Zur Sicherheit von Atomkraftwerken oder Wir stimmen wieder einmal ab

von Gerhard Meister 3. November 2016

Vor ein paar Jahren schrieb ich ein Theaterstück über einen Supergau in der Schweiz und beschrieb darin den Untergang der Schweiz. Das Echo auf das Stück war verhalten, und das hat mit Fukushima zu tun.

Mein Stück kam ein knappes Jahr vor dem Supergau in Japan auf die Bühne und damit zu einer Zeit, wo es einen Supergau in einem schweizerischen Atomkraftwerk noch gar nicht geben konnte. Jedenfalls in den Köpfen der Atomkraftbefürworter und ihrer Experten. Für diese Leute, ich erinnere mich an die Medienauftritte des Nuklearexperten Horst-Michael Prasser, war in Fukushima etwas passiert, was diese tatsächlich für unmöglich hielten und ihnen jetzt den Schweiss ausbrechen liess.

Fukushima hat alles geändert.

Tschernobyl, das war Kommunismus und damit ein verrottetes System, in dem natürlich auch die Kernanlagen verrottet sind. Für das Risikobewusstsein hier hat diese Katastrophe deshalb nie eine Rolle gespielt. Dass Japan zum zivilisierten, hochentwickelten Teil der Welt gehört, dass konnte niemand abstreiten. Seit Fukushima ist ein Supergau auch in der Schweiz ganz offiziell etwas Mögliches und nicht mehr – wie vor Fukushima – etwas, wovor Leute Angst haben, die nicht draus kommen und nicht differenzieren können (zwischen sicheren und verrotteten Atommeilern zum Beispiel).

Heute schreibt der Bundesrat den Kantonen vor, eine Evakuierung nicht nur im Umkreis von zwei Kilometern, sondern von 20 Kilometern zu planen. Das zwingt den Kanton Bern dazu, die Evakuierung der Stadt Bern zu planen. Nun, wie evakuiert man eine Stadt wie Bern? Niemand hat darauf eine Antwort, konsequenterweise hat der Kanton Bern entschieden, dass zur Evakuierung der Stadt Bern keine Pläne ausgearbeitet werden.

Nun kann sich ein Supergau je nach Windrichtung auf eine viel grössere Entfernung als 20 Kilometer auswirken. Auch das ist mittlerweile ganz offiziell zugegeben. Die Jodtabletten gegen den Schilddrüsenkrebs aus der radioaktiven Wolke werden mittlerweile in einem Umkreis von 50 Kilometern verteilt. Als Bewohner der Stadt Zürich erhalte ich Jodtabletten zugestellt, weil ausser Mühleberg alle schweizerischen Atomkraftwerke näher als 50 Kilometer an die grösste Stadt der Schweiz heran gebaut wurden. Aber müsste es für Orte, wo Jodtabletten verteilt werden, nicht auch Evakuierungspläne geben? Müsste deshalb, weil fast im ganzen Mittelland diese Tabletten in den Briefkästen lagen, die Frage nicht lauten: Wie evakuiert man das Schweizerische Mittelland? Und damit fast die gesamte Schweiz? Sollen wir nach Frankreich flüchten? Oder nach Deutschland und darauf hoffen, dass Frau Merkel auch zu Millionen von Schweizerinnen und Schweizern, die in ihrem Land um Asyl bitten, sagt: Wir schaffen das?

Diese Überlegungen sind absurd, aber sie ergeben sich zwingend daraus, wie heute in der Schweiz ganz offiziell das Risiko von Atomkraftwerken eingeschätzt wird. Die offizielle Einschätzung des Risikos vor Fukushima war zwar falsch, hatte aber den Vorteil, dass man damit den Betrieb von Atomkraftwerken als vernünftig hinstellen konnte. Jetzt hat die offizielle Schweiz die Möglichkeit eines Supergaus auch hier in unserem Land eingestanden. Eigentlich ist die Atomkraft damit erledigt. Eigentlich ist ganz klar, was als nächster Schritt nun zwingend folgen muss. Doch die offizielle Schweiz kann diesen Schritt nicht tun, es lässt sich mit alten Atomkraftwerken einfach zu viel Geld verdienen. Deshalb braucht es die Hilfe von uns allen.

Gehen wir Ende Monat an die Urne, helfen wir unserem Land bei diesem wichtigen Schritt.