Die Vorfreude in der Sporthalle Weissenstein ist an diesem Samstagabend Ende April förmlich mit den Händen zu greifen. Emsig werden die letzten Vorbereitungen getroffen vor dem letzten Showdown der Saison. Aus den Lautsprechern dröhnt laute Musik während sich die Spieler beider Mannschaften für das grosse Spiel vorbereiten.
Empfangen werde ich vor dem Spiel von Marc Loner, Vorstandsmitglied und selber auch Spieler der 2. Mannschaft. «Eines unserer grössten Ziele ist es, Futsal als Sportart in der Schweiz bekannter zu machen», erklärt Marc vor dem Spiel. Sie seien nun gerade an der Schwelle zur Semiprofessionalität, momentan spielen noch alle Spieler der 1. Mannschaft ehrenamtlich.
Für jene, die noch nie etwas von Futsal gehört haben, hier eine kurze Einführung: Das Wort Futsal stammt vom Portugiesischen Namen «futebol de salão» und dem Spanischen «fútbol sala» ab und bedeutet nichts anderes als Hallenfussball. Jedoch unterscheidet sich Futsal erheblich vom «traditionellen Hallenfussball», den wohl viele noch aus der Schulzeit kennen.
Gespielt wird auf Handballtore mit vier Feldspieler*innen und einem*einer Torhüter*in. Dies aber nicht etwa mit dem legendären gelben Filzball, sondern mit einem kleineren Ball, der weniger abspringt. Zudem wird ohne Banden gespielt, das Spielfeld ist somit noch kleiner. Die Zeit wird bei jedem Unterbruch angehalten. Das leidige Thema Zeitspiel gibt es im Futsal also nicht.
Es gibt viele fliegende Wechsel und die Torhüter*innen können durch Feldspieler*innen ersetzt werden, um eine Überzahl auf dem Feld zu schaffen, ähnlich wie das Powerplay im Eishockey.
Das soll sich aber in absehbarer Zeit ändern, die Spieler sollen einen finanziellen Beitrag vom Verein erhalten und somit mehr Zeit in Trainings und Regeneration investieren können. Dies soll dank des breiten Sponsorennetzwerks möglich werden, das sich Futsal Minerva in den letzten Jahren kontinuierlich aufgebaut hat.
Internationale Partnerschaft
Der Erfolg von Minerva basiert zu einem grossen Teil auch auf der internationalen Ausrichtung des Vereins. So wurde die 1. Mannschaft mit verschiedenen internationalen Topspielern, beispielsweise aus Portugal, ergänzt. «Einer hat schon viele Spiele mit der Portugiesischen Nationalmannschaft absolviert, ein anderer stand schon drei Mal im Finale der Uefa Futsal Champions League, dem Pendant zur Champions League im Fussball», erzählt Marc stolz. Der Verein organisiert den transferierten Spielern eine Arbeit und eine Wohnung in Bern. Im Gegenzug bringen die neuen Spieler viel Erfahrung, Know-How und natürlich spielerische Qualität in die Mannschaft.
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Möglich macht das die offizielle Club-Partnerschaft mit dem Sporting Clube de Portugal aus Lissabon, wo der Futsalsport Profiliga-Status geniesst. Durch den jetzigen Trainer der 1. Mannschaft von Minerva, der zuvor U-17 Trainer in Lissabon war, entstand die Verbindung der beiden Clubs. «Entweder sind es erfahrene Spieler, die zum Ende ihrer Karriere kommen oder es sind ganz junge Spieler, die den Durchbruch in die 1. Mannschaft von Lissabon nicht schaffen. Bei uns erhalten sie genügend Spielzeit um sich zu beweisen. Somit können wir für junge Spieler ein Sprungbrett sein», sagt Marc.
Futsal geniesst in Portugal, Spanien und in Lateinamerika einen viel grösseren Stellenwert als hier, die Spieler können vom Futsal-Sport leben. Davon träumt man auch bei Minerva.
