Sagt, was Bern bewegt, steht unter dem Logo dieses Journals. Bern bewegt bedenklich wenig, hat man da den Eindruck. Ich selbst kann auch kaum etwas zur Abhilfe beitragen, habe ich mich doch für den Sommer wieder in mein kleines Dorf in den Spanischen Bergen abgemeldet.
Wie gerne würde ich von hier wie letztes Jahr aus meinem Garten berichten, wo sich sehr viel bewegt, wenn auch meistens nur sehr langsam. Überhaupt ist so ein Garten eine hervorragende Schule der Geduld. Auch davon, wie einem in so einem Garten die Elemente wieder näher rücken und davon, wie das Scharren in der Erde und das sich Bücken vor der Natur zwar herrlich sinnstiftend, aber auch schweisstreibend sein können, davon und von vielem mehr, gäbe es zu erzählen.
Aber Spanien hat gewählt und die Politik muss Vorrang haben.
Nachdem die letzten Wahlen vor sechs Monaten keine neuen Impulse und kaum mehr als Ungewissheit für ein doch noch immer relativ angeschlagenes Land gebracht haben, sieht es nüchtern betrachtet auch jetzt nicht viel besser aus. Wie ist es bloss möglich, dass eine Partei, die so ziemlich überall massenhaft in Korruptionsskandale verwickelt ist, die Wahlen gewinnt, wenn auch ohne das absolute Mehr? Man kann es kaum glauben!
Rajoy, der Präsident steht beim Elfmeter im Tor, ist absolut unfähig, sich zu bewegen, aber keiner trifft! sagt ein kluger Beobachter in seinem Kommentar. In der Wahlnacht, noch bevor die eigentlichen Resultate eintrafen, sah es auf Grund von Umfragen allerdings einmal kurz nach einem Sieg der Linken aus. Podemos, die neue Linke Spaniens, war dabei, die traditionellen Sozialdemokraten der PSOE zu überflügeln. Das war, ehrlich gesagt, auch keine wahnsinnig verheissungsvolle Aussicht.
Was gewänne dieses Land mit einem linkspopulistischen Präsidenten, der Mühe hat, sich von den Irrwegen Venezuelas zu distanzieren und der, das weiss ich erst, seit ich ihn ein paar Mal in der Tagesschau gesehen habe, bei schwierigen Fragen andauernd mit den Schultern zuckt wie ein störrisches Kind? Der auch noch einer Partei vorsteht, in deren Umfeld Plakate mit dem Bild von Che Guevara hoch gehalten werden. Kein Witz! Gut, ich hatte als Jugendlicher auch einmal einen Che-Poster an der Wand, aber das war vor 50 Jahren!
Auch schlimm ist: Seit man hier überhaupt wählen darf, sind nie weniger Spanier und Spanierinnen an die Urne gegangen! Noch vor den Wahlen fragte ich in einer Bar einen Bekannten, ob er sich schon entschieden habe. Da es sich um einen etwas undurchsichtigen, verschrobenen älteren Herrn handelt, ist nicht ganz klar, wie ironisch seine Antwort zu verstehen ist. Er sagte, er gehe nicht wählen, weil diesmal habe ihm niemand etwas geschenkt. Kein Halstuch, keinen Hut, keinen Schlüsselhalter! Nicht einmal ein Feuerzeug! Und mindestens ein Feuerzeug müsste bei Wahlen doch drin liegen!
Ironisch oder nicht, nach allem, was man so liest und sieht, hat man doch den Eindruck, genau das sei das Niveau, auf welchem sich für viele Spanier die Politik abzuspielen scheint. Leider.
Und was hat Pilar Albarracín damit zu tun?
Diese Video- und Performance-Künstlerin aus Madrid mit andalusischen Wurzeln wirft einen ziemlich witzigen und erhellenden Blick auf die spanische Kultur mitsamt ihrem Kitsch und ihren Abgründen, wie sie zum Beispiel im Stierkampf nicht zu unterschätzen sind. In ihren Fotoserien schlüpft sie in Rollen, vertauscht Vorzeichen und macht sich über vieles lustig, was in Spanien hoch und heilig ist. Aber nie ist sie verletzend oder unversöhnlich. Unbedingt Revolera anklicken. Da liegt die Künstlerin mit einem Stier im Bett. Das ist Spanien!