Quietschbunt bis Schwarz-Gelb

von Anne-Careen Stoltze 10. November 2012

Bei den Gemeindewahlen am 25. November treten 18 Parteien und Gruppierungen an. Journal B hat die Flut von Flyern und Prospekten gesichtet und eine Auswahl näher betrachtet. 

Von der RGM-Liste

Die Stadtberner SP wirbt mit schlichtem Rot und ihren drei Kandidatinnen und ihrem Kandidaten, die die vier Buchstaben von Bern tragen. Ihr Slogan: Stadt für alle statt für wenige. Zu ihrem Programm gehören erwartungsgemäss Atomausstieg, günstiger Wohnraum und Integration.

Auf Facebook läuft es bei der SP wenig aufsehenerregend: neben 13 «Gefällt mir»-Angaben gibt es seit Monaten keine nennenswerte Aktivität. Offenbar setzt die Partei auf den eigenen Kanal: noch bis zum Wahlsonntag gibt sie wöchentlich die Minipublikation «30 Sekunden» heraus, die nebst einem Kernthema des Wahlkampfs ein Horoskop enthält.

«Die Junge Alternative will Bern von Autos, Konsumwahn und Dummheit befreien.»

Anne-Careen Stoltze

Listenpartnerinnen der SP sind gleich zwei grüne Parteien: Das Grüne Bündnis GB und die Grüne Freie Liste GFL. Letztere schiesst auf ihrem Prospekt gegen das GB. Zu sehen ist ein Frauenkopf, bei dem hinter den Ohren alles grün ist. Der Slogan darunter «Grün allein reicht nicht» zielt auf das GB ab, welches kein «frei» oder «liberal» im Parteinamen führt. Eine inhaltliche Abgrenzung fällt indes schwer, denn beide Parteien haben die Energiepolitik und soziale Anliegen auf der Agenda. Die GFL verspricht eine nachhaltige Entwicklung in eigentlich allen Bereichen von Bildung, Kultur, Finanzen und Wohnen. GB will seinerseits «Mehr als grün» sein und setzt auf Lebensqualität, Klimaschutz und Chancengleichheit. Der GB-Prospekt ist konsequent in Rot und Grün gehalten.

Die Junge Alternative JA! hat sich viel vorgenommen. Sie will Bern nicht nur von Autos und Konsumwahn, sondern auch von Dummheit und Überreglementierung bis hin zu Sexismus befreien. Wie das gehen soll? Vielleicht so wie in der Zeichnung auf dem Titelbild: Menschen reissen einen Zaun um Bern ab. Auch wenn er in Schwarz-Weiss gehalten ist, kommt der Flyer erfrischend rüber und wirkt auffallend ruhig.

Auch die JUSO hebt sich mit ihrer Werbung ab – aber in quietschbunt. Sie zieht den Blick auf sich mit Kandidierendenbildern à la Andy Warhol. Inhaltlich fassen sie ihre Ziele unter «Dini Stadt – dis Bärn» zusammen. Darunter versteht die Juso eine junge, moderne Stadt mit Freiräumen, Farben und wenig Repressionen durch Polizei oder Sicherheitsdienste.

Von der bürgerlichen Liste

Der Jungfreisinn hat unter dem Slogan «Wähl dich frei» drei Punkte auf seinem Wahlprogramm: Bern als Sport-, Kultur- und Tourismusstadt positionieren. Dafür braucht es aus Sicht der Partei bessere Bedingungen für den Breitensport, ein «hauptstadtwürdiges Nachtleben» und flexible Ladenöffnungszeiten. Der Bär läuft aus dem Wappen – läuft er davon oder wurde er befreit?

Die FDP Stadt Bern hat auf ihrem Flyer ein sehr ausführliches Wahlprogramm zusammengestellt, das mit verschiedenen Schriftfarben eher unübersichtlich erscheint. Geschlechtsneutrale und gesichtslose Comicmenschen erinnern an eine lieblose Version von Keith-Haring-Figuren. Im Programm deckt der Freisinn die gesamte Palette an Themen ab: Unter anderem will sich die Partei für eine starke Volksschule einsetzen, für Tagesschulen, aber auch für Sicherheit und Sauberkeit sowie neue Wohnungen für Familien mit Grünzonen und Spielplätzen. Das identische Programm finden Interessierte auch auf der Internetseite. Auf Facebook allerdings scheint die FDP zu schlafen: nur 40 «Gefällt mir»-Angaben und die letzte Aktivität war im Juni.