Lokale Partnerschaften
Partnerschaften gibt es aber auch mit Vereinen aus Bern. Seit fünf Jahren ist Minerva Partner mit der Juniorenabteilung von YB, «was damals ein Novum im Schweizer Fussball war», bemerkt Marc. Im Winter trainieren die YB-Junioren mit dem Trainer der 1. Mannschaft von Minerva in der Halle, um an ihren technischen Fähigkeiten zu arbeiten. Bezeichnend für Futsal, seien der enge Raum und das schnelle Spielgeschehen. «Die Junioren müssen sehr schnelle Entscheidungen treffen, das kommt ihnen dann auch im 11-er Fussball entgegen. Wir stehen nicht in Konkurrenz mit dem Fussball, sondern sehen uns als Komplementärprodukt. Beide können dadurch profitieren», beschreibt Marc die Beziehung zum grossen Bruder Fussball.
Nach dem aufwändig inszenierten Einlaufprozedere der Spieler, Lichtshow und Musik inklusive, wird noch zur Schweizer Nationalhymne angesetzt.
Eine gleiche Partnerschaft wie mit YB gibt es mittlerweile auch mit den Junioren des FC Breitenrain und des FC Wyler. «Selber haben wir noch keine Juniorenabteilung, es ist aber unser klares Ziel eine solche in den nächsten Jahren aufzubauen. So wollen wir die Sportart Futsal in der Schweiz bekannter machen. Wir sind also auch Botschafter der Sportart Futsal», meint Marc.
Achtung, Fertig, Los
In der Sporthalle Weissenstein herrscht eine familiäre Stimmung, die meisten aus dem Publikum sind wohl persönliche Bekannte von Spielern oder deren Familien. Zugegen sind etwa 350 Personen, darunter auch eine regelrechte Fankurve, die mit Trommeln und Sprechchören für reichlich Stimmung sorgen. Nach dem aufwändig inszenierten Einlaufprozedere der Spieler, Lichtshow und Musik inklusive, wird noch zur Schweizer Nationalhymne angesetzt. Es handelt sich ja schliesslich um den Final der Schweizermeisterschaften.
Nach wenigen Minuten kommt Geneva Futsal zur ersten Grosschance. Nach einem schnell ausgeführten Konter, trifft der Genfer Spieler aber nur den Pfosten. Anschliessend übernimmt Minerva die Kontrolle über das Spielgeschehen. Geduldig versucht Minerva mit schnellen und präzisen Pässen die Gegner schwindlig zu spielen bis eine Lücke entsteht. Dies gelingt bereits nach fünf Minuten mit einem Weitschuss ins Lattenkreuz.
Ab diesem Zeitpunkt spielt eigentlich nur noch ein Team. Minerva betreibt Einbahnfutsal, ganz nach dem Gusto des Heimpublikums. Zur Halbzeit zeigt die Anzeigetafel bereits 5:0 für Minerva an.
Bei Minerva lässt sich ein klares Spielsystem erkennen, geprägt von vielen Läufen und geduldigen Passstafetten.
Auffallend ist, wie Minerva als Mannschaft viel besser harmoniert als Genf. Die Einzelspieler beider Mannschaften verfügen offensichtlich über viel Talent, bei Geneva Futsal scheint aber alles ein bisschen hastig und zufällig zu entstehen. Bei Minerva hingegen lässt sich ein klares Spielsystem erkennen, geprägt von vielen Läufen und geduldigen Passstafetten.
Wer sich, wie ich, auf viele spektakuläre Dribblings und sonstige Kabinettstückchen gefreut hatte, wurde in dieser Hinsicht leicht enttäuscht. Auch Spannung wollte durch das sehr dominante Auftreten von Minerva nicht wirklich aufkommen. Die Frage nach der Halbzeit war eigentlich nur noch, wie hoch der Sieg ausfallen würde. Am Schluss stand es 9:1 für Minerva, immerhin gelang es Genf kurz vor Schluss noch einen Ehrentreffer zu erzielen.
Das Rückspiel fand am Samstag 08.05.2022 in Genf statt. Dieses gewann Minerva mit 1:3 und krönte sich somit hochverdient zum fünften Mal zum Schweizermeister im Futsal.