«Unleash»

von Raff Fluri 16. November 2021

In diesem Monat stellen wir Euch einen Kurzfilm vor, der auch am BE MOVIE – dem Wochenende des Berner Films – zu sehen sein wird. «Unleash» ist ein farbenfroher Kurzfilm über fünf Fremde, die in ein Haus einbrechen, um auszubrechen.

Angefangen hat alles mit einem leerstehenden Haus und zwei Wochen Zeit, um einen Film zu drehen. «Als ich von dem leeren Haus erfuhr, schickte ich gleich eine Rundmail an meine Filmkolleg*innen in Bern. Die Idee war, einen ‹gemeinschaftlichen› Film herzustellen», erklärt der Berner Regisseur und Auftragsfilmer Sean Wirz. Zu Beginn durften alle bestimmen, welche Position am Set sie gerne belegen würden. Sobald das Team und die Darsteller feststanden, brachten alle ihre Ideen und Wünsche ein. Dabei sind dann schrittweise die Charaktere entstanden und deren Vorlieben, welche sie im Film ausleben dürfen.

Tipp zum Abspielen des Films: In Vollbild und auf einer guten Tonanlage wiedergeben.

Die Figuren gehen zwar gemeinsam in ein Haus, damit jede*r für sich sein / ihr Ding durchziehen kann, dennoch sind sie in einer Gemeinschaft. Sie lernen sich kennen und entdecken über ihre bislang geheime Seite gar ihre Leidenschaft füreinander.

Auch am Set war das Gemeinsame, das Kollektiv stark spürbar. Erst im Verlauf der konkreten Umsetzung musste Sean Wirz seine Aufgaben als Regisseur zunehmend wahrnehmen. Er begann sanft zu inszenieren und hin und wieder ein Veto einzulegen. Dennoch war diese Filmproduktion «‹cinéma copains et copinnes› im wahrsten Sinn des Wortes», ist Wirz überzeugt. «Ein freies Projekt mit einer Unmenge an positiver Energie und unbezahlten Arbeitsstunden. Freie Kunst halt…», meint er augenzwinkernd.

Making of zum Film «Unleash»

Der Regisseur und Produzent ist selber auch vor der Kamera zu sehen: Als Musiker auf Geräuschjagd. Diese Figur wollte er eigentlich nicht selber spielen, sondern hatte einen Perkussionisten im Kopf, den er einmal bei einem Bühnenauftritt gesehen hatte. «Ich bin zwar Hobbymusiker und habe einige Erfahrung mit Komposition, Beatmaking und Drums, aber einen Beat vor laufender Kamera entstehen zu lassen, war mir dann definitiv zu heikel». Deshalb bat er den Musiker Julian Sartorius, der bereits Erfahrung mit Filmmusik hatte, um Unterstützung.

Sean Wirz als Musiker in «Unleash».

Bei der Herstellung des Films gingen Musikkomposition und Schnittrhythmus parallel einher. «Da haben wir uns ziemlich lange vorbereitet, denn das eine beeinflusst das andere», erklärt Sean Wirz. «Ich habe mir selber ein metronomisches Click in den Kopfhörer gegeben und danach gespielt. Auch Giulia Demenga, die Tänzerin, und Fabian Netos-Claus, der sich verkleidet und schminkt, haben im selben Tempo Musik erhalten, damit alles synchron ist. Im Schnitt entsteht dann die Magie!» Ein Teil sei also Vorbereitung, ein Teil Zufall und vieles ist Ausprobieren, Verwerfen, Feinschliff. «Das vorgegebene Tempo war übrigens 120 bpm, denn das lässt sich wunderbar in die 24 Bilder pro Sekunde, die ein Film normalerweise hat, aufteilen.» Somit konnten der Soundtrack und die Videospur bildgenau geschnitten werden.

Fabian Netos-Claus im Rhythmus des Films.

Das farbige Licht der einzelnen Szenen wurde bereits beim Dreh bestimmt und entsprechend ausgeleuchtet, wobei jede Figur ihre eigene Farbe erhielt. Für die Reihenfolge der Farben waren vor allem technische Überlegungen im Spiel: Sie wurden so arrangiert, dass die Szenen sich möglichst schnell von einander unterscheiden lassen. Dies war nicht immer so einfach und hat sich bei Orange und Rot schwieriger herausgestellt als erwartet.

Der Film wurde gerade noch rechtzeitig vor den ersten zweistelligen Corona-Fallzahlen in der Schweiz gedreht. Es ist daher purer Zufall, dass «Unleash» so gut ins aktuelle Zeitgeschehen der Jahre 2020 und 2021 passt. Nicht zuletzt deshalb lief er seither an zahlreichen Festivals, gewann am Euroshorts 2020 in Polen den Preis für den besten Experimentalfilm und ist nun auch am BE MOVIE zu sehen. Wer Sean Wirz  persönlich kennen lernen möchte, hat am Wochenende des Berner Films also Gelegenheit dazu.

Das BE MOVIE findet vom 19. bis 21. November in Kinos und Kulturlokalen im ganzen Kanton Bern statt. Ein Filmpass für 20 Franken  berechtigt zum Eintritt in sämtliche Vorführungen, aber auch zum Zugriff auf die Streaming-Plattform für den gemütlichen Filmabend zu Hause auf dem Sofa. Oder unterwegs auf der Hinfahrt zum nächsten Kino.