Die Luft an diesem Samstagmittag Mitte Juli fühlt sich an, als wäre sie so flauschig, so stürmisch wohlwollend in Bewegung, wie das Geschehen auf dem zweigeteilten Kunstrasenplatz im Sportpark Wyler. Getragen von den euphorisierenden Ereignissen der letzten Tage mit grossen Fanmärschen, gefüllten Stadien, vielleicht auch dem Erfolg des Schweizer Teams, tragen 18 internationale FINTA-Teams* aus Alternativligen in Deutschland, Österreich und der Schweiz am Wochenende des 19. und 20. Julis das kollektiv organisierte Alternativturnier «Bend it like Bern» aus.

Die EM ein bisschen menschlicher machen
Alles verläuft hier ein wenig anders, als es sonst bei Fussballturnieren der Fall ist. Ein Spiel dauert an diesem Samstag fünfzehn Minuten, auf dem Platz spielen sieben gegen sieben, sechs genügen auch, die Spieler*innen kennen sich, helfen in anderen Teams aus. Immer zwei Spiele laufen jeweils parallel, es gibt keine Linienrichter*innen, die Schiedsrichter*innen werden von den spielenden Teams gestellt. Es wird wohlwollend gerichtet: «Zwei Fouls, ja, die falschen Einwürfe habe ich nicht gepfiffen!», vieles wird toleriert, vieles bilateral geklärt, gratuliert: «Sehr schön pariert, alle haben den drinnen gesehen!», einander aufgeholfen und auf die Schulter geklopft.
Wie wäre es, wenn man die Menschen, die ihre Nationalteams bei der EM anfeuern, dazu einladen würde, selbst gegen den Ball zu treten?
Alles verläuft, trotz hohem Turniertakt, sehr fliessend. Die Spieler*innenposition ist variabel und wird nach Abpfiff neu diskutiert. Die Wechsel sind fliegend und unbeschränkt, die die nachfolgenden Teams bestärken die spielenden Kolleg*innen. Der Spielstand wird der Spielleiterin selbstständig mitgeteilt: «1:0!»



Die geteilte Freude am Fussballsport ermöglicht dieses Wochenende in Bern. Und sie ermöglicht einen alternativen Fussball. Mitglieder von Olympique Bärnoise, einem Team der Alternativen Fussballliga Bern, fragten sich nach einem Match, wie sie das von der UEFA organisierte Grossereignis menschlicher und gleichberechtigter gestalten könnten: «Wie wäre es, wenn man die Menschen, die ihre Nationalteams bei der EM anfeuern, dazu einladen würde, selbst gegen den Ball zu treten?» Die manifestierte, angepfiffene Antwort darauf: «Bend it like Bern».
Inklusiv und unkompliziert
Das gemeinsame Spiel ist nicht nur auf dem Feld auffallend unkompliziert. Die Trikots sind oft unbeschriftet oder teamfremd, auch die improvisierten Spielfelder sind freundlich chaotisch mit A und B handbeschriftet. Die Teilnehmer*innen sind nicht nur unterschiedlich alt, sondern sprechen auch verschiedene Sprachen, leben beispielweise in Genf, helfen aber im Berliner Team, leben in Dublin, spielen aushilfsweise für Köln. Nebst den Spielen entstehen spontane Diskussionsrunden zur Korrelation von Ehrgeiz und Aggression.

So wie an diesem Wochenende im Wylergut könnte der kommerzialisierte Fussball auch sonst gerne ein wenig mehr geradegebogen werden.
Das Publikum ist an diesem Samstagmittag nicht zahlreich, aber ebenso divers und wichtig für den Fussballsport, wie die spielende Seite des Turniers. Da ist der Bruder, der aus Muri per Velo gekommen ist, um die beiden Schwestern zu unterstützen: «Meine Schwestern spielen sonst in Biel in einem Mädchenfussballverein, im Moment läuft das zweite Spiel der beiden, es steht 0:1!», da sind die Grosseltern, die die Freude an unkompliziertem, inklusivem Fussball teilen und vom Spielfeldrand mitfiebern. Und da ist dieses Gefühl, das an diesem Turnier auf und neben dem Rasen entsteht: So wie an diesem Wochenende im Wylergut könnte der kommerzialisierte Fussball auch sonst gerne ein wenig mehr geradegebogen werden.

* FINTA ist eine Abkürzung, die für Frauen, Inter*, Nicht-binäre, Trans* und Agender-Personen steht.
In Anlehnung an den Film «Bend it like Beckham» trägt das Turnier im Wyler auf seine eigene Weise zur Förderung des FINTA-Fussballs bei. (Foto: Laura Hänni)
