Zu viele Vorfälle, zu wenig Awareness

von Noah Pilloud 16. Juli 2023

Gurten Wegen zu vieler rassistischer Vorfälle schloss das café révolution gestern seinen Infostand auf dem Festival. Zeit, um über das Awarenesskonzept zu sprechen.

An dieser Stelle wollte ich eigentlich vom vierten Festivaltag erzählen und ein paar schöne Bilder zeigen. Ich werde das nachholen, doch heute möchte ich etwas ansprechen, über das diskutiert werden muss: das Awarenesskonzept des Gurtenfestivals.

Am Samstagabend gab das Kollektiv des café révolution bekannt, dass es seinen Stand auf dem Festivalgelände per sofort schliesse. Dem anti-rassistischen Kollektiv kommen dieses Jahr die Depot-Spenden zugute, weshalb es mit einem Stand im Esszelt vertreten war. Grund für den Entscheid, den Stand zu schliessen, sei das Ausmass übergriffigen und rassistischen Verhaltens seitens Festivalbesucher*innen, wie das Kollektiv in einem Statement auf Instagram festhielt.

Diese Meldung reihte sich ein in eine Vielzahl übergriffiger und diskriminierender Vorfälle, von denen ich in den letzten Tagen vernommen habe. So hörte ich etwa von sexistischen Sprüchen und Belästigungen auf dem Festivalgelände und homophoben Zwischenrufen während des Konzerts von Lil Nas X, oder bekam sie selbst mit. Verhindern lässt sich das an einem Festival dieser Grösse nicht. Doch müssten die Veranstalter*innen besser darauf vorbereitet sein.

Das Gurtenfestival verfügt zwar über ein Awarenesskonzept, dem aber lediglich die Note ungenügend ausgestellt werden kann. Von Plakaten und Screens prangt ein roter Schriftzug auf gelbem Grund: «Feel safe together!» Damit hat es sich eigentlich schon. Auf der Webseite und auf Social Media ist zwar zu lesen, man könne Vorfälle beim Sicherheits- und Bühnengrabenpersonal, bei der Sanität oder per Whatsapp melden. Doch diese Information ist zu wenig präsent und das Personal häufig mit anderen Aufgaben beschäftigt.

Für ein funktionierendes Konzept bräuchte es ein Awareness-Team, das explizit für den Umgang mit solchen Vorfällen geschult und für alle Besucher*innen klar erkennbar ist und Präsenz zeigt. Über das Awarenesskonzept müsste kontinuierlich auf so vielen Kanälen wie möglich informiert werden.

So schön es auch ist, ein so diverses Line-Up auf der Bühne zu sehen, diskriminierendem und übergriffigem Verhalten schutzlos ausgeliefert zu seinem verdirbt die Feierlaune gehörig. In dem das Gurtenfestival bestimmte Artists bucht, zieht es ein Publikum an, das sich vermehrt Diskriminierung ausgesetzt sieht.

Meint es die Festivalleitung ernst mit ihrem Bekenntnis zu Diversität und Diskriminierungsfreiheit, muss sie die Verantwortung dafür übernehmen, dass sich dieses Publikum sicher und wohl fühlt. Will das Gurtenfestival ein Festival für alle sein und nicht mit seinem Line-Up bloss sein möglichst breites Kund*innen-Segment erreichen, muss das Team für nächstes Jahr noch einmal über die Bücher.