Eben bin ich auf der Münsterplattform einer witzigen Dame begegnet. Als sie bemerkt hatte, wie neugierig ich den Hund an ihrer Leine betrachtete, sagte sie: Ein Leben ohne Mops sei zwar möglich, aber sinnlos. Natürlich lachte ich. Worauf sie meinte, der Spruch sei leider nicht von ihr, der sei von Loriot.
Ein paar Tage vorher hatte eine andere Frau fast an der gleichen Stelle an der Mauer über der Badgasse in die Englische Anlage hinüber geschaut und gesagt: Lueg mau! Schon ist fast das ganze bunte Laub am Boden und alles wird grau und kalt. Fertig mit dem schönen Herbst! Obschon vom Münster herab gerade die Glocken zu läuten begannen, hatte ich gehört, wie ihr Begleiter antwortete: Ach komm! Vielleicht schneit es morgen schon. Weisch wie? Wenn alles weiss und sauber ist!
Auf dem Gurten liegt mittlerweile tatsächlich Schnee und unten im «Schweller» sind die Bagger aufgefahren, um wieder wegzuschaffen, was die fleissige Aare das Jahr hindurch hier alles aus den Bergen angeschwemmt und abgelagert hat. Ruhig und mager kommt die Aare auf der andern Seite der Stadt daher. Auch dort rauschten eben noch die Herbstfarben in den hohen Platanen, aber schon sind in den Schlafbäumen die Nester zu sehen und die Krähenvölker haben dazu sehr wohl etwas zu sagen. Das tun sie teils unverfroren laut und frech.
Aber da ist auch eine Frau, die auf dem Altenbergsteg lauthals nach ihrem Hund ruft. Mina! Mina! Mina! ruft sie immer wieder und noch einmal: Mina! Mina! Mina! Sie hatte schon mehr als zwanzigmal gerufen, aber Mina wollte nicht hören, Mina wollte ihre Nase in den Rucksack der Fischer auf dem Uferweg stecken. Mina konnte dies auch unbehelligt tun, denn die beiden jungen Fischer hatten alle Hände voll zu tun mit einem riesigen Barben, den sie langsam an der Leine unter der Brücke hervor ziehen wollten. Es war wirklich ein mächtiger Fisch, mindestens einen halben Meter lang war er, und die Frau rief weiter Mina! Mina! Bis einer der Jungs doch bemerkte, dass ihnen Mina den Käse aus dem Rucksack gefressen hatte. Nein, er wolle kein Geld für den Käse, aber jetzt hätten sie keinen Köder mehr. Derweil zog der andere Junge weiter angestrengt an der Leine. Er will den grossen Fisch müde machen! Es geht nur so! sagt er. Vom Altenbergsteg aus kann man im glasklaren Wasser den Barben sehr gut sehen, wie er sich sträubt und kämpft an der Angel. Weil so ein Ringen ganz schön dauern kann, ging ich weiter Richtung Stauwehr, erfuhr aber später von einem andern Fischer, dass man das mit dem Käse «auf Grund fischen» nennt. Ob die Jungs den grossen Barben sicher aus der Aare ziehen konnten, wusste er aber leider nicht.
Und was hat das mit Humberto Ybarra zu tun?
Es ist schön, wieder in Bern und an der Aare zu sein. Aber der lange Sommer, den ich in Spanien verbracht habe, und von wo aus ich mich an dieser Stelle gemeldet hatte, wirkt nach. Noch klicke ich ab und zu das Kanarische Fernsehen an, das 24 Stunden am Tag die Launen des Vulkans auf La Palma überträgt. Dieser hat so viel Schaden angerichtet, dass das ganze Land über Wochen den Atem anhielt. Doch besonders nachts ist es auch faszinierend zuzuschauen, wie er bei seinen anhaltenden Ausbrüchen Feuer in den Himmel spuckt. Zeitweise bietet er ein Spektakel, das jedes am ersten August gezündete Feuerwerk in den Schatten stellt. Dazu kommt, dass diese Katastrophe auf den kanarischen Inseln auch daran erinnert, wie gross und vielfältig dieses Spanien ist. Es ist für europäische Verhältnisse schlicht ein riesiges Land und leider zunehmend auch ein leeres Land. Humberto Ybarra kommt hier das Verdienst zu, dass er ein Auge hat für die immense Grösse und die Kraft dieser Landschaften, die ihrer Schönheit zum Trotz, bei fortschreitender Entvölkerung zu Einöden zu verkommen drohen. Die sprichwörtlichen spanischen Dörfer sterben aus, aber seine Bilder leben.