Am «Vorbereiten, Komponieren, Lesen und Staubsaugen» sei er im Moment, sagt Tapiwa Svosve. Der Zürcher Saxofonist ist zwischen Auftritten im Ausland und seiner Performance am Full Of Lava-Festival in der Dampfzentrale seit Längerem wieder einmal etwas ausgiebiger zu Hause. «Das hat seine eigenen Tücken», sagt er. «Meistens ist es so, dass ich mich mit der Zeit träge fühle, wenn ich länger in der Schweiz bin.» Svosve ist ein suchender Geist, der gerne Grenzen überschreitet, ästhetisch und sozial.
1995 geboren, hat er an der Zürcher Hochschule der Künste Jazz studiert. Noch während des Studiums formte Svosve mit Kollegen die Band District Five, die heute zu den kreativsten und erfolgreichsten der Jazz-Szene gehört. Ihre Musik als Jazz zu bezeichnen, wäre aber unzureichend, alleine wegen der deutlich hörbaren Rock- und Punk-Einflüsse. Svosve war auch mitverantwortlich für die Gründung des Gamut Kollektiv, das nicht nur zusammen musiziert, sondern auch veranstaltet, organisiert, reflektiert, dokumentiert, sich von der Basis aus für die Verbreitung experimenteller Musik einsetzt. «Es gab in meiner Studienzeit eine starke Verbindung der ZHdK mit der lokalen Jazz-Szene, auch generationenübergreifend. Das hat mich sofort angezogen.»
Lust auf risky Sachen
Beim Full Of Lava-Festival, das über drei Tage Popmusik der experimentellen Sorte nach Bern bringt, spielt Svosve für einmal nicht im Kollektiv, sondern solo. «Eigentlich eine recht unangenehme Experience», sagt er. «Es interessiert mich aber, damit konstruktiv umzugehen.» Das Set stehe noch nicht fest, es werde sicher Saxofon-Soli geben, wohl aber auch Elektronik. «Und vielleicht finde ich noch ein paar Kassetten oder Tape-Loops». Es helfe ihm, verschiedene Optionen zu haben, um switchen zu können, falls sich etwas im Moment nicht gut anfühle. Svosve mag das Restpotenzial des Unbekannten: «Ich hatte schon immer Lust auf risky Sachen», sagt er. Am Ende komme alles aus der Improvisation heraus. Diese baue zum Beispiel auf spezifischen Fingerungen oder Druckverhältnissen auf dem Saxofon, Schnipseln aus Field Recordings, elektronischen Sounds oder auch einer bestimmten Textpassage, die ihn inspiriere.

Nur zwei Tage nach seiner Performance in der Dampfzentrale spielt Svosve in einer ganz anderen Welt, nämlich am renommierten Lucerne Festival im KKL. Der schnelle Wechsel zwischen experimenteller Pop- und ‹Hochkultur› ist typisch für seine Grenzgänger-Existenz, Svosve bewegt sich spielend zwischen akademischem Umfeld und Underground-Szene. Letzteres gilt übrigens auch wörtlich: Vor drei Jahren erschien «A lung in a horn in a horn», das Svosve zusammen mit Kollege Rafal Skoczek in einer grossen Untergrundleitung in Zürich aufgenommen hat.
Hands-on-Musiker, aber auch Theoretiker
An die Akademie bringt ihn sein Daytime-Job – Svosve doziert am Winterthurer Institut für aktuelle Musik Jazzgeschichte. «Mir ist das ein Anliegen», sagt er. Die Darstellung der Jazzgeschichte während seines Studiums in Zürich empfand er als verkürzt. «Das war überhaupt der Anstoss, weshalb ich mich selbst so ins Researchen hineingestürzt habe.» Svosve ist Hands-on-Musiker, aber eben auch Theoretiker, der Strukturen hinterfragt. «Ich habe meine Issues mit institutionellen Räumen, gerade was Hierarchien und fehlende Chancengleichheit angeht», sagt er. «Gleichzeitig glaube ich, dass wir diese Orte brauchen, um genau solche Themen zu diskutieren.»
Svosve, der vor einem Jahr für seinen «interdisziplinären und experimentellen Approach» mit einem Schweizer Musikpreis ausgezeichnet wurde, eröffnet das Full Of Lava. Auf ihn folgen internationale Acts aus den Pop-Nischen – vom retrofuturistischen Elektropop der Kanadierin Marie Davidson über die US-amerikanische Komponistin und Organistin Kali Malone bis zur Londoner Lo-Fi-Rapperin John Glacier.
Dampfzentrale Bern. Do., 20.11., bis So., 23.11.
- Tapiwa Svosve: Do., 20.11., 20 Uhr
- Marie Davidson: Do., 20.11., 22.15 Uhr
- Kali Malone: Fr., 21.11., 20 Uhr
www.dampfzentrale.ch

Dieser Artikel erschien zuerst bei der Berner Kulturagenda.
Für einmal nicht im Kollektiv, sondern solo: Tapiwa Svosve spielt am «Full of Lava» in Bern. (Foto: Jean-Christophe Bott)
