Weiter geht es mit Henry Rousseau.

von Beat Sterchi 7. Dezember 2017

Es ist nicht etwa so, dass mich Katalonien nicht weiter beschäftigen würde. Wie so oft in diesem Jahr in diesem Blog.

Aber liesse ich mich hier beispielsweise über die spanische Justiz aus, die ja doch ziemlich unbeholfen vorzugehen scheint, wer würde dann vermelden, dass an den Kastanienbäumen auf der Münsterplattform kein Blatt mehr übrig bleibt? Wer würde den hölzernen Reitpferden gedenken, die jetzt verlassen und frierend dort neben dem Sandkasten stehen, wo auch nur noch ein paar rote und gelbe Plastikspielsachen an vergnügte Kinder erinnern? Und wer erwähnte die verlorene Taube unter einem der leeren Bänke? Wer die eingenebelte Sonne, die sich wie ein weisser Leuchtknopf am Himmel versteckt?

Und wenn ich hier wiederum nur davon berichten würde, wie viele Politiker und Politikerinnen in Katalonien eigenartigerweise weiterhin nicht den Mund aufmachen können, ohne allem, was sie sagen, paradoxerweise auch noch drei oder viermal das Wort «demokratisch» beizumischen wie Essig und Öl an den Salat, wer würde dann unserer Aare die Beachtung schenken, die sie verdient? Wer würde den stolzen Schwan erwähnen, der aufrecht vor der Englischen Anlage dümpelt, als würde er die wieder aufgenommenen Aushubarbeiten vor den Schwellen überwachen? Immerhin geht es hier um die Ablagerungen des Jahres und die stammen nicht einfach so von irgendwo. Was hier ausgebaggert wird, das wurde von Eiger, Mönch und Jungfrau, von der Blüemlisalp, vom Niesen und der Grimsel herunter angeschwemmt! Immerhin!

Wiederum hat sich nämlich eine riesige Insel gebildet, auf welcher die gelben Maschinen rumsurren und dieses Geröll schon mal für den Abtransport ins neue Jahr aufhäufen.

Noch rauscht sie leicht, die abgemagerte Aare, und wenn man die Ohren spitzt, hört man auch noch das Gerassel der Ketten, mit welchem bis vor kurzem die rostigen alten Ungetüme von knatternden und ratternden Baggern ihre geleerten Schaufeln zurück ins Wasser haben sausen lassen.

Und wenn ich hier weiter nur gegen einen doch uneuropäischen und undemokratischen katalanischen Wohlstandsseparatismus anschreiben würde, wer nähme sich dann die Mühe, zu vermelden, dass unsere Bären jetzt schlafen? Wie es weiter oben beim alten Tramdepot dreisprachig auf einer Tafel steht. «L’ourse Ursina hiverne dans une tanière dans le parc».

Und wer würde berichten, dass schon kurz nach der Untertorbrücke die Biber einen weiteren stattlichen Baum zu Fall gebracht haben, der jetzt bis zu der Krone in der Aare liegt? Auch die dort mit den Bären im Winterschlaf träumenden Weidlinge der Wasserfahrer müssen doch erwähnt werden. Ebenso die Krähe, die im seichten Wasser rumstolzierend und aufbegehrend etwas sehr Undurchsichtiges treibt. Und unbedingt, dass zwei Entenpaare, der Kälte zum Trotz, den Altenbergsteg mindestens so vergnügt und mindestens so synchron unterqueren wie die ranken Aareschwimmerinnen im Sommer.

Und wenn ich mich immer weiter nur mit diesem so demokratischen Katalonien rumschlagen würde, wer würde dann die Schafe erwähnen, denen man beim Weitergehen unweigerlich begegnet? Und die schöne, graue Tirolerkuh, die sich zwischen der alten Brauerei Gasser und dem Lorrainebad durch die Jahre frisst, hat sie nicht mindestens das gleiche demokratische Recht wie das arme undemokratisch unterdrückte Katalonien, einmal in einem Blog im Journal B erwähnt zu werden?
Doch! muss man da sagen. Doch! Dieses Recht muss man dieser gediegenen Stadtkuh einfach einmal zugestehen.

Und was hat Henry Rousseau damit zu tun?

Ginge man noch weiter, der hier schon fast schlafenden Aare entlang, käme man zwar auch noch bei ein paar im Dreck grunzenden Schweinen vorbei, unweigerlich aber auch zu unserer im Sommer so herrlich tosenden, jetzt aber still auf die nächste Schneeschmelze wartenden Stauwehr. Und eine ebensolche hat der «Douanier» wie Henry Rousseau auch genannt wird, so wunderbar gemalt, es könnte wirklich grad die unsere sein.

Dazu kommt – das muss auch noch gesagt sein – dass es sich jederzeit lohnt, besonders aber in der zur Melancholie verleitenden vorweihnächtlichen Zeit, in aller Ruhe ein paar Bilder von diesem Rousseau zu betrachten.

Sie bergen allesamt ein Geheimnis, das sich am ehesten an den malerischen Details erahnen lässt. Diese unglaubliche Liebe zur Kunst! Dieser Fleiss! Diese grenzenlose Geduld! Sie sind Ausdruck des unverkennbaren Bedürfnisses, etwas Schönes, etwas Wahres, etwas Wertvolles zu schaffen. Rousseau meint es immer Ernst! Und um dieses Ziel zu erreichen, war diesem sehr edlen Monsieur kein Opfer zu klein.

In diesem Sinne schon jetzt die allerbesten Wünsche für die kommenden Festtage und für das neue Jahr.