Königstage kommen unangemeldet. Plötzlich sind sie da. Man unterbricht das Hacken im Gemüsegarten, schaut mit grossen Augen um sich, schaut in den blauen Himmel, spürt in der Frische des Morgens die Wärme der aufgehenden Sonne, hört die Vögel, das Summen einer Biene und fragt sich: Ist das möglich? Kann die Welt bei allem, was man liest und hört und am Fernsehen sieht, so schön sein?
Mal abgesehen vom mittlern Osten, von Florida, Mexiko und Korea, möchte ich ja nicht behaupten, ich würde wirklich verstehen, was hier in Spanien gerade abgeht, aber ich bin immerhin ziemlich nahe dran. Und wenn ich ein paar Schritte aus dem Dorf rausgehe und hochsteige, müsste ich eigentlich nach Katalonien hinüber sehen können. Auch gehören grösseren Teile dieser in Aufruhr geratenen Region definitiv zu meinem Leben hier. Allein, wenn ich an all den katalanischen Wein denke, den ich in diesem Sommer getrunken habe! Schon deshalb müsste mir eigentlich alles klar sein.
Stattdessen kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Es gehe steil bergab, und zwar ohne Bremsen, sagt ein landesweit bekannter Kommentator. Man verfolgt mit Hochspannung, wie sich eine Regierung auf Biegen und Brechen immer näher an einen Abgrund manövriert, den sie Unabhängigkeit nennt, und wie eine andere Regierung verzweifelt versucht, die Verfassung hochzuhalten, ohne die ganz dicken Knüppel aus dem Sack zu holen. Man hört auch, zwei Züge würden aufeinander zurasen, wobei der katalanische Präsident behauptet, das mache nichts, denn die beiden Züge würden sich auf zwei unterschiedlichen Geleisen befinden.
Das wird sich am mittlerweile schon ominösen 1. Oktober zeigen, an welchem die Abstimmung stattfinden soll, obschon wohl niemand ganz sicher weiss, ob dem wirklich so sein wird. Ein Sprung ins Nichts ist es in jedem Fall und die Tatsache, dass man das Datum des programmierten frontalen Zusammenpralls in Spanien wie ein Fussballresultat schreibt, könnte irreführend sein. Bei diesem 1:O wird es nur Verlierer geben.
Der Oktober ist natürlich gemacht für Revolutionen, aber der voraussehbare Schaden wird gigantisch sein. Als Schweizer kann man sich bei aller Sympathie für das Anliegen, das gewählte, illegale Vorgehen sowieso nicht erklären und gibt denen recht, die darauf verweisen, dass unilaterale Abspaltungen im heutigen Europa einfach nicht mehr gehen. Auch fragte man sich, wer soll das alles wieder aufräumen? Wie soll verhandelt werden, wenn sämtliches Geschirr zerschlagen ist? Und verhandeln wird man müssen!
Und was hat Santiago Ruiseñol damit zu tun?
Erstens ist er Katalane und zwar einer derjenigen, die den Spanischen Modernismus weltberühmt machten, und zweitens malte er wunderbare Gärten.
Der anfangs des letzten Jahrhunderts zweifellos auch an einem Königstag gemalte Garten in Mallorca ist farblich nicht nur ein modernistisches, sondern anders als die meisten seiner andern Werke, ein sehr modernes Bild. Auch gibt es darin diesen befreienden Blick auf das blaue Meer, und blau ist die Hoffnung.