«Der Jungfreisinn will ein haupt-stadtwürdiges Nachtleben, die FDP Sicherheit und Sauberkeit.»

Anne-Careen Stoltze

Die SVP ruft mit der Signalfarbe Rot auf, Missstände anzupacken und SVP zu wählen!. Auf dem Deckblatt zieht ein eigenartiger Krakenbaum die Aufmerksamkeit auf sich. Sein Stamm ist ausschraffiert, auf den Wurzeln stehen scheinbar zufällig angeordnete Schlagworte wie Jugendkriminalität, Sozialbetrug, Bürokratie und Demo. Der Baum wird ausgerissen von einem grimmig aussehenden Mann mit überlangen Armen, der offenbar ein Schweizer sein soll – er trägt ein Sennechäppli. Das Bild lässt die Betrachterin ratlos: Entwurzelt der Mann den Baum der Entrüstung? Zudem erinnert die Zeichnung stark an die Ästhetik der bewegten 1930er-Jahre.

Von der alternativen Liste

Zur Listenverbindung gehören unter anderem die Alternative Linke AL und die Partei der Arbeit PdA. Letztere hat sich bei ihrem Prospekt für Rot-Schwarz entschieden. Das Titelbild wirft einerseits die wortwörtliche Frage auf: «Wem gehört die Stadt?». Andererseits verstecken sich in der Gestaltung weitere, womöglich grundsätzliche Fragen. So geht der Berner Bär zwischen geometrischen Figuren und tritt auf eine umgedrehte Krone. Soll dies die Wappenkrone sein? Soll der Staat gestürzt werden? Im ausführlichen Wahlprogramm geht es unter anderem um den Atomausstieg, Gleichberechtigung und Integration. Statt einzelne Köpfe zeigen sich die Kandidierenden der PdA im Gruppenbild, 13 Herren und vier Damen.

«PdA und AL werben mit Gruppenbildern.»

Anne-Careen Stoltze

Die Alternative Linke AL hat sich ebenfalls für ein Gruppenbild entschieden. Schauplatz: vor dem BKW-Gebäude am Viktoriaplatz. Der Atomausstieg gehört also zum Wahlprogramm. Weiter fordert die AL zum Beispiel die Wiedereinführung der Stadtpolizei, eine zweite Drogenanlaufstelle, bezahlbare Kitaplätze für alle, günstigen Wohnraum und Platz für alternative Wohnformen.

Von der Mitte-Liste

Die CVP hat mit Sicherheit, Familie und Arbeit ihre drei Kernthemen benannt. In gewohntem orange-betonten Design setzen sie sich für eine bunt gewürfelte Auswahl an Zielen ein. Sie wollen beispielsweise eine Eisbahn auf dem Bundesplatz, die Stadtbeleuchtung auf LED-Technik umrüsten, Betreuungsgutscheine für Kitaplätze und ein Hüttendorf im Berner Westen verhindern.

«BDP will in Bern ein ‹kunterbuntes Durcheinander›, die CVP ein Hüttendorf verhindern.»

Anne-Careen Stoltze

Mit viel Gelb und Schwarz und verschiedenen Schriftgrössen wirbt die BDP. Auf dem Titelbild stehen sich zwei Bären gegenüber – sollen sie kämpfen oder sind es zwei, weil man die BDP zwei Mal auf die Liste setzen soll? Die Themenpalette umfasst den öffentlichen Verkehr, die Energiewende 2039, ein «kunterbuntes Durcheinander», eine starke Wirtschaft, ein vielfältiges Sport- und Kulturangebot sowie eine starke Volksschule.

Ebenfalls mit Gelb wirbt die EVP. Das Wahlprogramm auf einem grossen Faltprospekt gliedert sie in sechs E wie Entflechtung, Ehrlichkeit, Erziehung, Elektronik, Entwicklung und Energie. Ein paar ihrer Schwerpunkte sind ein ausgebauter ÖV, Spielplätze auch im Winter, mehr gemeinnützigen Wohnungsbau und ein stadtweites Konzept für Energie aus Biomasse, Erdwärme, Sonne und Wasser.