Zum Beispiel Nathalie

von Joel Schreyer 26. August 2025

Kino Der Berner Dokfilm «Nathalie» ist das ungeschönte Porträt einer alleinerziehenden Mutter, die trotz Schulden um Selbstbestimmung ringt.

Eine Flut von Mahnungen und amtlichen Briefen erreicht Nathalie, manche öffnet sie, andere landen direkt im Papierkorb. «Ich hasse es, Briefe aufzumachen», sagt Nathalie – ein Satz, der schwer wiegt. Die in Bern lebende freischaffende Filmerin Tamara Milosevic wendet ihren Blick einem gesellschaftlichen Tabuthema zu. Ohne Pathos, aber mit spürbarer Nähe.

In den stillen Momenten wird die Schwere von Nathalies Alltag spürbar.

Die Kamera bleibt ganz auf Nathalie gerichtet, sie fängt dabei kleine Gesten und Blicke ein, die mehr als jede Statistik erzählen. Denn die 56-jährige Alleinerziehende, die als Reinigungskraft arbeitet, ist in ihrem Kampf gegen offene Rechnungen nicht alleine. Zehn Prozent der Schweizer Bevölkerung haben Steuerschulden. Besonders Frauen, besonders oft Alleinerziehende, sind betroffen.

Nathalie öffnet mit ihrem Sohn die Briefe, die sie nur noch mehr in die Schuldenspirale bringen. (Bild: Filmbringer)

Mit Beharrlichkeit und Haltung

Der Film überzeugt durch seine Ruhe. Keine aufdringliche Musik, keine schnellen Schnitte – stattdessen ein Erzählrhythmus, der zwingt, hinzusehen. In den stillen Momenten wird die Schwere von Nathalies Alltag spürbar: die unbezahlte Care-Arbeit, der arbeitslose Sohn, die unsichere Zukunft und die verpasste Operation, weil das Geld fehlt.

«Nathalie» ist kein Aufschrei. Seine Stärke liegt an der Beharrlichkeit, mit der er eine Frau zeigt, die der Armut ihre Würde entgegensetzt, und die dem Alltag voller Schulden doch etwas Selbstbestimmung abringt.

Vorpremiere in Anwesenheit von Tamara Milosevic und Nathalie im Kino Rex Bern: Mittwoch 3. September, 20 Uhr

Dieser Artikel erschien zuerst bei der Berner Kulturagenda.