Das Wettspielreglement des Schweizer Fussballverbands (SFV) sieht vor, dass Spiele von Männerteams bei der Platznutzung Vorrang haben. Die beste Frauenliga kommt in der Prioritätenliste des SFV erst an dritter Stelle, bei den Nachwuchs-Nationalteams werden die Frauenspiele gar noch schlechter behandelt. Dabei stellt diese Regelung bereits eine Verbesserung gegenüber jener vor einigen Jahren dar. Damals standen die Frauenspiele zuunterst auf der Prioritätenliste.
Dieses Beispiel aus dem Buch «Das Recht zu Kicken. Die Geschichte des Frauenfussballs» zeigt, dass das Recht von Fussballerinnen, ihren Sport zu spielen, noch immer keine Selbstverständlichkeit ist. Der Titel des Buches verweist darauf, dass die Entwicklung des Frauenfussballs mit einer rechtlichen Dimension verknüpft ist. So verpflichtet etwa die UNO-Frauenrechtskonvention die Vertragsstaaten dazu, Diskriminierung zu beseitigen, damit Frauen aktiv an sportlichen Tätigkeiten teilnehmen können.

Dass Spielerinnen dieses Recht zu kicken immer wieder aktiv einfordern und erkämpfen mussten und diese Entwicklung auch in der Schweiz noch nicht abgeschlossen ist, zeigt das Buch auf eindrückliche Weise. Mit elf Interviews und drei Portraits gibt es jenen Frauen Platz, die diese Entwicklung mitgeprägt haben und dies immer noch tun.
Das Buch zeigt, dass das Recht von Fussballerinnen, ihren Sport zu spielen, noch immer keine Selbstverständlichkeit ist.
Erschienen ist das Buch pünktlich auf die Fussballeuropameisterschaft der Frauen, die dieses Jahr in der Schweiz stattfindet und am Mittwoch begonnen hat. Vergangenen Sonntag stellten die beiden Co-Autorinnen, die Sporthistorikerin Marianne Meier und die Geschlechterforscherin Monika Hofmann, ihr Buch an einer Vernissage in der Berner Lohnbrauerei vor.
Mit Beharrlichkeit und Geduld
Gastgeber*innen für die Vernissage waren die Sendungsmacher*innen von «Bi aller Liebi» – jener RaBe-Sendung, bei der auch Co-Autorin Monika Hofmann Teil des Teams ist und die den Podcast «Fussballpionierinnen – Pionières du foot» produziert hat. Der Podcast ergänzt das Buch und stellt die im Buch portraitierten Pionierinnen eingehend vor.
Im Gespräch mit «Bi aller Liebi» erzählten die beiden Co-Autorinnen, die am Interdisziplinären Zentrum für Geschlechterforschung (IZFG) der Universität Bern arbeiten, von ihrer Motivation für das Thema. «Seit ich denken kann, liebe ich es Fussball zu spielen, daher interessiere ich mich so stark für Fussball und als Frau auch für Frauenfussball», erzählte die Historikerin Marianne Meier.
Monika Hofmann, deren Leidenschaft der Boxsport ist, erzählte, dass ihr Interesse vor allem der Gleichstellungsgeschichte des Fussballs gelte, da sie sich in ihrer Arbeit am IZFG diesem Aspekt widme. «Inzwischen interessiert mich der Frauenfussball und diese Gleichstellungsgeschichte noch mehr», sagte Hofmann.
Die beiden sprachen auch über die rechtliche Dimension, auf die der Titel verweist. Das Recht zu kicken sei zwar nirgends explizit festgehalten, es lasse sich aber ableiten von den Statuten der Verbände, erklärte Marianne Meier. «Es ist nicht so, als müsste man jetzt dankbar sein, dass Frauen auch kicken dürfen – das ist eine Bringschuld, die wir einfordern können», so Meier.
Dass die Pionierinnen dieses Recht beharrlich und zugleich geduldig Schritt für Schritt eingefordert haben, beschrieb Monika Hofmann als beeindruckend: «Aus heutiger Perspektive ist es erstaunlich, dass sie so lange warten mochten – und dank dieser Geduld sind wir heute an dem Punkt, wo wir sind.»
Mit kleinen und grossen Hebeln
Die Buchvernissage richtete, genau wie das Buch selbst, den Blick nicht nur auf die Geschichte und die bisherige Entwicklung des Frauenfussballs, sondern widmete sich auch den aktuellen Herausforderungen und der Zukunft. Verschieden Gesprächspartnerinnen diskutierten über mögliche Ansätze, wohin sich der Frauenfussball in der Schweiz entwickeln könnte.
Die ehemalige Profifussballerin Kathrin Lehmann wies darauf hin, dass viele Vereine ihre Infrastruktur neutraler denken müssten: «Die Vereine sollten realistischer an die Infrastruktur heran gehen, statt immer zu sagen, es habe ohnehin keinen Platz.» So zeige die Statistik etwa, dass ein Grossteil der Kinder nicht in der Vereinsunterkunft duschen – somit brauche es dafür auch keine Kabinen. Weiter wies Lehmann darauf hin, dass in den Vereinsstrukturen vieles aus einer Männerperspektive gedacht werde. «Da gibt es zahlreiche kleine Hebel, an denen man ansetzen könnte», so Lehmann.
Die Vereine sollten realistischer an die Infrastruktur heran gehen, statt immer zu sagen, es habe ohnehin keinen Platz.
Über die grossen Hebel der nationalen Politik sprach die Berner Ständerätin Flavia Wasserfallen. Wie unterschiedlich Frauen- und Männersport – insbesondere der Fussball – von der nationalen Politik behandelt werden, zeigt das Beispiel der aktuell laufenden Fussballeuropameisterschaft der Frauen. Dieses Turnier wollte der Bundesrat ursprünglich mit vier Millionen Franken unterstützten. Zum Vergleich als die Fussballeuropameisterschaft der Männer 2008 in der Schweiz stattgefunden hat, hatte der Bundesrat dafür 80 Millionen gesprochen. Dem Parlament ist es schliesslich gelungen, den Beitrag des Bundes auf 15 Millionen zu erhöhen. Doch dafür sei viel Überzeugungsarbeit nötig gewesen, erzählte Flavia Wasserfallen.

Die Ständerätin wies darauf hin, dass Überzeugungsarbeit wohl auch in Zukunft nötig sein wird, will man die Weiterentwicklung des Frauen- und Mädchensports sichern. «In der Politik herrscht derzeit eine regelrechte Sparobsession», so Wasserfallen. Jüngstes Beispiel: Der Bund will die Subventionen für das Sportförderprogramm Jugend + Sport ab dem nächsten Jahr um 20 Prozent kürzen. «Der Frauen- und Mädchenfussball wächst derzeit am schnellsten, deshalb braucht es hier mehr Infrastruktur und Funktionär*innen» erklärte Wasserfallen an der Vernissage. Sparmassnahmen im Sportbereich würden deshalb besonders den Frauen- und Mädchenfussball treffen.
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Das Recht zu kicken, so beharrlich es erkämpft werden musste, so vehement wird es wohl auch verteidigt werden müssen. Nicht wenige setzen ihre Hoffnung in den aktuell laufenden Grossanlass. Denn je mehr sich in der breiten Bevölkerung für den Frauenfussball begeistern, umso höher ist das Verständnis für die frauenfussballspezifischen Anliegen.