Die Gewitter der vorderen Nächte haben an diesem Samstagmorgen noch etwas kühle Luft dagelassen. Das kommt den Fussballer*innen auf dem Rasen des Schulhauses Köniz-Buchsee gelegen. So haben sie zumindest beim Einspielen angenehme Temperaturen, heiss wird es an diesem Tag noch früh und lange genug werden.
Was auf den ersten Blick aussieht wie ein gewöhnliches Grümpi – hier das Zelt mit dem Bierstand, gegenüber sorgt der Grillmeister bereits für ordentlich Glut, daneben stehen die Festbänke – ist in Tat und Wahrheit Berns schönstes Fussballfest: der Antiracup.
Journal B unterstützen
Unabhängiger Journalismus kostet. Deshalb brauchen wir dich. Werde jetzt Mitglied oder spende.
Dass hier die politische Haltung genauso wichtig ist, wie die Freude am Fussball verrät der zweite Blick: Unter den Zapfhähnen wehen Pride- und Anarchoflaggen, die Bratwürste (tierische und vegane) werden vom Verein «Gemeinsam gegen Rassismus» verkauft und die Teams tragen Namen wie «Antinationale Milano», «Schibätätscherinne» oder «Allgemeiner Club für Alternativen Ballsport» (kurz ACAB).
Eine 25-jährige Tradition
Für die Mitgründerin Anna ist der Antiracup in erster Linie ein Spassturnier, im Zentrum sollen die Freude am Spiel und die politische Botschaft stehen. «Wir ermutigen die Leute jedes Jahr, möglichst durchmischte Teams aufzustellen», erklärt Anna «als Faustregel gilt zudem: Es stehen maximal zwei Spieler*innen mit einer SfV-Lizenz gleichzeitig auf dem Spielfeld». Kontrolliert werde das nicht, das wäre zu aufwendig und entspreche nicht dem Geist des Turniers. «In der Regel klappt das aber gut von selbst», meint Angi, die zweite der beiden Gründerinnen des Antiracup Bern.
Die Idee hatten die beiden 2015, damals gab es in der Schweiz bereits Antira-Turniere in Solothurn und im Wallis. Der Grundgedanke solcher antirassistischen Fussballturniere geht auf die «Monidali Antirazzisti» zurück. Dieses Fussballfest findet seit 1997 jährlich in der Nähe von Bologna statt und hat Ableger in der ganzen Welt.
Die einzelnen Turniere in der Schweiz sind gut untereinander vernetzt. So stellen die Organisator*innen jeweils an den anderen Turnieren ein eigenes Team – letzten Samstag war Solothurn mit Soletta in Bern vertreten – und im Oktober findet das gemeinsame Antira-Festival statt.
Klarkommen ohne Schiri
In der Zwischenzeit steht die Sonne schon hoch am Himmel und wer nicht gerade spielt, hält sich im Schatten auf. Die Gruppenphase ist um und die verbleibenden Teams treten in den Achtelfinals gegeneinander an. Obwohl es nun ums Weiterkommen oder Ausscheiden geht, bleibt die Stimmung auf dem Platz mehrheitlich freundschaftlich.
Das funktioniert interessanterweise ganz ohne Schiedsrichter*innen. «Das ist eine bewusste Entscheidung», sagt Anna. Die Spielenden sollen untereinander für Fairness und die Einhaltung der Regeln sorgen. Der Blick auf die Spielfelder zeigt: Das klappt ganz gut. Bei klaren Fouls oder Handspielen wird ein Freistoss ausgeführt, ab und an gibt es kurze Diskussionen. Nur bei einem der Spiele scheint die Stimmung kurzzeitig etwas zu kippen, beruhigt sich aber schnell wieder.
Und wenn Unstimmigkeiten doch eskalieren? Dafür stehen die Spielleiter*innen am Spielfeldrand. Im Normalfall sorgen sie dafür, dass bei Anpfiff alle Teams bereit sind und zählen die Tore. Nötigenfalls würden sie aber auch einschreiten und eine Partie unterbrechen.
Soweit kommt es an jenem Samstag aber nicht, entsprechend gut gelaunt ist das Publikum als sich die Finalist*innen auf ihre Positionen begeben. Die Affiche lautet «International Football Club of Berne» gegen «Antinationale Milano». Das Finale bringt das Turnier mit einem ansprechenden Spiel zum würdigen Abschluss.
Am Ende vermag der Internationalismus gegenüber dem Antinationalismus (zumindest fussballerisch) mehr zu überzeugen: Der alternativliga-erprobte IFC gewinnt das Finale und somit den Antiracup Bern 2022. Für mich lautet die Bilanz: Schönes, antirassistisches Fussballfest mit vielen tollen Menschen, angenehm kühlem Bier und etwas zu wenig Sonnencrème. Und wer weiss, vielleicht tritt beim nächsten Antiracup Werder B-Sport an.