Woher kommt der Strom?

von Yannic Schmezer 16. Februar 2019

Der E-Prix, der diesen Sommer in Bern stattfindet, steht im Zeichen der nachhaltigen Mobilität, schluckt aber gleichzeitig Unmengen an Energie. Wie ist es um die Nachhaltigkeit des verwendeten Stroms bestellt?

Im Juni kommt die Formel E nach Bern. Batteriebetriebene Rennboliden werden mit bis zu 240 km/h über die Laubeggstrasse jagen und sich den steilen Muristalden hochdrücken. Ziel der «Swiss E-Prix Operations AG», die das Rennen veranstaltet, und des Gemeinderats, der das Rennen bewilligte, ist unter anderem die Sensibilisierung für Elektromobilität und die Anregung des Nachhaltigkeitsdiskurses. Im Stadtrat stiess das Vorhaben bisweilen auf Widerstand: Im September 2018 schrieb die GB/JA! Fraktion in einer Interpellation, dass das Rennen nicht mit der Energie- und Klimastrategie des Gemeinderats vereinbar sei, weil dadurch E-Mobilität glorifiziert werde, was unter Umständen zu einem höheren Motorisierungsgrad von Privatpersonen führe.

Keine konkreten Vorgaben

Man kann von diesem Event halten was man will, Fakt ist, dass er stattfinden wird. Es gilt nunmehr die wichtige Frage zu beantworten, wie die grossgeschriebene Nachhaltigkeit umgesetzt werden soll. Sprich: Woher wird der Strom zur Deckung des massiven Verbrauchs von 6’000-10’000 Kilowattsunden pro Renntag stammen? Die Stadt macht der Veranstalterin diesbezüglich keine konkreten Vorgaben. Man knüpfe die Durchführung zwar an die Auflage, dass die Emissionen so gering wie möglich gehalten werden müssten, schreibt Léa Zürcher, Kommunikationsverantwortliche der Stadt Bern auf Anfrage. Über die Art und Weise der Umsetzung, entscheide jedoch die Veranstalterin des Rennens.

Ein Treibstoff zum Trinken

Wahrscheinlich ist, dass nicht der ganze Strom aus der Steckdose kommen wird. Damit das energieintensive und schnelle Aufladen der Batterien der Rennboliden sichergestellt werden kann, setzte die Veranstalterin bisher nämlich auf Dieselgeneratoren. Die Generatoren vom Typ KTA50 werden jedoch nicht mit Diesel betankt, sondern mit Glyzerin. Glyzerin – ein durchsichtiger, geschmacksloser und trinkbarer Zuckeralkohol – ist ein Nebenprodukt der Biodiesel-Herstellung. Seine für einen Treibstoff untypischen Eigenschaften lassen sich freilich vermarkten: Unter dem Titel «Fuel so clean you can drink it» stellte «Formula E», die Rechteinhaberin der Formel E Rennen, bereits 2015 ein Video online, in dem Angestellte der Firma nacheinander einen Schluck der Flüssigkeit zu sich nehmen, um zu zeigen, wie «sauber» der Treibstoff ist.

Wichtiger als die physikalische Beschaffenheit der Flüssigkeit ist indessen die Frage, welche Abgase bei der Verbrennung von Glyzerin in Dieselgeneratoren entstehen. Die britische Firma «Aquafuel», welche den Treibstoff für das Rennen bereitstellt, schreibt auf ihrer Website, dass der Treibstoff praktisch emissionsfrei sei. CO2 würde gar nicht ausgestossen und auch Stickoxide sowie Feinstaub entstünden kaum. Gemäss Stephan Oehen, Medienverantwortlicher der «Swiss E-Prix Operations AG», sei der Ausstoss von Stickoxiden und Feinstaub dank der Anwendung von Glyzerin um über 90% niedriger als beim Verbrennen von normalem Diesel.

Problematisch ist, dass Glyzerin mit der Produktion von Biodiesel verschränkt ist. Diese steht immer wieder in der Kritik, durch den Raubbau von Raps oder Palmöl Ökosysteme anzugreifen und lokalen Bauern und Bäuerinnen die Nahrungs- und Wasserversorgung zu erschweren. «Das ist eine Sichtweise der Dinge», schreibt Stephan Oehen und verweist auf die Herstellerin des Treibstoffs, «Aquafuel». Dort bleibt die Frage, wie solche schädlichen Effekte vermieden werden können, jedoch unbeantwortet. Einzig «Formula E» rechtfertigt sich präventiv auf ihrer Website: In den nächsten drei bis fünf Jahren soll die Glyzerinproduktion mithilfe von Salzwasseralgen kommerziell nutzbar gemacht werden. Dann wäre diese zu 100% nachhaltig.

CO2 investieren

Ob in Bern tatsächlich glyzerinbetriebene Dieselgeneratoren zum Einsatz kommen werden, ist noch nicht abschliessend geklärt. Jedenfalls hat sich der Stadtrat im Januar bezüglich der Stromversorgung des Anlasses erneut skeptisch gezeigt. Mit einem Postulat der GFL/EVP Fraktion verlangt er vom Gemeinderat gemeinsam mit der Veranstalterin zu prüfen, ob nicht das gesamte Rennen, also auch das Laden der Rennboliden, mit Berner Ökostrom durchgeführt werden könne.

Von der Illusion eines klimaneutralen Events sollte man aber trotz Ökostrom und glyzerinbetriebener Generatoren Abstand nehmen. Gerade mit Blick auf die Auf-und Abbauarbeiten, sowie den Transport der gesamten Infrastruktur, der gemäss Angaben von Formula E mit konventionellem Treibstoff durchgeführt wird, wäre eine solche Vorstellung utopisch. Auf der Website von «Formula E» lässt sich der CEO von «Aquafuel» diesbezüglich zitieren: «Gleich einer finanziellen Investition, muss auch CO2 investiert werden. Um den Menschen zu zeigen, dass E-Mobilität tatsächlich funktioniert.»1