prize» ausgezeichnet. Der Preis, eine der wichtigsten Auszeichnungen auf dem Kontinent, ging erst zum dritten Mal in die Schweiz. In 20 Jahren stieg die Besuchszahl von 35‘000 auf rund 120‘000 pro Jahr. Dank interaktiver Ausstellungsgestaltung und aktuellen Themen ist das MfK heute ein beliebtes Ziel für Familien mit Kindern, Schulen (2022 mehr als 1‘400 Klassen) und Ältere sowie für die Junge Generation und an Kommunikation Interessierte.  Lächelnd bemerkt Werner Nuber, das Mfk diene zuweilen als Hort für Eltern, die ihre Kinder dort abgeben während sie einkaufen.

Das MfK gelangt an vollen Tagen an die Grenze seiner Belastbarkeit.

Fast die Hälfte der Besucherinnen und Besucher kommt an Wechselausstellungen. Davon gestaltet das MfK jedes Jahr eine grössere. Die nächste Wechselausstellung dreht sich um das Nichts. Auch Werner Nuber ist gespannt. Denn der Stiftungsrat entscheidet nicht über die Themen, schon gar nicht über die Gestaltung. Er wird vorinformiert über die Themen. Vor ein paar Jahren war dies einmalig anders. Die Ausstellung «Warnung: Kommunizieren gefährdet» löste im Stiftungsrat eine Diskussion aus. Doch auch diese führte zu keinem Eingrifft, sondern lediglich zu einem Gespräch mit dem Projektteam und der Aufforderung, das Thema sachlich abzuhandeln.

Diese Scheidelinie zwischen strategischer und operativer Führung hat sich mit drei Direktor*innen bewährt: Thomas Meier (der danach Rektor der Berner und dann der Zürcher Hochschule der Künste wurde), Jakob Messerli (er übernahm danach die Direktion der Historischen Museums) und Jacqueline Strauss, die das MfK seit 2010 leitet.

«Berner Formel»

Vor wenigen Jahren führte das MfK die «Berner Formel» ein. Dazu erfand es mit den Kommunikator*innen ein neues Berufsbild, das Aufsicht, Führungspersonal und Auskunftsgebende vereint. Die entsprechend ausgebildeten Berufsleute gehen auf Besuchende zu, forscher oder zurückhaltender, was gerade bei älteren Menschen geschätzt wird. Sie erzählen Geschichten zu ausgestellten Objekten, beantworten Fragen, überraschen täglich mit neuen Aktivitäten und unterstützen bei Führungen.

Das MfK gelangt an vollen Tagen an die Grenze seiner Belastbarkeit, das heisst an die feuerpolizeilich erlaubte Anzahl Personen pro Quadratmeter und knapper Infrastruktur. Steigt die Eintrittszahl weiter, wird es Anpassungen brauchen. Ein Problem, aber ein schönes.

Werner Nuber ist von der Idee des Museumsquartiers überzeugt, auch wenn ihm bewusst ist, dass die Mitglieder des Vereins sowohl Partner*innen als auch Konkurrent*innen um Besuchende sind.

Das MfK liegt im Perimeter des neuen Projekts «Museumsquartier Kirchenfeld». Seit das MfK einbezogen und Mitglied des Projektvereins ist, engagieren sich Präsident und Direktorin mit Herzblut und setzten entschädigungslos bis zu 25 Prozent ihres Pensums ein, auch wenn für ihre Institution konkret bisher keine Änderung vorgesehen ist. Im Gegenteil: Das Foyer, der Veranstaltungsraum und das Bistro «Pavillon», aus Holz erbaut im Jahr 2000, könnten dereinst im Weg sein und abgebrochen werden müssen, da sie auf Boden stehen, der mehreren kulturellen Institutionen gemeinsam gehört. Hier braucht es neue Ideen und rechtliche Anpassungen. Werner Nuber ist von der Idee des Museumsquartiers überzeugt, auch wenn ihm bewusst ist, dass die Mitglieder des Vereins sowohl Partner*innen als auch Konkurrent*innen um Besuchende sind.

Und jetzt?

Wie geht es weiter? Im August hat der Stiftungsrat eine neue Strategie für das MfK und dessen Rolle im Museumsquartier genehmigt. Wichtig ist dabei, den Kulturstandort Bern und das Kirchenfeld-Quartier aufzuwerten. Die Stifterinnen, Swisscom und Post, sind sich der Bedeutung des MfK für sie selbst und die Bevölkerung der Schweiz bewusst. Sie wissen auch um ihre Bedeutung für die Finanzierung des MfK. Dennoch kann der namhafte Finanzbeitrag an den Betrieb, den sie jährlich leisten, gemäss Stiftungsurkunde auch gekürzt werden. Zusätzlich haben die Stifterinnen dem Museum beim Bau des Sammlungsdepots Schwarzenburg und bei der Entsäuerung des Papiers im PTT-Archiv. Für alles Weitere ist das Museum auf steigende Eintritte und auf Beiträge Dritter angewiesen – und diese zu motivieren fällt angesichts des prominenten Namens und der wirtschaftlichen Potenz der Stifterinnen nicht leicht.

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Aus dem ehemaligen PTT-Museum ist eine Einrichtung geworden, die bedeutende Fragen der Bevölkerung, der Gesellschaft, des Staates frühzeitig aufnimmt: Mobilität, Beeinträchtigungen, Migration, aber auch die Stille oder das Nichts. Dies macht Werner Nuber stolz. Und es macht ihn  zum Abschied auch etwas wehmütig.

Nuber hat sich weit über das in seiner Funktion Übliche hinaus engagiert. Wichtig war ihm, dass die Mitarbeitenden Arbeitsbedingungen vorfinden, in denen sie sich entfalten und das Museum weiterentwickeln können. Während der Pandemie bezahlte das MfK den vollen Lohn, auch wenn die Arbeitslosenversicherung nur 80% entschädigte. Nuber war kein repräsentierender Präsident, er brachte sich ein. Werner Nuber kennt die Menschen persönlich, ist mit ihnen per Du und regelmässig im Museum, 150 Meter von seinem Zuhause entfernt. Auf 5‘000 Franken beläuft sich seine Entschädigung nebst Sitzungsgeldern und wenig Spesen für ein 10-20-Prozent Pensum. Werner Nuber hat viel gegeben. Er wird fehlen, als Mensch.