Weiter geht es mit Joan Miró

von Beat Sterchi 2. September 2015

Die Zwiebel aus meinem Gemüsegarten hätte nur Sonne, frischen Wind, den Schatten der Papeln und das Wasser aus dem Kanal eines altehrwürdigen Bewässerungssystems gesehen, berichtete ich in meinem letzten Beitrag aus Spanien. Was ich vergessen habe, ist der Dünger. Und dieser Dünger war Mist! Schafmist!

Mir ist natürlich klar, dass man keinen Mist schreiben sollte, wenn man über Mist schreibt, aber dieser Schafmist stammt von einem ziemlich abgelegenen Hof in wilder Umgebung, der mit einem unserer gepflegten Emmentaler Bauernhöfe ungefähr so viel gemeinsam hat wie ein rostiger Döschwo aus den Sechzigern mit einem neuen Range-Rover. Das ganze Gehöft ist eine Mischung aus Landmaschinen-Schrottplatz und improvisierten Tiergehegen für Rinder, Schweine und Schafe. Aber der Bauer, Antonio heisst er mit Vornamen, ist die Freundlichkeit selbst. Während er mithalf, den trockenen Schafmist in Säcke abzufüllen, rauchte er einen Stumpen von der Grösse eines halben Besenstiels und hörte eigentlich nie auf zu lachen, obschon er ausführlich beklagte, dass sein wirtschaftliches Überleben alles andere als ein Zuckerschlecken sei.

Weil er in der Schule immer der Esel war, sagte er, habe man ihn schon früh zum Schafhirten gemacht. Und jetzt habe er den Dreck! Und anstatt ihm zu helfen, würde ihm der Staat das Leben nur noch schwerer machen. Alles sei geschützt, ausser er selber! Man schütze den Wolf, den Fuchs, den Bären, die steinbockartigen Bergziegen und natürlich auch noch die Geier! Dort drüben an diesem Hang, wo er seine Mutterkühe halte, dort hätten ihm diese Geier letztes Jahr 4 Kühe umgebracht. Natürlich wandte ich ein, man sage doch, dass die Geier nur Aas fressen würden. Ja, das sagen die Bücher, sagte er, denn wenn eine Kuh kalbt und am Boden ist, dann schlagen die Geier sehr wohl zu! Und wenn ich der Kuh die Ohrmarke abnehmen muss, gehen sie nicht weg!

Wenn ich da umfalle, töten sie mich auch. Kein Wunder, wenn plötzlich 300 Vögel da sind! Auch da lacht er und als er noch darüber lachte, dass man 20 von diesen Geiern aus der Gegend hier im fernen Bulgarien ansiedelte, von denen etliche aber längst zurückgekommen seien, staunte ich, dass mich die paar Säcke Mist für meinen kleinen Gemüsegarten so weit in die Welt hinausführten.

Und was hat Joan Miró damit zu tun?

Er säe Vögel in den Garten des Windes, schreibt Octavio Paz in einer wunderschönen Fabel über Mirós Kunst. Diese berühmten Konstellationen wie Der Garten sind vielleicht auch ziemlich abstrakt, gewachsen sind sie aber auf dem gleichen Mist wie meine Zwiebeln. Miró hatte nicht nur eine Beziehung zu dieser Region, er hat in seinen frühen Werken, von welchen das wohl berühmteste La Masia lange im Besitz von Hemingway war, so ziemlich alles Elementare, das einem in einem Garten begegnen kann, gegenständlich dargestellt, bevor er daraus seine  unverwechselbar bunte, aber keinesfalls abgehobene Bildersprache entwickelte. Auch in Der Garten ist alles da: Himmel und Erde, Sterne, Meer und Sonne, Pflanzen, Bäume, Tiere vom Regenwurm bis zum Specht und mittendrin natürlich das grosse Auge, das alles zusammenhält.